Elmshorn. Elmshorner Einrichtung beklagt: Während der Pandemie werden unüberlegt Tiere gekauft. Am Ende werden sie abgestoßen.
Tapsige Schrittchen auf unsicheren Beinchen, große Augen und eine entzückende Stupsnase. Keine Frage, Hundewelpen sind niedlich. So war es auch bei „Knut“, einem knuddeligen Bordeaux-Doggen-Mischling, in den sich eine Familie aus Elmshorn Hals über Kopf verliebte. Zumindest am Anfang.
„Er ist doch tatsächlich gewachsen“, stellt Brigitte Maeder sarkastisch fest. 50 Kilogramm bringt er nun auf die Waage, ist mehr als einen halben Meter groß. Wenn er mit dem Schwanz gewedelt hat, warf er schon mal eines der Kindern um. Die Familie war überfordert, hat das Tier im Elmshorner Tierheim abgegeben. „Und der arme Hund weiß gar nicht, warum er hier ist“, erzählt die Vorsitzende des Tierschutzvereins Elmshorn und Umgebung, der Betreiber des Tierheims an der Justus-von-Liebig-Straße ist.
Quarantänebereich für ungeimpfte Tiere
Immer mehr Menschen kaufen Tiere, ohne genau darüber nachzudenken, ob sie in die Lebensplanung oder in die Lebensphilosophie passen. Viele dieser Spontan-Käufe landen im Elmshorner Tierheim. Die Pandemie habe diesen Trend verstärkt, sagt Maeder. Noch bewege sich diese Abgabewelle im üblichen Rahmen. Aber Maeder befürchtet, dass der große Ansturm erst noch kommt und das Tierheim an seine Grenzen stößt – platzmäßig und finanziell.
Finanziell besonders, da Hunde, die in Corona-Zeiten unüberlegt angeschafft und jetzt abgegeben werden, nicht von einem Tierheim oder einem seriösen Züchter stammen. Oftmals sind sie nicht geimpft oder krank, sie zu kurieren und die Impfungen nachzuholen koste viel Geld. „Wir mussten jetzt im Außenbereich auch einen Quarantänebereich für ungeimpfte Tiere einrichten, damit sie die Gesunden nicht anstecken.“
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Online-Tierhandel ist nicht verboten
Der Online-Tierhandel und seine Folgen bereitet auch Beate Raudies Sorge. Die Elmshorner SPD-Landtagsabgeordnete besuchte auf ihrer Sommertour das Tierheim und ließ sich die aktuelle Situation vor Ort erklären. Während bei seriösen Züchtern oder in Tierheimen ein intensives Kennenlernen zwischen Tier und künftigem Besitzer, Bedenkzeit und Informationen zu dem Tier Voraussetzungen für die Abgabe sind, bedarf es im Netzt weniger Klicks und schon hat man das Tier. Skrupellose Banden produzieren meist in Osteuropa Welpen unter schlimmen Bedingungen, die aber auch auf abgelegenen Parkplätzen aus dem Kofferraum heraus verkauft werden.
Aber es ist der Online-Handel, der nach wie vor boomt. Er sei nach dem Handel mit Drogen das lukrativste Geschäft im Netz, meint Maeder. Gesund oder krank, geimpft oder nicht, schnell und ohne Nachfrage gehen die Tiere über den virtuellen Ladentisch. Ein Verbot dieses Handels gibt es nicht, ebenso wenig wie verbindliche Vorschriften. Wenn ein Besitzer überfordert ist, sei auch ein Wiederverkauf des Tieres üblich, weiß Maeder. Doch „wenn ein Hund dreimal, viermal, fünfmal über E-Bay Kleinanzeigen verkauft worden ist, ist es schwer, den nachher im Tierheim wieder so hinzukriegen, dass er ein netter, normaler Hund wird“.
Tiere bleiben durchschnittlich drei Monate im Tierheim
Der Kleintierbereich ist komplett voll, das Mutter-Kind-Katzenhaus ebenfalls. Im Vermittlungskatzenhaus ist noch Platz und im Hundehaus sind „noch drei Zimmer frei“. Einen Ansturm auf das Tierheim in den Sommermonaten erwartet Maeder nicht. Angebundene Hunde an Autobahnraststellen, abgestellte Kleintiere in Transportkisten oder ausgesetzte Katzen während der Urlaubszeit seien „seit Ewigkeiten kein Thema mehr“. Die Sommerzeit sei zwar eine Hochsaison für die Tierheime, aber „es werden einfach mehr Tiere gefunden, da mehr Menschen im Freien unterwegs sind als in den Wintermonaten“, mutmaßt die Elmshornerin.
Die Gesamtkosten des Heims belaufen sich auf 450.000 Euro. Ein Drittel der Kosten wird von den Ordnungsbehörden erstattet. Ein weiteres Drittel kommt an Spenden zusammen, das letzte Drittel durch die Vermittlungsgebühren, Futter- und Sachspenden. In der Regel nehmen Tierheime am häufigsten Fundtiere auf. Ihre Unterbringung gehört zu den kommunalen Pflichtaufgaben, denn sie zählen rechtlich zu den „Fundsachen“.
In Schleswig-Holstein zahlen die Ordnungsämter der Kommunen für jedes Fundtier einen Satz für Unterhaltungskosten, Futter oder tierärztliche Behandlung. Aber nur 28 Tage lang. Durchschnittlich bleiben Fundtiere etwa drei Monate im Elmshorner Tierheim. Problematisch sei aber auch die Unterbringung der etwas mehr als zehn Hunde, die wegen ihrer Rasse, Wüchsigkeit oder Verhaltensauffälligkeiten nicht vermittelbar sind. „Das finanzieren wir aus Spenden, daher wäre eine längere Zahlung für Fundtiere optimal“, so Maeder, die seit 1998 für das Heim tätig ist.
SPD fordert höhere Bezuschussung der Tierheime
Bereits vor Corona ist dieses Problem im Landtag angekommen. Die SPD hatte eine höhere Bezuschussung der Tierheime eingefordert. Das Problem sei, so Raudies, dass das Land diese Bezuschussung zwar regeln könne, bezahlen müssten das aber die Kommunen. Eine Arbeitsgruppe sei bereits vor drei Jahren gebildet worden, um die Fundtierverordnung neu zu fassen.
Zu einem Ergebnis sei es noch nicht gekommen, daher gelte es, „in Kiel nachzufragen“, so die Politikerin. Auch der Antrag ihrer Fraktion, den anonymen Online-Tierhandel stärker zu kontrollieren, den anonymen Verkauf von Tieren im Netz sogar zu verbieten, wurde im Dezember 2018 vom Landtag zur weiteren Beratungen an den Umwelt- und Agrarausschuss überwiesen, Und auch da „ist leider immer noch nichts entschieden“.