Norderstedt. Thomas Thielsen, Leiter des Herz- und Gefäßzentrums in Norderstedt, empfiehlt Vorsorgechecks. Doch Termine beim Kardiologen sind rar.

Das Gespräch muss warten. Das Herz braucht Hilfe. 40 Minuten später hat Thomas Thielsen den Herzinfarkt behandelt, den Patienten aus der Gefahrenzone gebracht. Der 46-Jährige ist neuer Leiter des Herz- und Gefäßzentrums der Segeberger Kliniken in Norderstedt. Zusammen mit einem 25-köpfigen Team aus Ärzten und Pflegekräften untersucht und therapiert der Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie Menschen, bei denen Herz und Kreislauf nicht mehr störungsfrei arbeiten.

Und hat jede Menge Arbeit, denn: „Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die Todesursache Nummer eins in Deutschland“, sagt Thielsen. Rund 40 Prozent aller Sterbefälle seien darauf zurückzuführen. Und: „Ein Herzinfarkt bei 35-Jährigen ist leider keine Seltenheit mehr.“ Es gibt auch Stammkunden: So sei ein 63 Jahre alter Mann 58 Mal zur Herzkatheter-Untersuchung bei ihm gewesen.

Herzinfarkt: „Bei 35-Jährigen ist leider keine Seltenheit mehr.“

Gerät das Herz aus dem Takt oder funktioniert nur noch eingeschränkt, gelte es, keine Zeit zu verlieren und den Rettungsdienst unter 112 zu alarmieren. „Wird der Herzmuskel nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt, können Teile absterben, es kann zu irreversiblen Schäden kommen“, sagt der Mediziner. Die Folge: Das Herz bleibt geschwächt, bringt nicht mehr die volle Leistung.

Die Symptome eines Herzinfarktes sind bekannt, und doch, so Thielsen, zögern viele, und denken. Der Schmerz in der Brust, der in die Arme, den Oberbauch, den Rücken oder den Hals ausstrahlen kann, oder die Luftnot wird schon wieder verschwinden. Frauen spüren oft andere Warnsignale: Engegefühl in der Brust, Übelkeit mit Erbrechen, Müdigkeit, Schwäche, Kiefer-, Nacken- oder Halsschmerzen, starke Kurzatmigkeit, Atemnot.

Für den Herzcheck ist eine Überweisung des Hausarztes nötig

Segeberger Kliniken Gruppe : Herzuntersuchungen mit Künstlicher Intelligenz
Holger Nef, Klinikdirektor des Herz- und Gefäßzentrums der Segeberger Kliniken in Bad Segeberg, vor einer Darstellung der Innenseite des Gefäßes mithilfe der Künstlichen Intelligenz. © Segeberger Kliniken | Segeberger Kliniken

Doch es gibt auch schleichende Erkrankungen wie die Herzschwäche, die unbehandelt lebensbedrohlich werden kann. Daher empfiehlt der neue Chef des Herz- und Gefäßzentrums der Segeberger Kliniken in Norderstedt einen Herzcheck. „Ab 50 oder 60 sollte man das Herz untersuchen lassen, auch wenn keine Beschwerden vorliegen“, sagt Thielsen. Doch was so einfach klingt, erweist sich oft als schwierig.

Kassenpatienten brauchen eine Überweisung zum Kardiologen. „Ob der Hausarzt die ausstellt, liegt in seinem Ermessen“, sagt Ronald Krams, Sprecher der Segeberger Kliniken. In jedem Fall gelte: „Ohne Diagnose keine Überweisung.“ Voraussetzungen seien Beschwerden oder eine familiäre Disposition für Herzerkrankungen. „Bevor der Hausarzt den Patienten zu uns oder einem Kollegen schickt, erstellt er normalerweise zunächst ein Risikoprofil“, sagt Dr. Frank Mibach vom Landesverband Niedergelassener Kardiologen in Schleswig-Holstein.

Kardiologe vergibt Termine für den Herzcheck nach Dringlichkeit

Wie ist der Blutdruck, wie sind die Cholesterin- und Blutzuckerwerte? Raucht der Patient, ist er übergewichtig, wie sieht es mit Bewegung aus? Ergibt sich aus den Werten, dass das Herz schon geschädigt sein könnte oder absehbar erkranken könnte, werde sich der Hausarzt beim Herzspezialisten melden und ihm mitteilen, wie dringlich die Kontrolle ist. „Entsprechend vergeben wir dann unsere Termine“, sagt Mibach. Ist keine akute Gefahr gegeben, könne die Wartezeit auch schon mal mehrere Monate betragen.

Auch die Segeberger Kliniken, deren Herz- und Gefäßzentrum nach eigener Aussage zu den besten in Deutschland gehört, bieten Ambulanzen und Sprechstunden zu medizinischen Themen an, auch zur Kardiologie. Unter dem Motto „Stärke Dein Herz! Herzschwäche erkennen und behandeln“ beteiligen sich die Segeberger Kliniken an den bundesweiten Herzwochen.

„Mancher lebt auf der Couch, die Chipstüte in der Hand“

„Leider wird die Prävention in Deutschland noch etwas stiefmütterlich behandelt“, sagt Thielsen, der dafür plädiert, der Erziehung zu einem gesunden Leben in den Schulen mehr Gewicht zu verleihen. Die Zahl der Übergewichtigen steige, Bewegung fehle, das Essen enthalte zu viel Zucker und ungesundes Fett. So mancher „lebe auf der Couch, mit der Chipstüte in der Hand“.

Im Norderstedter Herz- und Gefäßzentrum behandeln Thielsen und sein Team nicht nur Patienten mit Herzinfarkt. Im Herz-Katheter-Labor diagnostizieren die Mediziner genauso verstopfte Herzkranzgefäße oder Vorhofflimmern, laut Thielsen auch schon eine Volkskrankheit. Dabei führen Arzt oder Ärztin einen Kunststoffschlauch über ein Blutgefäß in der Leiste, Armbeuge oder am Handgelenk zum Herz. Mithilfe eines Kontrastmittels lassen sich Engstellen erkennen oder die Funktion der Herzklappen und die Pumpleistung ermitteln.

Für den neuen Leiter des Herz- und Gefäßzentrums in Norderstedt ist die tägliche Arbeit am Herz sein Traumberuf. „Die direkte Tätigkeit am Patienten gefällt mir“, sagt Thielsen, der zwei Kinder hat und in Sülfeld wohnt. Er sei erblich vorbelastet, sein Vater war Arzt. Zur Kardiologie sei er per Zufall gekommen, doch dann „hat sie mich nicht mehr losgelassen“.