Henstedt-Ulzburg. Jörg Rother locht als einziger Akteur aus Schleswig-Holstein im Oberhaus Bälle ein – und verrät einige seiner Erfolgsgeheimnisse.
Jörg Rother aus Henstedt-Ulzburg ist der einzige Billard-Bundesligaspieler der Region – nicht nur im Kreis Segeberg, sondern in ganz Schleswig-Holstein. Er gehört zum Pool-Billard-Erstliga-Team des BC Queue in Hamburg-Tonndorf. Hier residiert eine Crew, die nach dem Abstieg im Vorjahr wieder die Rückkehr ins Oberhaus bewerkstelligt hat und nach den ersten vier Saisonpartien durchaus Chancen auf den Klassenerhalt unter acht Mannschaften besitzt.
Es gibt Tage, da spürt er dieses Kribbeln im Bauch. Dann begibt sich der 58-Jährige in die Kellerräume seines Büros. Er schreitet um einen etwas in die Jahre gekommenen grünen Tisch herum, sortiert mehrere verschiedenfarbige Kugeln auf dem Tuch der Spielfläche. So sieht individuelles Training in der Freizeit aus: Rother begeistert sich für eine Sportart, deren Bekanntheitsgrad nicht gerade übermäßig ausgeprägt ist – und doch so faszinierend sein kann.
Pool-Billard: Es braucht volle Konzentrationsfähigkeit und geistige Fitness
In einem Punkt sind sich Jörg Rother und seine Mannschaftskollegen Benjamin Baier, Geronimo Hornung, Mario Stahl sowie die ebenfalls zum Kader zählende mehrfache Deutsche Meisterin Vivien Schade aus Reinbek komplett einig: „Billard ist ein Leistungssport, der volle Konzentrationsfähigkeit, aber auch geistige Fitness erfordert“, sagen sie.
„Manchmal bewegt man sich am Tisch wie in einem Tunnel“, behauptet Rother. In einem mehrstündigen Match marschiert er schon mal 14 Kilometer, ehe er das Queue mit Schweißperlen auf der Stirn wieder aus der Hand legt. „Hinterher braucht man erst einmal eine etwa zweitätige Pause, um zu regenerieren“, beschreibt der selbständige Personaldienstleistungs-Unternehmer die körperlichen Belastungen.
„Schön ruhig bleiben, auch wenn der Arm nicht mehr mitspielt“
Wie aber reagiert man aber eigentlich, wenn es mal nicht so läuft? „Immer schön ruhig bleiben, auch wenn der Arm nicht mehr mitspielt oder verkrampft. Ausgeglichenheit und Wohlfühlmomente entschädigen mich nach einem Wettkampf meist für die Anstrengungen“, so der stellvertretende Vorsitzende des BC Queue.
Der Henstedt-Ulzburger leitet zusammen mit Vereinschef Oliver Oswald die Geschicke des größten Hamburger Bundesligaclubs. Unter den 115 aktiven Mitgliedern (15 Jugendliche) gibt es nicht wenige, die Ehrgeiz und Ambitionen am grünen Tisch nicht selten übertreiben. Oliver Oswald hat es schon oft beobachtet: „Mit der Einstellung, den Gegnern es mal richtig zu zeigen, wie ein perfekter Stoß aussieht, wird es nichts“, so der 61 Jahre alte Club-Boss aus Quickborn-Heide. Er warnt Übereifrige: „Willst du sofort einlochen, oder willst du gewinnen?“
Auf die taktischen und strategischen Fertigkeiten kommt es an
Auf taktische und strategische Fertigkeiten kommt es also an beim Billard. Diese Erfahrung hat Jörg Rother längst gemacht, in den mehr als 40 Jahren, in denen er den in den offiziellen Spielregeln Bälle genannten Kugeln den richtigen Drall verleiht. Begonnen hatte es für ihn mit 14 Jahren. Damals hielt sich der heutige Billard-Senior mit seinem Vater in einer Gaststätte an der Steilshooper Straße auf. Dort stand ein Tisch, in den man zu Beginn der 1880er-Jahre noch eine D-Mark schmeißen musste, um loszuspielen zu können.
Vater Rainer meinte spontan: „Versuch’s doch einfach mal, mein Junge.“ Von diesem Moment an war es geschehen um seinen Sprössling, der Feuer gefangen hatte. Im Alter von 20 Jahren trat der Henstedt-Ulzburger leistungsorientiert in höheren Klassen an, ehe ihm mit etwa 24 Zweifel kamen, ob er mit dem Billardspielen auch sein Leben würde gestalten können.
2019 landet Jörg Rother beim BC Queue in Hamburg-Tonndorf
Jörg Rother wählte den anderen Weg, widmete sich der Berufsausbildung. „Doch so ganz konnte ich vom Billard nicht lassen“, sagt er heute. 2019 landete er schließlich beim BC Queue, wo er im Topteam in höheren Klassen zum Leistungsträger wurde. Zuvor war Rother schon in anderen Sportarten durchgestartet; der 58-Jährige („Billard ist zu 70 Prozent reine Kopfsache“) begann mit Kraft- und Konditionstraining, nahm vor elf Jahren an größeren Triathlon-Events teil, entdeckte auf dem 5895 Meter hohen Kilimandscharo sogar sein Faible für das Bergsteigen .
Mit Ende 20 wandte sich Rother dem Golf zu, zehn Jahre lang war er Mitglied im GC Gut Kaden in Alveslohe. „Es gibt beim Golf Parallelen zum Billard. Des Gefühl für die Geschwindigkeit des Balles ist gut vergleichbar.“
Pool-Billard: Gleichzeitig Einzel- und Mannschaftssport
Der Mann mit der ruhigen Hand charakterisiert Billard so: „Man kämpft mit und gegen sich selbst, ist gleichzeitig aber auch Mannschaftssportler.“ Die Pool-Billard-Variante, die der Henstedt-Ulzburger beim BC Queue ausübt, erfolgt mit einer weißen und 15 nummerierten farbigen Kugeln. Am Tisch sind an der Seite sechs Taschen angebracht, in die die jeweiligen Bälle zu stoßen sind.
Insgesamt gibt es in der Bundesliga vier Varianten des Pool-Billards: 8-Ball, 9-Ball, 10-Ball und 14/1. Pro Spieltag kommen alle vier Kategorien jeweils zweimal pro Spieler zur Austragung. Um zum Beispiel beim 8-Ball ein Match zu gewinnen, muss ein Akteur seine sieben Kugeln mit den Nummern 1 bis 7 bzw. 9 bis 15 und zuletzt die schwarze Nummer acht mit Ansage einlochen. Ein Neun-Fuß-Tisch ist normalerweise 3,05 Meter lang und 1,52 Meter breit.
Mehr aus der Region
- Logistik-Immobilie in Norderstedt: Rätsel um „größte Einzelvermietung im Großraum Hamburg“
- Millionen-Deal für insolventes Altenheim in Norderstedt: Hamburger Investor kauft Immobilie
- Brennpunkt-Bahnhöfe in Norderstedt: Stadt startet dauerhafte Videoüberwachung
Außer Pool-Billard gibt es unter noch Karambolage-Billard sowie Snooker und das so genannte Englische Billard. Insgesamt wird in Deutschland in etwa 800 Vereinen mit rund 26.000 aktiven Mitgliedern gespielt. Eine hohe Zahl davon sind kaum erfasste Freizeitakteure in Kneipen und Bowling-Centern – auch im Kreis Segeberg.
Über den Ursprung des Billard ist wenig bekannt. 1429 wurde es in Frankreich erstmals erwähnt. Das moderne Spiel entstand im 19. Jahrhundert, nachdem Tische und Queues weiterentwickelt worden waren. Die zunehmende Bedeutung des Pool-Billards zeigt sich darin, dass die englische Firma Matchroom eine weltweite Turnierserie für Profis ins Leben gerufen hat, die sich World-Nineball-Tour nennt.