Stuvenborn. Trotz Überwachungskamera griffen die Diebe in Stuvenborn zu. Bäuerin vom Hof Gloyer fühlt sich gedemütigt und teilte die Aufnahmen.
- „Wir nehmen die alle!“, sagte die Frau und schnappte sich die Eierkartons
- Entrüstung nach Veröffentlichung auf Facebook: Solidarität mit der Bäuerin
- Polizei: Veröffentlichung ist nicht rechtens. „Persönlichkeitsrechte!“
Jeder kennt die Verkaufsstände der Bauern auf dem Land: Kleine Holzhütten, darin Eier, Kartoffeln, manchmal Sülze, Honig oder Fleisch. Bereit gestellt auf Tischen, oder gut gekühlt im Automat. Frisches vom Erzeuger – und gegen Bares in die bereit gestellte Kasse gleich zum Mitnehmen. Ein Geschäft auf Treu und Glauben. Ehrliche Leute halten sich an den Kodex, bezahlen den korrekten Preis, vielleicht auch etwas mehr, und unterstützen so die regionale Landwirtschaft.
Und jeder ehrliche Kunde, der schon mal in so einem Häuschen eingekauft hat, fragt sich: Ob sich da wirklich jeder dran hält? Oder wird hier gestohlen ohne Ende? Letzteres ist die traurige Realität.
Dreiste Eierdiebe am Online-Pranger
Bäuerin Viktoria Gloyer aus Stuvenborn betreibt mit ihrem Vater den Hof Gloyer in Stuvenborn. Und vor dem Hof, an der Straße Am Dorfplatz, steht ihr Verkaufsstand im Holzhäuschen, ein Tisch mit frischen Eiern von glücklichen Hühnern aus dem rollenden Mobilstall. Dazu gibt es aus dem gut gekühlten Automaten Fleisch, Nudeln oder anderes Selbstproduziertes.
Es war der letzte Sonnabend, 16. November. Abends fährt Viktoria Gloyer mit ihrem Vater am Häuschen vorbei, schaut kurz rein und denkt: „Ich habe doch gerade Eier aufgefüllt? Und schon alle weg?“ Sie ahnt Übles und checkt die Videoüberwachung.
Frechheit der Diebe ist erschütternd
Exakt um 18.35 Uhr sieht man, wie ein Paar das Häuschen betritt. Der Mann schüttelt sich ob der Kälte des Abends ein wenig, dahinter taucht eine Frau mit feuerrotem Haar und grünem Outfit auf. Beide wenden sich den Eiern zu, werfen etwas in die bereit gestellte Kasse. Dann schnappt sich die Frau gleich mehrere der jeweils 30 Eier fassenden Pappkartons und sagt: „Wir nehmen die alle!“ Der Mann folgt gehorsam, nimmt die übrigen Kartons und beide verschwinden in der Nacht.
Eierdiebe in flagranti ertappt. 133 Eier, das Stück zu 50 Cent, haben sie mitgenommen. In die Kasse warfen sie zwei Euro. Die klar ersichtliche Videoüberwachung? War ihnen schnurz egal. Ebenso wie Ehrlichkeit oder der Respekt vor der Leistung anderer. Ein würdeloses Schauspiel.
Bäuerin Viktoria Gloyer: „Ich weiß, dass ich das nicht darf.“
Bei der Jungbäuerin Viktoria Gloyer hat dieser dreisteste aller Diebstähle in ihrem bisherigen Dasein als Direktvermarkterin eine derartig große Wut ausgelöst, dass sie sich in ihrer Ohnmacht nicht anders zu helfen wusste, als es den unbekannten Dieben gleich heimzuzahlen. Das Video der Diebe stellte sie auf Facebook, ungepixelt, jeder kann den Mann und die Frau erkennen. Und das Netz schäumt vor Wut, davon zeugen die rachelüstigen Kommentare unter dem Posting von Viktoria Gloyer. „Erschießen!“, fordert einer.
„Das mit dem Video, ungepixelt. Ich weiß, dass ich das eigentlich nicht darf“, sagt die Bäuerin. Das hat ihr auch die Polizei mitgeteilt, als sie das Video samt einer Anzeige dort übermittelte. „Wir bräuchten für die Veröffentlichung eine richterliche Verfügung“, sagt Michael Bergmann, Sprecher der Polizeidirektion Bad Segeberg. „Auch Straftäter haben ein Recht am eigenen Bild. Für unsere ermittelnden Beamten ist das Video natürlich eine Hilfe.“ Die Diebe könnten Viktoria Gloyer also wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte anzeigen.
„Dem sehe ich mal ganz gelassen entgegen“, sagt Gloyer. Sie glaubt sowieso nicht, dass die Diebe je ermittelt werden. Im Gespräch spürt man ihre Enttäuschung und Erschöpfung. „Es geht doch gar nicht um die 133 Eier oder den materiellen Schaden. Es geht für mich um den emotionalen Schaden“, sagt Gloyer. „Wenn man sieht, mit welcher Frechheit und Gleichgültigkeit die beiden in das Häuschen gehen und sich einfach die Eier nehmen, dann ist das für mich einfach unheimlich demütigend.“
Landwirtschaft unter Druck: Bäuerin fühlt sich gedemütigt
Auch der letzte Eierdieb müsste spätestens seit den landesweiten Bauern-Protesten mitbekommen haben, dass Landwirtinnen und Landwirte heute überall um ihr Überleben kämpfen. Eigentlich haben sie mit gesetzlichen Vorgaben, EU-Verordnungen und Umwelt-Auflagen schon genug zu kämpfen. „Mein Vater und ich betreiben den Hof, wir sind Vollerwerbsbauern. Ich arbeite sieben Tage die Woche, habe so gut wie keine Freizeit und investiere viel“, sagt Gloyer. „Und dann fehlt es solchen Leuten am Anstand und dem Respekt gegenüber meiner Arbeit und meinen Produkten. Das ist so demotivierend.“
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Klar, gestohlen wurde immer schon im Verkaufshäuschen. „Ich habe schon etliche Anzeigen gestellt. Ich habe auch schon im Nachhinein Ware bezahlt bekommen“, sagt Gloyer. „Ich schaue mir die Aufnahmen der Überwachungskamera nur noch selten an. Immer wenn ich merke, dass mehr als üblich fehlt.“ Taschenspielertricks seien da zu beobachten. „Wie die Leute so tun, als würden sie was in die Kasse werfen und dann bedienen sie sich. Manche schauen auch frech in die Kamera und stehlen.“ Aber so dreist wie das Pärchen jetzt sei bislang noch niemand gewesen.
Dreiste Eierdiebe – aber die ehrlichen Kunden sind wichtiger
Viktoria Gloyer spielt mit dem Gedanken, das Verkaufshäuschen aufzugeben. „Aber ich habe so viele treue und ehrliche Kundinnen und Kunden. Und die würde ich gerne weiter versorgen.“ Alles unter Verschluss in den Automaten zu stellen, sei auch keine Lösung. „Die Leute wollen sich gerne die Eier von den großen Paletten in die Eierboxen sortieren. Je nachdem, welche Größe oder Farbe sie bevorzugen. Das gehört beim Kauf direkt vom Hof einfach dazu“, sagt Gloyer.
Falls irgendjemand den entscheidenden Tipp zur Ermittlung der Eierdiebe liefert, würde Viktoria Gloyer 50 Euro Belohnung springen lassen. Noch am Abend des Diebstahls hat sie übrigens neue Eier auf den Tisch im Häuschen gestellt. Dass eventuell Kundinnen und Kunden unverrichteter Dinge den Verkaufsstand verlassen müssen, die Vorstellung lag ihr dann doch schwerer auf der Seele als die Wut auf die unverschämten Eierdiebe.