Norderstedt. Weil die Stromzähler vertauscht wurden, beglich Norderstedter jeden Monat die falsche Rechnung. Wie der Fehler aufgeflogen ist.
- Kevin von Biedersee aus Norderstedt zahlte jahrelang die Stromrechnung seines Nachbarn.
- Der Grund: Die Stromzähler wurden versehentlich vertauscht.
- Adlershorst und Stadtwerke Norderstedt weisen sich gegenseitig die Schuld zu.
Man kennt das Gefühl beim Blick auf die Stromrechnung: Wieso ist die so hoch? Haben die meinen Stromzähler vertauscht? Ein Fall in Norderstedt zeigt, dass dies gar nicht so abwegig ist. Kevin von Biedersee (31), Angestellter im Vertrieb eines Medizintechnikunternehmens, hat mehr als drei Jahre lang die Stromrechnung seines Nachbarn beglichen – und der Nachbar entsprechend die von ihm. Von Biedersee lebt allein, der Nachbar mit seiner Frau zusammen. Der Single hat also deutlich mehr an den Stromversorger, die Stadtwerke Norderstedt, überwiesen, als er musste.
„Ich habe mich über die vergangenen dreieinhalb Jahre immer gewundert, warum meine Abschlagszahlung so hoch ist“, sagt von Biedersee. „Aber erst, als die Stadtwerke diese erneut wegen meines angeblich gestiegenen Verbrauchs erhöhen wollten, habe ich mich geweigert, das zu bezahlen.“ Die Lage eskalierte. Die Stadtwerke drohten die Abschaltung des Stroms an, von Biedersee ließ es entnervt darauf ankommen. „Als im Oktober dann der Strom abgeschaltet wurde, ging nicht bei mir das Licht aus, sondern beim Nachbarn.“
Stromzähler vertauscht: Norderstedter zahlte Rechnung des Nachbarn
Nun war klar, wo der Fehler lag. Der 31-Jährige war in den Neubau an der Horst-Embacher-Allee in Garstedt Mitte 2021 eingezogen. „Vor mir wohnte ein Pärchen in der Wohnung. Ich bin überzeugt, dass die auch schon die Stromrechnung ihres Nachbarn beglichen haben. Aber da beide Parteien Pärchen waren, fiel das keinem auf“, sagt von Biedersee.
Der Norderstedter wollte nun sein Geld zurück. Er wendete sich an die Stadtwerke und an die Baugenossenschaft Adlershorst, die das Haus verwaltet. „Ich stand vor einer Wand aus Schweigen und Schuldzuweisungen: Die Stadtwerke Norderstedt geben an, dass die Verantwortung bei Adlershorst liegt. Adlershorst hingegen verweist auf die Stadtwerke und hat mir gegenüber keine klaren Aussagen gemacht.“
„Fühle mich alleingelassen und überfordert“
Mehrfach habe er weiter versucht, den Fall mit beiden Parteien zu klären. „Doch es passierte nichts. Ich fühle mich alleingelassen und überfordert. Es geht um eine erhebliche Summe Geld, zwischen 1000 und 1500 Euro, die ich als Mieter ohne eigenes Verschulden verloren habe, und um den Umgang mit einem klaren Fehler, für den niemand die Verantwortung übernehmen möchte“, sagt von Biedersee.
Lesen Sie auch
Stadtwerke-Sprecher Oliver Weiß äußert gegenüber dem Abendblatt sinngemäß, dass die Stadtwerke in dieser Sache nichts falsch gemacht hätten. Denn es habe ja kein Abrechnungsfehler vorgelegen, die Stromrechnungen wurden regelmäßig bezahlt und somit konnte der vertauschte Zähler nicht auffallen.
Stadtwerke Norderstedt: Stromrechnungen waren ja korrekt
Aus Sicht der Stadtwerke habe offenbar ein vom Hausbesitzer engagierter Elektroinstallateur schlicht die falschen Aufkleber mit den Zuordnungen der Haushalte auf die Zähler geklebt. Insofern liege die Verantwortung für die Verwechslung nicht bei den Stadtwerken. „Aber unser Service-Center ist im Austausch mit den betroffenen Kunden und wir sind zuversichtlich, dass wir das ohne Anwälte und mit Kulanz regeln können“, sagt Weiß. Adlershorst äußerst sich öffentlich nicht zu „kundenspezifischen“ Fragen, wie Prokuristin Kim Münster mitteilt. „Wir können Ihnen jedoch versichern, dass wir unsere Kunden unterstützen.“
Doch Kevin von Biedersee hat auch neun Wochen nach der Abschaltung des Stroms noch immer nicht sein Geld zurück. Zwar zahlt er jetzt deutlich reduzierte Abschläge, und die Zähler in seinem Haus sind endlich richtig zugeordnet. Aber die Klärung der Stromzähler-Verwechslung steht aus. Von Biedersee hat die Sache mittlerweile seiner Anwältin Sonja Richter aus Norderstedt übergeben.
Anwältin: „Die wollen sich da komplett rausziehen!“
Und die hat nach eigenen Aussagen die Stadtwerke aufgefordert, die Rechnungen ihres Mandanten und die des Nachbarn entsprechend rückwirkend zu ändern. Doch die Stadtwerke hätten das ihr gegenüber verneint und argumentiert, dass sie keine Rechnung korrigieren werden, weil es keine fehlerhaften Rechnungen gegeben habe. „Die wollen sich da komplett rausziehen“, sagt Richter.
Adlershorst hingegen habe ihr gegenüber bekundet, man brauche die genauen Gegenüberstellungen der Verbräuche aus beiden Haushalten seit Sommer 2021, ehe man über das weitere Vorgehen beschließe. „Doch die Zählerstände wollen die Stadtwerke mit Verweis auf Datenschutz nicht herausgeben“, sagt Richter. Sie habe die Werte ihres Mandanten aber nur für die letzten drei vollen Jahre, nicht aber für das halbe erste Jahr 2021.
Stromzähler vertauscht: „Warum ist das so kompliziert?“
„Ich verstehe nicht, warum das alles so kompliziert wird. Es liegt doch ein simpler Zuordnungsfehler vor. Kevin von Biedersee muss das zu viel bezahlte Geld zurückbekommen und der Nachbar muss eine Nachzahlung leisten. Für mich ist die Sache klar“, sagt Anwältin Richter. Wie soll das also nun enden? Müssen die beiden Nachbarn das am Ende untereinander regeln und einer dem anderen Geld zurückerstatten? Müssen die Kunden der Stadtwerke und von Adlershorst für einen Fehler aufkommen, den sie selbst nicht zu verantworten haben?
„Mein Problem ist, dass mir für 2021 die Verjährung zum Jahresende dazwischengrätscht. Und ich habe jetzt eigentlich keine Lust, Klage einzureichen, nur damit die Verjährungsfrist sich verlängert. Ich hoffe, dass wir das anders geklärt bekommen“, sagt Sonja Richter.