Norderstedt/Henstedt-Ulzburg/Kreis Segeberg . Kreis Segeberg macht streitbaren Senior zum ersten Lobbyisten für den Radverkehr. Und der demontiert gleich das wichtigste Rad-Projekt.

Der Kreis Segeberg hat mit Hans-Jürgen Maass einen neuen Radverkehrsbeauftragten. Und der 73-Jährige, der sich schon seit Studienzeiten für mehr Radverkehr und innovative Transportmittel einsetzt, ist durchaus streitbar. So lehnt der ehemalige Taxi-Unternehmer, der heute mit seiner Frau in Henstedt-Ulzburg lebt, die geplante Route des Radschnellweges von Hamburg über Norderstedt, Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen bis Bad-Barmstedt rigoros ab.

Vor allem die geplante Strecke dieses jetzt „Radroute+“ genannten Konzeptes entlang der Schleswig-Holstein-Straße sei „viel zu teuer, wegen des Autoverkehrs zu laut und unattraktiv und zu lang, weil sie einen unnötigen kilometerlangen Umweg darstellt im Vergleich zur vorhandenen Velo-Route entlang der AKN-Strecke“, sagt Maass. „Dabei gibt es schon heute einen recht guten Radweg an der Schleswig-Holstein-Straße. Aber den nutzt so gut wie keiner, weil er direkt an einer viel befahrenen Straße liegt.“

Fahrradverkehr: Radbeauftragter lehnt Radroute+ ab

Landrat Jan Peter Schröder (r.) hat Hans-Jürgen Maass bis Mai 2026 zum neuen Radverkehrsbeauftragten des Kreises Segeberg ernannt. Links die Amtsvorgängerin Zeruja Hohmeier, die diese Aufgabe aus beruflichen Gründen niedergelegt hat.
Landrat Jan Peter Schröder (r.) hat Hans-Jürgen Maass bis Mai 2026 zum neuen Radverkehrsbeauftragten des Kreises Segeberg ernannt. Links die Amtsvorgängerin Zeruja Hohmeier, die diese Aufgabe aus beruflichen Gründen niedergelegt hat. © Burkhard Fuchs | Florian Huber/Kreis Segeberg

Ohnehin sei der Fördertopf des Bundes leer, sagt Maass. Bundesweit standen 390 Millionen Euro für den Bau von jeweils vier Meter breiten Radschnellwegen zur Verfügung. Auf die Bevölkerungszahl umgerechnet wären das für Schleswig-Holstein etwa 14,5 Millionen Euro. „Und genau diese Summe hat jetzt Lübeck beantragt für seinen innerstädtischen Radschnellweg.“

Für alle anderen fünf geplanten Radschnellwege im Hamburger Umland, insbesondere die beiden jeweils etwa 35 bis 40 Kilometer langen Routen von Bad Bramstedt beziehungsweise Elmshorn nach Hamburg, sei damit kein Geld mehr da. Maass: „Eine Realisierung dieser Strecke ist somit völlig unrealistisch geworden.“

Radexperte Maass, der etwa 2500 Kilometer im Jahr auf seinem E-Bike zurücklegt, schlägt stattdessen eine alternative Route vor, die durchaus machbar und finanzierbar wäre. Und das wäre der Bau eines etwa 3,50 Meter breiten, zwei Kilometer langen und umzäunten Radweges von Ulzburg-Süd bis zum AKN-Bahnhof Meeschensee im Drei-Kommuneneck Norderstedt, Quickborn und Henstedt-Ulzburg, wo vor einigen Jahren ein großer und stark frequentierter Park-and-Ride-Platz geschaffen wurde.

Bestehende Radwege ausbauen, statt teure Radroute+

Dorthin verläuft bereits ein ebenso breiter Radweg, den die Stadt Norderstedt gerade vom Bahnhof Haslohfurth vergleichsweise kostengünstig errichtet habe, erklärt Maass. Für den neuen, an der Bahnlinie entlang laufenden 1,3 Kilometer langen Radweg habe die Stadt Norderstedt nur 950.000 Euro ausgegeben, sagt er. Hochgerechnet auf die Verlängerung bis Ulzburg-Süd wären das rund 1,5 Millionen Euro.

Zum Vergleich: Allein für den geplanten Radschnellweg an der Schleswig-Holstein-Straße wurden Kosten von rund elf Millionen Euro ermittelt. Das war vor drei, vier Jahren. „Mit der Baukostensteigerung wären das heute bestimmt 15 Millionen Euro“, glaubt Maass. Für eine unattraktive und viel längere Strecke am Rande der Stadt, die dann noch an der Oststraße die Landesstraße mit einem Tunnel unterqueren müsste, „bei dem man von der einen Seite wegen des ungeraden Verlaufs nicht die andere Seite sehen könnte“, mahnt Maass.

Auf der Velo-Route durch Norderstedt

Hans-Jürgen Maass zeigt die rote Ideallinie für die Radverbindung, wie er sie sich wünschen würden, neben der blauen Linie der „Radroute+“, wie sie die Planer vorschlagen.
Hans-Jürgen Maass zeigt die rote Ideallinie für die Radverbindung, wie er sie sich wünschen würden, neben der blauen Linie der „Radroute+“, wie sie die Planer vorschlagen. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Dabei sei die Velo-Route entlang der AKN-Strecke mitten durch Norderstedt weitgehend im Grünen und ohne Verkehrslärm schon heute gut ausgebaut – bis auf diesen Lückenschluss im Norden bis Ulzburg-Süd. „Wir hätten dann eine höchst attraktive durchgehende Radverbindung von Henstedt-Ulzburg bis Norderstedt“, sagt der Radverkehrsbeauftragte. Erst ganz im Süden  von Norderstedt müssten die Radfahrer nach der Durchquerung des Willy-Brandt-Parks und der neuen Fahrradstraße Hempberg an der Ohechaussee (B432) halten, erklärt er.

Die Fahrradenthusiasten könnten durchaus damit leben, wenn sie in Höhe des Rugenbarges an der Fußgängerampel die Ohechaussee überqueren müssten. Denn anschließend erreichten sie heute schon den sehr gut ausgebauten Wanderweg an der Tarpenbek in Hamburg-Langenhorn. Laut Maass bilde der eine der schönsten und mit 2000 Radfahrern am Tag meist befahrenen Velorouten in ganz Hamburg.

Radbeauftragter will das Land überzeugen

Für den neuen Radverkehrsbeauftragten des Kreises kommt es nun darauf an, vor allem das Land von dieser Alternative zur geplanten „Radroute+“ zu überzeugen. Da die Schleswig-Holstein-Straße eine Landesstraße ist, müsste das Land sowieso den Ausbau des dortigen Radweges finanzieren. Darum habe sich auch Norderstedt für diesen Streckenverlauf ausgesprochen, weil er die Stadt kein Geld kosten würde. Während Henstedt-Ulzburg die von Maass skizzierte Route entlang der Bahnstrecke favorisiere.

Aber wenn das Land mit dem Lückenschluss im Norden zwischen Ulzburg-Süd und Meeschensee 90 Prozent der Kosten im Vergleich zur Schleswig-Holstein-Straße sparen könnte, müsste dies auch die Entscheidungsträger in Kiel überzeugen, hofft Maass und kündigt an, sich vehement dafür einzusetzen. Der Kreis Segeberg hat erst wieder im Oktober bei einem Behördentreffen in Nützen deutlich gemacht, dass er sich nicht in der Verantwortung sieht, den Radschnellweg umzusetzen, weil die Streckenführung nicht entlang von Kreisstraßen verläuft.