Kreis Segeberg. AfD Schleswig-Holstein trifft sich zwei Tage lang im Bürgerhaus der Gemeinde. Lautstarker Protest erwartet. Das kommt auf den Ort zu.

  • Wahl des Landesvorstands und Aufstellung der Bundestagskandidaten geplant
  • Aufrufe zum Protest gegen Veranstaltung im Bürgerhaus
  • Im Kreis Segeberg hält die AfD bereits diverse politische Posten

Die Gemeinde Henstedt-Ulzburg steht vor einem unruhigen Wochenende: Wie berichtet, wird die schleswig-holsteinische AfD am Sonnabend und Sonntag (2./3. November) in dem Ort ihren Landesparteitag sowie die Versammlung zur Aufstellung der Liste für die Bundestagswahl 2025 abhalten, und zwar, wie in der Vergangenheit bereits oftmals, im Bürgerhaus. Eine rechtliche Handhabe, das zu verhinden, hat die Verwaltung aktuell nicht, seitens des Rathauses wird nicht einmal mehr explizit Stellung genommen zur Nutzung durch die Partei, die bundesweit vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft ist.

Mittlerweile gibt es zahlreiche Aufrufe zum Protest. Offiziell angemeldet ist eine Demonstration des Bündnisses für Demokratie und Vielfalt, die am Sonnabend um 8 Uhr am Bürgerhaus beginnen wird, also eine Stunde, bevor Einlass ist für die AfD-Mitglieder. Das Mittel des Widerstands ist der Regenbogen, also bunte Farben, ein Symbol für Vielfalt und Diversität, das in der rechten Szene verhasst ist.

AfD in Henstedt-Ulzburg: Regenbogen-Demo soll Rechte ärgern

„Auf Demos alle AfD-Wählerinnen und Wähler als Nazis zu beschimpfen, hat in unseren Augen wenig gebracht. Es bewegt die Menschen nicht dazu, über ihr Wahlverhalten nachzudenken. Hier braucht es das persönliche Gespräch. Sinnlos ist es dort, wo die AfD ganz bewusst WEGEN ihrer rechtsextremen Positionen gewählt wird“, hatte das Bündnis bei der Bekanntgabe geschrieben.

Kurt Kleinschmidt (57) kandidiert im Bürgerhaus Henstedt-Ulzburg wieder für den Landesvorsitz.
Kurt Kleinschmidt (57) kandidiert im Bürgerhaus Henstedt-Ulzburg wieder für den Landesvorsitz. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Demonstriert werde trotzdem. „Weil wir damit Haltung zeigen! Wir zeigen, dass die Mehrheit der Menschen in diesem Land keine Rechtsextremen in den Parlamenten und in Regierungsverantwortung will. Wir werden nicht wegsehen, wir werden nicht leise sein und wir werden die AfD in unserem Bürgerhaus nicht ,am besten gar nicht thematisieren‘ – so wie es ein großer Teil unserer Kommunalpolitik am liebsten hätte“.

Aufrufe: Antifa-Gruppen aus der Region wollen nach Henstedt-Ulzburg

Erwartet wird zudem, dass aus der ganzen Region und auch aus Städten wie Kiel oder Flensburg Antifa-Gruppen anreisen. Entsprechende Ankündigungen finden sich in sozialen Medien, unter dem Motto „Gemeinsam und entschlossen gegen den AfD-Landesparteitag“, teilweise wird auch gefordert, diesen zu „verhindern“.

Als Treffpunkt für rechte Politiker ist das Bürgerhaus umstritten. Zuletzt hielten im Juni 2024 die AfD-Landesverbände von Hamburg und Schleswig-Holstein ein gemeinsames Treffen ab. Die AfD nutzt eine rechtliche Besonderheit. Denn die Satzung des Bürgerhauses gestattet es Parteien, dieses zu buchen für Veranstaltungen. Versuche, die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ davon auszunehmen, waren in der Vergangenheit gescheitert. Im August 2023 erlitt die Gemeinde vor dem Verwaltungsgericht eine schwere Niederlage. Damals hatte sie einen AfD-Antrag, das Gebäude anzumieten, abgelehnt. Dagegen klagte der Landesverband und bekam Recht.

AfD-Politiker Flak: Ausschuss-Vorsitzender im Kreis und in Kaltenkirchen

Die AfD selbst will im großen Saal ihren Landesvorstand neu wählen, der bisherige Vorsitzende Kurt Kleinschmidt kandidiert erneut. Ebenso sein Stellvertreter Julian Flak aus Kaltenkirchen, dessen Rolle in der Politik ein Beispiel ist für einen Wandel im Umgang mit der AfD auf lokaler Ebene.

Denn: Während in anderen Teilen Deutschlands über die Rolle der AfD in den Parlamenten heftig diskutiert wird, ist die Beteiligung der Rechtspopulisten im politischen Alltag des Kreises Segeberg längst angekommen. Sowohl auf Kreisebene als auch auf Ortsebene in Kaltenkirchen hat die AfD wichtige Ämter übernommen. In beiden Fällen mit Billigung und sogar Unterstützung aus anderen Fraktionen und ohne nennenswerte politische Proteste.

CDU und zwei damalige Grüne segneten Ausschuss-Vergabe an AfD ab

Flak, der auch den AfD-Kreisverband führt, ist auf Kreisebene Vorsitzender des Bauausschusses, in seinem Wohnort wurde er zum Vorsitzenden des Umwelt-, Natur- und Klimaausschusses gewählt. „Er moderiert den Ausschuss“, sagt der Grünen-Politiker Kurt Göttsch aus Norderstedt, Mitglied des Bauausschusses auf Kreisebene. „Mehr kommt da nicht.“ Flak selbst spricht von einem „kollegialen Umgang“ in den Gremien. Seit 2022 ist der 42 Jahre alte Diplom-Wirtschaftsjurist auch stellvertretender Landesvorsitzender: Julian Flak ist im Kreis Segeberg das „Gesicht“ der AfD.

Demo-Aufruf Bündnis für Demokratie und Vielfalt Henstedt-Ulzburg
Das Bündnis für Demokratie und Vielfalt ruft in Henstedt-Ulzburg zum Protest gegen den AfD-Landesparteitag im Bürgerhaus auf. © Bündnis für Demokratie und Vielfalt Henstedt-Ulzburg | Bündnis für Demokratie und Vielfalt

Warum wurde der Kreis-Bauausschuss ohne großes Aufhebens an die AfD vergeben? Der CDU-Kreisvorsitzende Ole-Christopher Plambeck gibt auf Anfrage des Abendblatts keine schlüssige Antwort und schweigt zu diesem Thema. Er stellt aber fest: „Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD, das ist sehr, sehr klar.“ Tatsache ist: Als es um die Besetzung des Ausschussvorsitzes ging, haben CDU und und zwei Grünen-Abgeordnete für Flak gestimmt, SPD, FDP und Freie Wähler gegen ihn – Stimmenmehrheit für Flak. Einige SPD-Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Die beiden Grünen-Abgeordneten, die von der Fraktions-Vorgabe, nicht für die AfD zu stimmen, abgewichen sind, haben die Partei verlassen und sind zur CDU gewechselt.

Im Kreis Segeberg wurde der AfD-Kandidat durchgewunken, in anderen Kreisen nicht

Parteiinterne Konsequenzen mussten diejenigen SPD-Abgeordneten, die sich bei der Wahl enthalten haben, nicht fürchten. „Hätten sie aber für Flak gestimmt, wäre es etwas anderes gewesen“, sagt der neue SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wehrmann. In anderen Kreisen Schleswig-Holstein gingen die Kreispolitiker rigoroser vor: In den Kreisen Pinneberg und Plön fielen die AfD-Kandidaten bei den Wahlen für Ausschussvorsitze durch.

Julian Flak will wieder stellvertretender Landesvorsitzender und möglicherweise Bundestagskandidat der AfD im Kreis Segeberg werden. Er ist Ausschussvorsitzender in Kaltenkirchen und im Kreis Segeberg.
Julian Flak will wieder stellvertretender Landesvorsitzender und möglicherweise Bundestagskandidat der AfD im Kreis Segeberg werden. Er ist Ausschussvorsitzender in Kaltenkirchen und im Kreis Segeberg. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Die Stellung von Julian Flak in der Landes-AfD ist herausragend: In Henstedt-Ulzburg kandidiert er nach eigenen Angaben wieder als stellvertretender Landesvorsitzender. Das Ergebnis bei den jüngsten Kommunalwahlen stärken ihn: Die Alternative für Deutschland (AfD) hat in Kaltenkirchen ganze 12,7 Prozent der Stimmen gewonnen und besetzt nun mit vier statt zwei Leuten die Stadtvertretung. Für die AfD eines der besten Ergebnisse in Schleswig-Holstein, und das beste im Kreis Segeberg.

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130 Parteimitglieder auf Kreisebene: Ortsverbände in Bad Segeberg und Henstedt-Ulzburg in Planung

Möglicherweise verlagert Flak seine Aktivitäten auf die Bundesebene. Denn in Henstedt-Ulzburg werden am ersten November-Wochenende auch die Bundestagskandidaten gewählt. „Ich denke darüber nach, für den Bundestag zu kandidieren und spiele zumindest mit dem Gedanken“, sagt Julian Flak. „Aber eine Entscheidung halte ich mir noch offen.“ Seiner Ansicht nach wäre es gut für die Partei, wenn es einen Kandidaten aus dem Kreis gäbe.

Auf Kreisebene wird sich die AfD weiter ausbreiten: Im Raum Bad Segeberg/Wahlstedt ist die Gründung eines neuen Ortsverbandes geplant. Es soll, wie Flak sagt, „so schnell wie möglich, aber ohne große Eile“ über die Bühne gehen. „Wir haben in diesem Gebiet etliche neue Mitglieder gewonnen, darunter auch aktive Mitglieder.“ Außerdem werde mit dem Gedanken gespielt, auch in Henstedt-Ulzburg einen Ortsverband zu gründen. Im Kreisverband seien aktuell 130 Parteimitglieder registriert.