Wedel. Alte Yachten gammeln in Hamburg oder Wedel vor sich hin. Sie fachgerecht zu entsorgen, ist teuer – und entsprechend unpopulär.
Vergammelnde Yachten an Land sind kein schöner Anblick. Dennoch sieht man sie überall an der Küste – auch in Wedel. Grund dafür ist eine Gesetzeslücke, die den Betreibern von Häfen und Vereinen das Leben schwer macht. Das Problem sind die ungeklärten Eigentumsverhältnisse, wenn ein Boot sich selbst überlassen wird.
Manche Eigentümer seien plötzlich nicht mehr erreichbar, sagt Ulf Hansen, Geschäftsführer des Hamburger Yachthafens. Das kennt man auch beim Segelverein Wedel-Schulau (SVWS). Aber man könne ja nicht einfach ein Boot verschrotten, wenn sich dann ein Jahr später der Eigner melde, heißt es dort.
Yachten an Land: Segelverein beauftragt Rechtsanwalt
Offenbar helfen nur eigene Regeln. Bei der Wegener Yachtwerft versucht man mit einer übersichtlichen Struktur den sogenannten Leichen vorzubeugen, erklärt Inhaber Karsten Fligg. Der Yachthafen wiederum stellt Boote nur an Land, wenn auch Arbeiten an den Schiffen anstehen. Es gebe immer ein paar Fälle, bei denen diskutiert werde, sagt Hansen.
Der SVWS hat einen Rechtsanwalt beauftragt und ein Verfahren entwickelt. Ist ein Besitzer verschwunden, wird an seinem Boot ein Schild angebracht, sich zu melden. „Wir müssen den Eigner über alle Medien suchen“, erklären die Vereinsleute. Wenn die Ausschreibung erfolglos bleibt, kann das Boot verschrottet werden.
Schrottboote sind ein europaweites Problem
Dieser Weg kostet Zeit und Geld. Geld, das die Vereine eigentlich für den laufenden Betrieb benötigen. Es brauche Fristen und Mahnungen, bestätigt auch Hansen. Und es gebe ein Problem der Zuständigkeiten. Ein europaweites Phänomen, wie jemand vom SVWS verdeutlicht: „Egal, in welchen Hafen Sie fahren, irgendwo werden Sie die Schrottboote finden.“
In den meisten Fällen seien die Besitzer sogar beim Verein bekannt, sagt er. Und in der Regel würden auch die Liegegebühren bezahlt, zumindest anteilig. Aber das Boot wird nicht mehr gepflegt. Irgendwann faulen auch die Holzträger, und die Yacht droht umzukippen. Verkaufen oder verschrotten wollen dennoch die Wenigsten. „Keiner kommt auf die Vereine zu, wir müssen immer nachbohren.“
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Bei fast 1000 Euro Standgebühr im Jahr inklusive Versicherungen und Mitgliedsbeiträgen eine teure Entscheidung. Die Hintergründe von liegen gebliebenen Schiffen können sehr unterschiedlich sein. Beim SVWS heißt es: Manchmal sind die Eigner zu alt. Oder sie sind verstorben und es gibt keine Erben. Andere Boote werden bereits schrottreif gekauft, die Reparatur gerät ins Stocken.
Boote stehen bis zur Hälfte voll mit Wasser
„Die Eigentümer müssten eigentlich nur rechnen können“, heißt es weiter. Manche Boote stünden drei oder vier Jahre herum, da sei es billiger, direkt zu verschrotten. Aber viele wollen ihr Schiff noch nicht aufgeben, andere scheuen die einmalig hohen Kosten der Entsorgung. Die Technik und das Material an Bord altern dann Stück für Stück. Bis zu einem Punkt, wo der Verfall kaum noch aufzuhalten ist.
Werden zum Beispiel für längere Zeit die Abdeckplanen nicht kontrolliert, dann regnet es irgendwann in die Yacht hinein – manchmal über Jahre. Einige solcher Boote stünden bis zur Hälfte voll mit Wasser, heißt es beim Segelverein. Und das bei vollem Inventar, also mit einem halben Hausstand im Schiffsbauch, dem Interieur, den giftigen Treibstoffen.
Entsorgung herrenloser Boote muss der Verein selbst tragen
So etwas mache die Yachten auch unattraktiv für Schrotthändler. Zu viel Müll, der bei der Entkernung der Schiffe anfällt. Hinzu komme: Das Schiff muss bei der Verschrottung in seine Einzelteile geschnitten werden. Und das kann nicht auf dem Vereinsgelände passieren, sondern wegen der austretenden, umweltschädlichen Stoffe nur auf einem Schrotthof.
„Da muss man erst mal einen Abfallbetrieb finden, der das entsorgt“, heißt es beim SVWS. Außerdem muss das Boot zum Entsorger transportiert werden. Aufgrund der Größe vieler Yachten ginge das nur per Schwertransport oder mit Begleitfahrzeugen, so die Experten. Dabei ist zu bedenken: Die Entsorgung herrenloser Boote muss der Verein selbst tragen.
Ein Boot für einen Euro ist nicht wirklich ein Schnäppchen
Ein weiterer Aspekt: Seit Beginn der Corona-Pandemie ist bei vielen Menschen der Wunsch nach dem eigenen Schiff aufgekommen. Doch neue Segelyachten sind teuer, also schlugen viele bei vermeintlichen Schnäppchen zu. „Corona hat den Gebrauchtmarkt leer gefischt“, bestätigt Karsten Fligg von der Wedeler Yachtwerft, „einige haben da viel Schrott für viel Geld gekauft.“ Diese Schiffe landen nun auf Stellplätzen – in Einzelfällen werden sie sogar nachts in einen Hafen gefahren und zurückgelassen.
Auch beim Segelverein ist das bekannt: Wer sich ein Schiff für einen Euro kaufe, der denkt vielleicht im ersten Moment, er habe viel gespart. Aber dann würden die vielen Mängel sichtbar, der Aufwand der Reparaturen – und natürlich die Kosten. Die Verschrottung einer großen Plastikyacht kann schnell 10.000 Euro kosten, aber sie zu restaurieren verschlingt im Zweifel das Zehnfache. Häufig gehe den Bastelprojekten irgendwann die Luft aus, heißt es.
Die Wegener Yachtwerft bietet selbst Restaurationen an. „Die alten Schiffe haben mehr Charme“, meint Fligg. Dennoch stehe immer die Frage im Raum: Lohnt sich das noch? Ein neues Boot ist meist billiger als die Reparatur des alten. Dennoch, manchmal werde Geld in der Familie der Eigentümer gesammelt, um das Boot zu erhalten. Oder es gründen sich Eignergemeinschaften.
Hamburger Firma hat sich auf Recycling von Schiffen spezialisiert
Etwa einmal im Jahr wird in der Yachtwerft ein Boot abgewrackt. Zuerst muss das Schiff dabei entkernt werden, erklärt Fligg. Dann müssten alle Stoffe getrennt werden. Das sei bei Holzbooten noch verhältnismäßig leicht, bei Plastikbooten nicht. Die Verschalung muss zersägt und geschreddert werden. Und auch Holzboote sind Sondermüll, weiß man beim SVWS, wegen der Lackierung.
Sondermüll, der nicht nur Liegeplätze blockiert, sondern auch die Umwelt belastet. Gerade dann, wenn die Yachten nicht fachgerecht entsorgt werden. Deshalb gibt nun es erste Pilotprojekte.
Wie das Abendblatt berichtete, hat zum Beispiel der SVWS unlängst zwei Schrottyachten von der Hamburger Firma ReBoat entsorgen lassen – dem ersten Unternehmen, das sich auf das vollständige Recycling von Schiffen spezialisiert hat.