Nützen. Verwaltungschef in Auenland Südholstein: „Bis Oberkante Unterlippe voll, bekommen aber wöchentlich neue Zuweisungen.“ Was er fordert.
Das Amt Auenland Südholstein im Kreis Segeberg hat immer größere Schwierigkeiten, Geflüchtete unterzubringen. Deshalb haben der Amtsdirektor Torsten Ridder sowie die Bürgermeister der sechs Amtsgemeinden einen Brandbrief an Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) und Jan Peter Schröder, Landrat des Kreises Segeberg, verfasst. Die Unterzeichner beklagen die Lage und fordern konkrete Lösungen ein. Das Amt plant aber auch eigene Maßnahmen – und Torsten Ridder richtet einen Appell an die Bevölkerung.
„Wir sind bis Oberkante Unterlippe voll, aber wir bekommen wöchentlich neue Zuweisungen“, sagt Torsten Ridder im Gespräch mit dem Abendblatt. Aktuell, so sagt er, leben rund 220 Geflüchtete im Amtsgebiet nördlich und östlich von Kaltenkirchen, zu dem die Gemeinden Alveslohe, Hartenholm, Hasenmoor, Lentföhrden, Nützen und Schmalfeld gehören. „Wir betreiben drei Unterkünfte selbst, in Alveslohe, Nützen und Schmalfeld. Dazu haben wir 42 Objekte angemietet“, so der Amtsdirektor.
Geflüchtete: Amt Auenland Südholstein meldet Überlastung
Wie viele Menschen wöchentlich dazukommen, kann er nicht genau sagen. „Mal ist es eine Person, mal zwei oder drei, mal eine ganze Familie.“ Der größte Teil der Neuankömmlinge seien „alleinstehende Männer.“ Für Januar seien bereits weitere Zuweisungen angekündigt. Doch sein Amt habe immer größere Probleme, alle Personen unterzubringen. Nicht einfach sei es beispielsweise manchmal, etwas für Frauen mit Kindern zu finden. Diese könne man nicht einfach in eine Unterkunft schicken, in der fast nur Männer leben.
Neue Objekte zu finden, ist wiederum ebenfalls fast nicht möglich. „Wir haben keinen Wohnraum im Amtsgebiet“, sagt Torsten Ridder. Das führe dazu, dass Geflüchtete oft viel länger in den Unterkünften bleiben, als sie eigentlich sollen und möchten. „Es sind eigentlich nur etwa 60 Personen, die die Plätze in den Unterkünften rein rechtlich belegen dürfen. Aber die anderen, die sich eigentlich schon auf die Suche nach einer eigenen Wohnung machen können, weil sie zum Beispiel einen Aufenthaltstitel haben, finden einfach nichts und bleiben dort. Und wir können sie ja auch nicht einfach vor die Tür setzen, dann werden sie obdachlos.“
Forderung: „Leute ohne Bleibeperspektive nicht mehr durchleiten“
Diese Probleme hat Ridder in dem Schreiben an die Sozialministerin und den Landrat geschildert, dessen genauen Inhalt er nicht öffentlich wiedergeben möchte. Aber er spricht selbst von einem „Brandbrief“. Eine Antwort aus Kiel habe man noch nicht erhalten, aus Bad Segeberg auch nicht. Aber von dort sei eine baldige Antwort in Aussicht gestellt worden.
In dem Schreiben gibt es auch konkrete Forderungen, vor allem an die Landesregierung. „Der Kreis Segeberg ist der einzige Kreis, in dem es mit Boostedt und dem Levo-Park in Bad Segeberg zwei Landesunterkünfte für die Erstaufnahmen gibt. Wir meinen, dass das bei den Zuweisungen an die Kreise berücksichtigt werden sollte“, so Ridder. In der Konsequenz würde das bedeuten, dass die Amtsgemeinden und Städte im Kreis Segeberg weniger Menschen aufnehmen müssten. Eine weitere Forderung: „Leute ohne Bleibeperspektive sollten nicht mehr in die Städte und Gemeinden durchgeleitet werden“, sagt Torsten Ridder.
Ehrenamtliche „brechen weg“, sagt der Amtsdirektor
Einige Dinge will man im Amt Auenland Südholstein auch selbst in die Hand nehmen. Es gibt konkrete Planungen für den Bau einer neuen Unterkunft. „Wir werden selbst etwas machen müssen, vermutlich in Festbauweise“, sagt der Amtsdirektor. Einen Standort habe man auch schon im Auge, aber man sei noch „in der Vorplanungsphase“.
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Appell an die Bevölkerung: Helfende Hände willkommen!
Was das Problem zusätzlich verschärft: Im Amt gibt es immer weniger Ehrenamtliche, die bei der Integration der Geflüchteten helfen. „2015/16 hatten wir wesentlich mehr Leute. Die brechen jetzt leider weg.“ Das habe nicht selten mit dem Alter der Helfer zu tun, die oft 70 und älter seien. Das Amt hat deshalb schon vor längerer Zeit mit Mohamed Hussein einen hauptamtlichen Flüchtlingsbegleiter eingestellt. Die Arbeit des 57 Jahre alten, gebürtigen Ägypters lobt Ridder sehr: „Der macht das mit wirklich sehr viel Engagement und Herzblut, kümmert sich darum, dass die Kinder zur Schule gehen können, hilft den Erwachsenen, Deutschkurse und Jobs zu bekommen.“
Dennoch sei die Arbeit der Ehrenamtlichen unverzichtbar für die Integration der Geflüchteten. „Helfende Hände sind mehr als willkommen“, sagt Torsten Ridder. Wer etwas tun möchte, zum Beispiel Flüchtlingen Deutschunterricht geben oder sie auf andere Art unterstützen will, meldet sich einfach beim Sozialamt in Nützen unter Telefon 04191/5009-0.