Kreis Segeberg. Viele Anträge seit Monaten in der Bearbeitung – im Landeslabor fehlen Cannabis-Experten. Die Job-Anforderungen sind ungewöhnlich.
Generell gelten Kiffer als langmütige, als ruhige Personen. Doch in Schleswig-Holstein dürfte die Ungeduld so langsam trotzdem zunehmen. Zumindest bei jenen, die sich in Cannabis Social Clubs, also Anbauvereinigungen, zusammenschließen wollen. Denn, anders als in Hamburg oder Niedersachsen, lassen auch Anfang November die Genehmigungen für sämtliche Vereine auf sich warten. Davon sind auch einige Clubs aus der Metropolregion betroffen.
Zuständig für die Verfahren ist das Landeslabor mit Sitz in Neumünster, diese Behörde ist dem Landwirtschaftsministerium unterstellt. Auf Abendblatt-Anfrage teilt Sprecherin Jana Ohlhoff mit: Insgesamt seien 13 Anträge eingegangen, davon wurde einer bereits wieder abgelehnt, ein anderer zurückgezogen. Alle anderen seien in Bearbeitung.
Cannabis-Clubs in Schleswig-Holstein: Kiffer müssen auf Genehmigungen warten
Gleich vier der geplanten Vereinigungen sind aus dem Kreis Segeberg, und zwar aus Traventhal, Nahe, Norderstedt und Henstedt-Ulzburg. Zwei weitere befinden sich in Kiel, dazu haben sich Clubs in Lübeck, Heide, Pinneberg, Schwentinental und Rendsburg gebildet.
Behördlich gesehen, wurde Neuland betreten. Das Landeslabor ist verantwortlich für den gesundheitlichen Verbraucherschutz, hier werden Lebensmittel untersucht, Schlachttiere, Fleischproben aus der Industrie, es geht um Gewässeranalyse und rechtliche Fragen etwa bei Futtermitteln oder Tierarznei.
Zuständige Behörde: Neue Cannabis-Abteilung mit 22 Stellen – fast alle unbesetzt
Cannabis fiel bisher nicht in die Zuständigkeit. Das änderte sich im April mit der Teil-Legalisierung sowie dann ab Juli, also seitdem es den Clubs möglich ist, ihre Anträge zu stellen. Laut „sh:z“ wurde eine neue Abteilung geschaffen – explizit für die Anbauvereinigungen. Nicht nur, um die Anträge zu prüfen, sondern letztlich auch für laufende Kontrollen. 1,3 Millionen Euro Budget stehen zur Verfügung, 22 Positionen mussten besetzt werden. „Zwei Stellenbesetzungsverfahren konnten bislang erfolgreich abgeschlossen werden. Weitere sind angestrebt“, so die Ministeriumssprecherin.
Die Anforderungen für die Stellen seien „sehr unterschiedlich“, es werde „zum Beispiel juristisches, botanisches, labortechnisches und Verwaltungsfachwissen“ benötigt. Ein ungewöhnliches Profil: Wer sich als Cannabis-Expertin oder Cannabis-Experte bewirbt, muss erhebliche Qualifikationen mitbringen.
Ungewöhnliches Profil: Naturwissenschaftler mit Cannabis-Expertise gesucht
Job-Angebote zeigen: Vorausgesetzt wird ein abgeschlossenes Studium in Agrarwissenschaften oder in einer Naturwissenschaft, dazu mit „botanischem Detailwissen“. Wichtig seien etwa „analytisches Denkvermögen und Sorgfalt bei der Probenahme und Bewertung“. Doch eine bestimmte Expertise ist ebenso dringend gefragt: „Erfahrung im Bereich Cannabisanbau und -verarbeitung ist von Vorteil“, so die Annonce.
Eine weitere Besonderheit in Schleswig-Holstein: Die Bearbeitungsfrist von drei Monaten beginnt erst, sobald die Anträge komplett sind. Diese Erfahrung hat Joey Claussen, Vorsitzender des Vereins „Forever 420“ in Henstedt-Ulzburg, gemacht. „Wir haben den Antrag am 9. Juli gestellt, dann kamen Nachforderungen, die haben wir alle geliefert. Das war sehr umfangreich, unter anderem mussten wir die Satzung ändern. Wir haben dadurch vier Wochen verloren.“
Forever 420 in Henstedt-Ulzburg: „Umfangreiche Nachforderungen“ der Behörde
Gefordert ist: Der Vereinszweck dürfe nicht auf politischen Aktivismus hindeuten, nicht auf ideologische Ziele. Was übrigens ebenfalls tabu ist: In sozialen Medien, also insbesondere Instagram oder Facebook, darf ein Club keinesfalls Werbung für sich und den Cannabis-Anbau machen.
- Cannabis-Club in Hamburg: Bezirksamt Altona genehmigt erste Vereinigung
- Joy: Cannabis-Club in Henstedt-Ulzburg statt Kultdisco
- Cannabisregeln in Hamburg: Das sind die häufigsten Verstöße
Bis Dezember, so schätzt der Vereinsvorsitzende, müsste es Klarheit geben. Bekanntlich wird ein Teil der ehemaligen Diskothek Joy genutzt. „Der Cannabis Social Club ist davon baulich getrennt. Wir haben die Lüftungsanlage eingebaut, danach die Lampen, zum Abschluss kommen die Teichfolien, dann sind wir fertig.“ Pflanzen stehen hier natürlich noch keine, das wäre erst gestattet, sobald der Antrag genehmigt ist.
Cannabis im Kreis Segeberg: Auch Vereine aus Bad Segeberg, Norderstedt und Nahe wollen anbauen
Ein weiterer Verein ist „Sorgenfrei“ in Bad Segeberg, auch dessen Antrag ist in Bearbeitung. Genau wie jener des Cannabis Social Clubs Nahe. Dieser will in einer Lagerhalle mit Verwaltungstrakt am Kronskamp anbauen. Mitglieder seien bisher keine aufgenommen worden, es gebe eine Warteliste. Der vierte Club befindet sich in Norderstedt, auch von dort ist zu hören, dass alle Unterlagen eingereicht seien, es aber, genau wie bei den anderen Anwärtern, immer noch keine Besichtigung vor Ort gegeben habe.
Grundsätzlich gilt für alle Anbauvereinigungen: Sie dürfen bis zu 500 Mitglieder haben, die monatlich maximal 50 Gramm für den Eigenkonsum erhalten. Das Cannabis darf nicht verkauft werden, und in den Club-Räumlichkeiten darf dieses nicht konsumiert werden. Die Finanzierung läuft also über die Mitgliedsbeiträge und das jeweilige Eigenkapital. Für die technische Ausstattung können da durchaus sechsstellige Beträge zusammenkommen.