Gönnebek. 170.000 rote Adventsblumen verkauft die Gärtnerei Fittschen aus dem Dorf im Kreis Segeberg in den ganzen Norden. Ein Besuch.
Wer in diesen Tagen die Gärtnerei von Thomas Fittschen betritt, sieht erst einmal rot – viel rot. Denn in den Gewächshäusern des Betriebs in Gönnebek, gelegen zwischen Neumünster und Bad Segeberg, blühen Tausende Weihnachtssterne. Es herrscht Hochbetrieb, Pflanzen werden auf Plastikträgern und in Folien verpackt, bereit gemacht für den Transport nach Hamburg und in den ganzen Norden. „Gut 170.000 Exemplare“ der zur Weihnachtszeit so beliebten Blumenart produziert der Betrieb von Thomas Fittschen diese Saison. Damit darf er in Sachen Weihnachtssterne als Großversorger gelten.
„Wir haben hier zwei Hektar Anbaufläche unter Glas und noch einmal die gleiche Fläche Freiland“, sagt der 46 Jahre alte Gärtnermeister, der zehn Angestellte beschäftigt. Die Weihnachtssterne wachsen allerdings nur „unter Glas“, und das tun sie schon ab Juli, wenn sie „getopft“ werden. Ein ausgeklügeltes und teils computergesteuertes System sorgt dann dafür, dass die Pflanzen dann mit der richtigen Menge Dünger, Wasser und Licht versorgt werden. Denn die Pflanzen, die „mindestens 16 Wochen“ bis zur Blüte brauchen, müssen im richtigen Moment fertig werden.
Adventsblumen: Wo 170.000 Weihnachtssterne für den Norden produziert werden
„Ab Ende August verkaufen wir die ersten Exemplare in rosa und weiß, als Herbststerne“, so Fittschen. Aber für diese regen- und kältebeständige Pflanze ende im November die Saison: „Ab dem 1. Advent geht fast nur noch rot“, sagt Fittschen. Auch die abgenommenen Mengen steigen, je näher das Weihnachtsfest rückt. „Einer unser Großkunden ist Blume 2000. Die haben 70.000 Sterne bei mir bestellt“, sagt er. Der Rest gehe an Gartencenter und Baumärkte in der Region, auch an einzelne Blumengeschäfte. „Unsere Pflanzen gehen nach Schleswig-Holstein, Hamburg und teils bis nach Rostock“, sagt Fittschen.
Quasi zu jeder Tageszeit fahren während der Saison Lastwagen auf den Hof von Thomas Fittschen, „das ist ein Just-in-Time-Prinzip. Morgens wird bestellt, und nachmittags hat der Händler schon die Ware“, so Fittschen, der in solchen Zeiten sieben Tage die Woche arbeitet. An Wochenenden oder auch mal an einem Feiertag zu arbeiten, das gehört für sein Personal zum Gärtnerjob dazu.
Warum Gönnebek die Heimat vieler Weihnachtssterne ist
Dass Thomas Fittschen ein wichtiger Player im Weihnachtsstern-Geschäft ist, ist kein Zufall. Denn Gönnebek ist so etwas wie das Epizentrum in diesem Bereich. Nach Angaben der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein stammen ganze drei Viertel aller in Schleswig-Holstein produzierten Weihnachtssterne aus dem Kreis Segeberg. Und in diesem wiederum nimmt Gönnebek eine ganz besondere Rolle ein.
Die Gärtnersiedlung, zu der auch der Betrieb von Thomas Fittschen gehört, wurde hier Ende der 60er-Jahre gezielt gegründet, mitten in der Natur und verkehrsgünstig gelegen in der Nähe der Autobahnen 21 und 7. Aus den ersten 20 Betrieben entstand nach und nach eine „Gärtnersiedlung mit Bedeutung und Ausstrahlkraft für die gesamte Bundesrepublik Deutschland“, sagt Carsten Bock von der Abteilung Gartenbau der Landwirtschaftskammer. Heute sind noch zehn der Betriebe übrig.
Samen aus Afrika, Torf aus dem Baltikum: die Blume ist ein globales Produkt
Thomas Fittschen, der in Gönnebek aufwuchs und dort auch seinen Beruf lernte, übernahm 2008 den Betrieb von seinem Vorgänger. Die Weihnachtssterne, die er produziert, sind heutzutage so etwas wie ein globales Produkt. Denn die Samen für die Pflanze, die einst aus Mexiko nach Europa gebracht wurde, werden heute in „Äthiopien, Kenia und den subtropischen Ländern angebaut“, wie Fittschen sagt.
„Dort stehen die Mutterpflanzen. Die Samen werden dann mit dem Flugzeug zu Zuchtbetrieben in Europa gebracht. Wir bekommen sie als gewurzelte Jungpflanzen.“ In Fittschens Gewächshäusern wachsen sie dann zu voller Größe heran. Und zwar in einem speziellen Mutterboden, dessen Hauptteil – Weißtorf – in der Regel aus dem Baltikum kommt.
Weihnachtssterne sind „schwer kalkulierbarer Artikel“, sagt Fittschen
Der Handel mit den Weihnachtssternen ist kein einfaches Geschäft. Diese seien ein „schwierig kalkulierbarer Artikel“, da die Pflanzen empfindlich seien. Bei einem kalten Winter können die Heizkosten stark zu Buche schlagen. Fittschens Gärtnerei ist mit anderen in einer Genossenschaft zusammengeschlossen. „Wir beziehen gemeinsam Fernwärme, versuchen, vorwiegend mit Biogas zu heizen“, sagt er.
Neben bisweilen schwankenden Heiz- Strom- und Frachtkosten muss Fittschens Zunft auch ein geändertes Kaufverhalten ausbalancieren. „Das Kaufverhalten der Großhändler hat sich geändert. Nach dem 1. Advent wird heutzutage kaum noch etwas abgenommen“, sagt er. Er führt es darauf zurück, dass die Großhändler seit einigen Jahren „das Risiko scheuen“, wie er sagt.
Schädlinge werden ökologisch bekämpft statt mit Chemie
„Gut 15 Prozent“ seines Umsatzes macht die Weihnachtsblume bei ihm aus, sagt er. Er baut noch Hunderte weitere Pflanzensorten an, jedes Gewächshaus hat „vier bis fünf Belegungen pro Jahr“, nebenan warten schon die Primeln und Hornveilchen auf die Frühjahrssaison. Wie bei den Weihnachtssternen, kommt auch hier so gut wie keine Chemie zum Einsatz.
„Die Schädlinge bekämpfen wir mittlerweile fast nur noch biologisch, mit Nützlingen“, sagt Fittschen. So würden zum Beispiel Schlupfwespen gegen Blattläuse eingesetzt. Ökologische und energiesparende Verfahren sind mittlerweile wichtige Verkaufsargumente, die Großkunden wie Blume 2000 auch aktiv einfordern, wie Fittschen erzählt.
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Ob er indes auch im nächsten Jahr wieder Weihnachtssterne anbauen wird, weiß er nicht. Das ist dann eine Frage der Kosten-Gewinn-Kalkulation, die er nüchtern beantworten wird. Persönlich aber, vom Herzen her, ist der Gärtner durchaus ein Freund des Sterns. „Ich persönlich mag ihn“, sagt er dazu, sein ganz persönlicher Favorit ist die Variante „Fantasy-Star“, mit weißen Sprenkeln auf den Blättern. Im Trend liegt aktuell aber „Princetta“, das ist die rosafarbene Variante, „die verkaufe ich im Moment am meisten.“
Immerhin verlangen die Kunden nicht mehr nach Sternen mit Gold-Glitzer, wie noch vor einigen Jahren. „Der Trend ist Gott sei Dank vorbei“, sagt Thomas Fittschen.