Norderstedt. Mit ein paar Frauen und Beduinen ritt die Norderstedterin Mone Wilke auf Dromedaren durch die Sahara Tunesiens. Eine Selbsterfahrung.
Reduziert reisen. Ohne Komfort und Kalender. Dafür mit Kaftan und Karawane. Hoch zu Dromedar oder Schritt für Schritt durch den seidigen Sand der Wüste. Über hohe Dünen, durch unendliche Weiten. Mit Lagerfeuerromantik und tiefen Träumen unterm nächtlichen Sternenhimmel. Mone Wilke hat ihn gelebt, diesen orientalischen Traum. Gemeinsam mit acht Frauen, zwölf Dromedaren und vier Beduinen wanderte die Norderstedterin durch die Sahara Tunesiens. 14 Tage lang dauerte ihre Seelenreise, auf der sie Ruhe und neue Kraft fand.
Worin liegt sie, die Magie einer Wüstentour? „Das Gefühl, während dieser Reise in die Stille der Sahara einzutauchen, war ein so besonderes“, sagt die 55-Jährige mit den kurzen hellen Haaren. „Meinen Pulsschlag zu spüren, bewusst zu atmen. Ich saß beim Sonnenuntergang auf der Düne und hatte gefühlt den Himmel auf Erden. So ergriffen war ich von der Natur und ganz tief mit mir verbunden.“ Frei habe sie sich gefühlt. Einen inneren Frieden gespürt. Begleitet, beschützt und umsorgt von erfahrenen Beduinen.
Faszination Wüste: Sehnsucht nach Ruhe in schwierigen Zeiten
Ein Frieden, nach dem gerade in der heutigen herausfordernden Zeit viele Menschen suchen. Studien zeigen, dass es neben Gesundheit, Liebe, ökonomischer Sicherheit Frieden, Glaube und Natur sind, die glücklich machen. Ein Glück, das Mone Wilke seit vielen Jahren im heimischen Wald findet. Die Entspannungstrainerin für meditatives Naturerleben und Achtsamkeit führt im täglichen Leben Menschen durch die Natur Schleswig-Holsteins (www.freiraumwege.de.). Menschen, die Abstand vom Alltag nehmen wollen, sind darunter. Menschen mit chronischen Erkrankungen, die Ähnliches durchlebt haben, wie Mone Wilke selbst.
Vor zwölf Jahren erkrankte die hochgewachsene Frau an Fibromyalgie. Fibromyalgie, auch als Weichteilrheuma bekannt, bedeutet übersetzt Faser-Muskel-Schmerz. Dieser breitet sich dauerhaft im gesamten Körper aus und ist wie bei Mone Wilke oft gekoppelt mit Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Erschöpfung und Morgensteifigkeit. Rund zwei Prozent der Deutschen sind davon betroffen, darunter 80 Prozent Frauen zwischen 40 und 60 Jahren.
„Kindliche Pippi-Langstrumpf-Neugier“
Im Laufe der Jahre habe sie („Ich bin eine Kämpfernatur“) Wege gefunden, die damit verbundenen Symptome deutlich zu lindern und das Leben neu für sich zu entdecken. Wie im Herbst 2023, als Mone Wilke sich zum ersten Mal auf den Jakobsweg begab und 280 Kilometer vom portugiesischen Porto aus ins spanische Santiago de Compostela wanderte.
Und wie hat die Frau mit dem so erfrischenden Lachen nun ein Jahr später die Wüste für sich entdeckt? „Ganz einfach“, sagt sie. „Ich habe intuitiv mal Wüstenreise gegoogelt. Dann ploppte die Seite ‚wanderduene-berlin.de‘ auf und ich wusste: ‚Da will ich hin.‘“ Gestartet sei sie mit „einer kindlichen Pippi-Langstrumpf-Neugier im Gepäck“. Leinenhosen, Leinenhemden, Langarmshirts sowie Turban-Tücher für den Kopf und ein Schafsack fürs nächtliche Schlummern unter freiem Sternenhimmel gesellen sich dazu; und dann geht es Anfang Oktober dieses Jahres via Flugzeug von Berlin aus Richtung Djerba.
Gleichgesinnte Frauen mit ähnlichen Sehnsuchten
Dort trifft sie acht gleichgesinnte Frauen, alle zwischen 50 und 65 Jahre alt. Lehrerinnen, Ergotherapeutinnen sind darunter. Für einige ist es Teil eines Sabbaticals, sprich einer längeren Auszeit vom Job. Frauen, die einfach mal anders reisen wollen oder auf der Suche nach spiritueller Erfahrung sind, so wie Mone Wilke.
Und die beginnt bereits im Basislager, 270 kilometer vom Flughafen Djerba entfernt. Hier warten Beduinen und Dromedare auf die Gruppe. Und eine erste stockdunkle Nacht unter freiem Himmel. „Ich hatte schon zu Hause Alpträume, weil ich nicht wusste, wie ich mit der tiefen Dunkelheit klarkomme“, sagt Mone Wilke. Doch ihr Körper habe ihr sofort signalisiert: „Ich will auf der Düne unterm Sternenhimmel schlafen.“ Ein Sternenhimmel, wie sie ihn noch nie erlebt habe. Sogar mit Sternschnuppen! „Ich fühlte mich gleich angekommen und irgendwie zu Hause“, sagt die schlanke Frau.
Jeden Morgen um sechs ist für die Wüstenschwestern die Nacht vorbei. Dann heißt es wie an jedem weiteren Morgen Schlafsack einrollen und zum Lager bringen. Hier erwartet die Wüstenfrauen ein köstliches Frühstück auf zwei großen Decken. Mit im Sand gebackenem Fladenbrot, von dem Mone Wilke sagt, es sei „das leckerste Brot der Welt!“ Mit Olivenöl, Harissa, Feigenmarmelade, Le Président Schmelzkäse, Kaffee, Tee und Wasser.
Wüstentrip: Zehn bis 15 Kilometer täglich
Und dann wird gepackt. Vorräte und Gepäck müssen auf den Dromedaren verladen werden, bevor die Karawane gegen 9 Uhr weiterzieht. Zehn bis zwölf Kilometer täglich, zu Fuß oder auf dem Rücken der Tiere. Darauf fühlt sich Wüstenfrau Wilke gleich wohl. „Ich kenne mich gut mit Pferden aus und verstehe es, mit den Tieren in Resonanz zu gehen.“ Im Gleichmaß bewegt sie sich so durch den goldgelb seidigen Sand. Schritt für Schritt in der von ihr so geliebten achtsamen Langsamkeit.
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Die Frau, die diese Reise organisiert hat, heißt Kerstin Jäger. Nach einem Burn-Out vor vielen Jahren entschied sich die heute 64-Jährige für eine Reise in die Wüste. „Die war eine gute Therapeutin für mich“, sagt die gelernte Hotelfachfrau, die viele Jahre im Management großer Luxushotels gearbeitet hat. Immer wieder kehrt die Berlinerin zurück in die unberührte Natur Tunesiens und beschließt irgendwann mit Unterstützung von heimischen Beduinenfamilien, selbst Reisen in die Wüste anzubieten.
Bei 45 Grad: Lager aufschlagen und Essen kochen
Dahin und zu den Wüstenfrauen lenken wir nun wieder unseren Blick. Jeden Mittag, wenn die Hitze mit 38 bis 45 Grad drückend wird, stoppt die Karawane und schlägt ihr Lager bis zum nächsten Tag auf. Dann bereiten die Beduinen einen frischen Salat zu und backen das köstliche Fladenbrot im heißen Sand. Auch Couscous mit Gemüse gibt es, oder Harira, eine herzhafte orientalische Suppe auf Tomatenbasis, mit Hülsenfrüchten wie Linsen und Kichererbsen, Kräutern, Kurkuma, Kreuzkümmel und Zimt. Drei bis vier Liter Wasser trinken die Frauen täglich. Ein Apfel rundet das Geschmackserlebnis regelmäßig ab. „Äpfel sind etwas sehr Kostbares in Tunesien“, sagt Mone Wilke. „Der Verzehr macht dankbar und demütig und zeigt, in welchem Luxus wir in unserer Heimat leben.“
Die Abende am knisternden Lagerfeuer mit Tee-Zeremonie, Trommeln und Gesängen der Beduinen mit ihren rauchigen Stimmen werden für sie zu magischen Momenten. Das spüren auch ihre Begleiterinnen: „Du wirkst selbst wie eine Beduinin“, habe eine Frau zu ihr gesagt. „Als wärest du hier ein Stück zu Hause.“
Beduinen nennen die Wüste das „Meer ohne Wasser“
Worte, die auch vier Wochen nach Mone Wilkes Rückkehr in die Zivilisation Norddeutschlands immer noch nachklingen. „Die unendliche Weite unter der Sonne, dem Mond und den Sternen lässt auch mein Herz in Gedanken weit werden.“
Die Wüste habe sie verändert. Gestärkt. Zur Ruhe gebracht. „Wer die Wüste nicht kennt und ihren Atem nie gespürt hat, wird ein Leben lang erfüllt sein von Sehnsucht“, sagt ein arabisches Sprichwort. Die Norderstedterin hat die Wüste erlebt. Ihre Sehnsucht ist geblieben. Eine Sehnsucht nach Stille, nach Freiheit. Sie wird zurückkommen an den Ort, den die Beduinen so liebevoll „Bahr bela ma“ nennen: Meer ohne Wasser.