Moorrege. Seltener Blick ins Innere des ältesten Hauses Moorreges, das 1871 von einem US-Stararchitekten entworfen wurde.

Das große, schmiedeeiserne Tor steht offen. Hohe, dichtgewachsene Bäume säumen den langen Weg zum Haupteingang des Anwesens, das in einem ausgedehnten Park am Rande der Pinnauniederung liegt und von der Straße aus kaum einsehbar ist. Es ist ein seltener Anblick, denn der Park und das Gebäude, das mit seinen französischen Stilelementen einzigartig im norddeutschen Raum ist, befinden sich im Privatbesitz und sind für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Die Rede ist von Schloss Düneck in Moorrege, das jetzt zum Verkauf steht. Im Internet wird die Immobilie für vier Millionen Euro angeboten.

Schloss Düneck ist das älteste Gebäude Moorreges

Auch wenn das Schloss zurzeit leer steht: Einige Möbel aus den vergangene Jahrzehnten sind noch drin.
Auch wenn das Schloss zurzeit leer steht: Einige Möbel aus den vergangene Jahrzehnten sind noch drin. © Kitty Haug | KITTY HAUG

Nun hat die Moorreger CDU das Schloss nutzen dürfen, um den langjährige Bürgermeister Karl-Heinz Weinberg und seinen Stellvertreter Georg Plettenberg dort nachträglich zu verabschieden. Eine der äußerst seltenen Gelegenheiten, einen Blick ins Innere zu werfen. In die großen Räume mit ihren hohen Decken mit den reichhaltigen Stuck­ornamenten. In die Halle mit Rundbogendecke und Oberlicht aus Glas. In den Wintergarten. 19 Zimmer verteilen sich auf 860 Quadratmeter Wohnfläche.

Es handelt sich um Moorreges ältestes Gebäude, es liegt an der Klinkerstraße und ist zwar als Schloss Düneck bekannt. Aber es ist gar kein Schloss, denn laut traditioneller Definition war das Gebäude nie Sitz eines Adeligen oder eines Landesherrn. Es wurde vielmehr als Landhaus für den reichen Deutsch-Amerikaner Michael Lienau (1816–1893) entworfen, der es 1871 bauen ließ.

Der Architekt war dessen Bruder Detlef Lienau (1818–1887). Der Schüler von Karl Friedrich Schinkel (Erbauer der Semperoper), der zu seinen Lebzeiten hauptsächlich in den USA tätig war, entwarf in New York entlang der Fifth Avenue Banken, Fabrikgebäude und Wohnsitze für namhafte Persönlichkeiten wie beispielsweise für die Astor-Familie. Er gilt als einer der bedeutendsten amerikanischen Architekten seiner Zeit.

Architekt orientierte sich am amerikanischen Landhausstil

Die zwei Hauptstockwerke verbindet eine imposante Holztreppe.
Die zwei Hauptstockwerke verbindet eine imposante Holztreppe. © Kitty Haug | KITTY HAUG

Bei dem achtachsigen Bau in Moorrege, der zwei Hauptstockwerke mitsamt hohem Souterrain umfasst und in gelbem und rotem Backstein gemauert wurde, orientierte sich der Architekt unter anderem am amerikanischen Landhausstil der damaligen Zeit, ließ aber auch Stilelemente verschiedener Stilepochen und Länder einfließen. Das Schieferdach wird von Gauben mit weißen Ziergiebeln aufgelockert.

Die Südostseite mit dem Wintergarten ist schlichter gehalten als die Eingangsseite im Nordwesten. Dort rahmen zwei Seitenflügel den repräsentativen Eingang ein. Nach innen schließt sich eine durchgehende Halle an. Die Seitenräume des ersten Stockwerks sind von einer Galerie aus zu erreichen. Das Ensemble wird durch ein großes, kunstvoll eingefasstes Oberlichtfenster beleuchtet.

Bauherr machte ein Vermögen mit Wein- und Textilhandel

Michael Lienau konnte sich den Bau problemlos leisten. Denn zu Vermögen kam die aus Uetersen stammende Familie Lienau durch den Import französischer Weine nach Übernahme des väterlichen Weinhandels. Beide Brüder wanderten Mitte des 19. Jahrhunderts nach Amerika aus. Michael Lienau ließ sich in New York nieder und brachte es mit seiner 1841 dort gegründeten Firma Diedrichs und Lienau sowie im Textilhandel zu einem beträchtlichen Vermögen.

Zudem war er mit der Leitung mehrerer New Yorker Brandversicherungsanstalten betraut und Präsident der First National Bank Of Jersey City. Mit seiner zweiten Ehefrau, der Amerikanerin Sarah Francis Van Vorst aus einer der wohlhabendsten Familien in New Jersey, kehrte Lienau nach Deutschland zurück.

Düneck wurde an Uetersener Reeder verkauft

Wilde Ranken unter der Stuckrosette: Dieser sehr blumige Kronleuchter gehört zu den größeren seiner Art.
Wilde Ranken unter der Stuckrosette: Dieser sehr blumige Kronleuchter gehört zu den größeren seiner Art. © Kitty Haug | KITTY HAUG

Sein Bruder Detlef studierte an der Königlichen Baugewerkschule in München. 1847 erhielt er für seinen am Neo-Klassizismus orientierten Entwurf des Altonaer Krankenhauses den ersten Preis, dessen Bau jedoch erst vom 1859 bis 1861 ausgeführt und von dem Architekten Winkler mit einer Klinkerverkleidung umgestaltet wurde. Nach einem Aufenthalt in Paris folgte er seinem Bruder 1848 nach New York und wurde rasch erfolgreich.

Zu seinem bekanntestes Bauwerk in den USA zählt die Villa für den Eisenbahnunternehmer LeGrand Lockwood in South Norwalk (Connecticut), in der Außengestaltung am französischen Renaissance-Stil orientiert, im Innern überbordend luxuriös.

Das könnte Sie auch interessieren:

Nach dem Tode Michael Lienaus 1893 verkaufte die Familie das Anwesen an den aus Uetersen stammenden Ziegeleibesitzer und Reeder Kapitän Johann Peter Baas. Der verpachtete Düneck an den Sanatoriums- und Wasserarzt Dr. August Friedrich Erfurth, der das Haus als Heilanstalt für alkoholgefährdete Mädchen aus wohlhabenden Häusern nutzte. 1905 überließ Baas Schloss Düneck seiner Tochter Emma Margarethe und seinem Schwiegersohn Eduard Schwab, der Düneck in eine Nervenheilanstalt verwandelte. Doch sie musste 1908 geschlossen werden, nachdem sich Suizidfälle ereignet hatten.

Gebäude und Park stehen unter Denkmalschutz

Während des Ersten Weltkrieges fungierte das Schloss als Töchterlandheim, bis Anfang der 1920er-Jahre die Kieler Landesbank das Anwesen bei einer Zwangsversteigerung erwarb. Im Jahr 1938 kauften die Nordmark-Werke Düneck als Wohnsitz für ihre Direktoren Julius Wolf und Alfred Voß. Bis 1980 wohnte die Witwe von Alfred Voß auf dem Gelände.

Im selben Jahr wurde von den Nordmark-Werken ein Antrag auf Abbruch des Schlosses gestellt. Doch da Haupt- und Nebengebäude sowie der Park mit der Orangerie 1981 unter Denkmalschutz gestellt worden waren, wurde diesem Antrag widersprochen. Nach mehrjährigen Verhandlungen übernahm der Barmstedter Speditionskaufmann Hans-Werner Rathjens, das Objekt. Er restaurierte Gebäude und Parkanlage aufwendig und richtete mehrere Eigentumswohnungen ein.

Heute gehört Düneck einem Geschäftsmann aus Frankfurt. Um in der Nähe seiner Auserwählten zu sein, hatte er es erworben. „Doch die Liebe hat sich verflüchtigt“, sagt Moorreges Bürgermeister Wolfgang Balasus (CDU).
Zurzeit ist das Haus unbewohnt.

Schloss Düneck fand auch in der Literatur Erwähnung

Wurde früher zum Heizen gebraucht, wirkt heute vor allem stilvoll: ein Kamin in fast jedem Zimmer.
Wurde früher zum Heizen gebraucht, wirkt heute vor allem stilvoll: ein Kamin in fast jedem Zimmer. © Kitty Haug | KITTY HAUG

Um Liebe, die alles verzehrende, unerfüllte Liebe, ging es bereits Anfang des 20. Jahrhunderts, als im Roman „Silkes Liebe“ das Schloss zum Schauplatz einer tragischen Geschichte wird. Der Schriftsteller und Staatsanwalt Carl Bulke (1875–1936) lebte in Uetersen und war ein gern gesehener Gast bei den Damen der höheren Gesellschaft der Stadt. Durch deren Erzählungen über die menschlichen Tragödien und den Selbstmord von Meta Kahlke auf Schloss Düneck wurde er zu seinem Roman inspiriert, der 1901 erschien.

Meta war Dienstmädchen auf dem Schloss und verliebte sich in Fritz Norrenberg, einen Taugenichts und Tagedieb, der bei dem Schlossherren Unterschlupf fand. Er schwängerte die damals 16-Jährige wenig später. Schlossherr Lienau wies ihn daraufhin an, das Haus zu verlassen. Offensichtlich in seiner Ehre getroffen und wohl auch, weil er stark verschuldet war, erschoss sich der damals 27-Jährige. Völlig verzweifelt ob des Todes ihres Geliebten, ertränkte sich Meta dann in der Pinnau.

Auch die Hamburger Produktionsfirma Die Wüste Film GmbH zog das Schloss mit seinem malerischen Eindruck in Bann. Bis Mitte August werden hier Teile der internationalen Spielfilmproduktion „Alma und Oskar“ gedreht. Der Film erzählt die Geschichte der leidenschaftlichen wie existenzbedrohenden Liebe zwischen Alma Mahler (Emily Cox), der Witwe des weltberühmten Komponisten Gustav Mahler und dem jungen Künstler Oskar Kokoschka (Valentin Postlmayr). Der Film kommt 2022 in die deutschsprachigen Kinos.