Norderstedt. Aurum trennt Gold und Silber von anderen Edelmetallen und zahlt für Schmuck nach präziser Analyse. Wie das Unternehmen arbeitet.

Der Goldpreis steigt, und er wird weiter klettern, sagen Experten voraus. Vom „Goldrausch“ profitiert ein Unternehmen, das in Norderstedt mit dem Edelmetall Geld verdient: die Norddeutsche Edelmetall Scheideanstalt, mit ihrem Partner Aurum Edelmetalle. „Wir haben durch den Run auf Gold mindestens 50 Prozent mehr Kunden als sonst“, sagt Geschäftsführerin Miriam Torbeck.

Das Geschäftsmodell: Edelmetalllegierungen aus Gold, Silber, Platin und Palladium werden in der Gold- und Silberscheideanstalt technisch sauber und sortenrein in ihre Bestandteile zerlegt. „In Gold- und Silberschmuck finden sich meist noch andere Edelmetalle“, sagt Torbeck. Deren Anteile werden ermittelt und vergütet, die Kunden bekommen ihr Geld entsprechend der aktuellen Preise für die unterschiedlichen Materialien. So gibt es gerade 2432,74 Euro für die Feinunze (31,1 Gramm) Gold, fast doppelt so viel wie vor fünf Jahren. Auch der Silberpreis hat kräftig zugelegt, momentan hat eine Unze den Gegenwert von 28,56 Euro.

Riesenandrang bei Aurum, den Goldschürfern von Norderstedt

„Die Nachfrage ist so groß, dass unsere Öfen und Chemie auf Hochtouren laufen und die Kunden schon mal 14 Tage Geduld haben müssen“, sagt die Geschäftsführerin. Anlass für den Andrang: Bei Aurum wird nicht nur gewogen und geschätzt, sondern mit industrieller Röntgentechnik auch präzise analysiert.

Die Norddeutsche Edelmetall Scheideanstalt und Aurum sind als Gold- und Silberscheideanstalt und Handelsbetrieb in der Metropolregion neben Europas größtem Kupferhersteller, der Kupferhütte Aurubis, der zweitgrößte Erzeuger von Edelmetallen im Norden. Bundesweit gibt es etwa ein halbes Dutzend Unternehmen, die Edelmetalle in dieser Form recyceln können.

Aus Sicherheitsgründen bekommen die Kunden Termine

Wer die Firmenräume an der Oststraße betritt, sieht einen größeren Warteraum für Kunden. „Wir arbeiten schon aus Sicherheitsgründen ausschließlich mit Terminvergabe“, sagt Torbeck, „aber auch eine gewissenhafte Kundenberatung benötigt Zeit, die wir planen müssen“.

Zunächst nehmen sie und ihr Team die Schmuckstücke entgegen, gucken nach Stempeln und Zertifikaten. Die verraten bei der Schätzung vor Ort, wie hoch der Anteil an Gold oder Silber (585er-Gold oder 925er-Silber) in einem Ring oder einer Brosche ist. Ob die Angaben der sogenannten Punzen stimmen, muss durch die Röntgenanalytik nach der Schmelze rechtssicher verifiziert werden.

Aurum verkauft auch schon mal Goldbarren im Wert von 200.000 Euro

Dann kommen Goldschmuck oder Silbertablett auf die Waage, die danach folgende Schätzung dient den Kunden als zuverlässige Orientierung für ihre Entscheidung. Der genaue Gegenwert ergibt sich aus der technischen Analyse. „Wir bleiben bei der ersten Einschätzung bewusst unter dem wahrscheinlichen Endpreis“, sagt Miriam Torbeck, die die ganze bunte Mixtur von Kunden erlebt.

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Ketten und Ringe werden bei Aurum auch zu kleinen Goldstücken und Minibarren verarbeitet. © Michael Schick | Michael Schick

Es kommt der Enkel, der die Schmuckstücke der verstorbenen Oma versilbern möchte. Es kommen aber auch Männer und Frauen, die eine Immobilie geerbt und verkauft haben. „Einen Teil des Geldes wollen sie in Gold anlegen“, sagt die Geschäftsführerin, die dann schon mal Goldbarren im Wert von 200.000 Euro verkauft – der Verkauf ist das zweite Standbein, oder, wie Miriam Torbeck sagt, Teil des Recycling-Kreislaufs.

Gold und Silber werden zu 100 Prozent recycelt und weitergegeben

Denn alles, was bei Aurum in seine Bestandteile geschieden wird, wird aufgearbeitet und weitergegeben, entweder zurück an Verbraucher oder an die Industrie. Hat der Bestand an Gold, Silber, Platin oder Palladium ein bestimmtes Gewicht erreicht, kommt die wertvolle Ware sofort an die Londoner Börse und wird zum festen Tageswert verkauft – ein Vorgang, der auch die Vergütungen der Kunden absichert.

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Kleinere Mengen werden von Experten wie Goldschmiedemeistern mit dem Schweißbrenner verflüssigt. © Michael Schick | Michael Schick

Nachhaltig seien auch die Bedingungen, unter denen in Norderstedt Gold geschürft wird. Da werde kein Loch in die Erde gebuddelt, da müssten Menschen nicht zu einem Hungerlohn schuften, und da gebe es keine Kinderarbeit. In der Edelmetallscheide an der Oststraße dominiert die Technik. Die Produktionshalle ist eine Mischung aus Chemielabor und Mini-Hochofen.

Massenspektrometer misst die Anteile an Edelmetallen extrem präzise

Kleinere Mengen werden von Hand eingeschmolzen. Der Goldschmiedemeister füllt Ringe, Ohrclips und Ketten in eine feuerfeste Form und wirft den Handbrenner an. Der unterscheidet sich von den bekannten Geräten dadurch, dass er keine Spitze, sondern eine Brause hat und flächig wirken kann. Was einst Hals und Handgelenk schmückte und vielleicht lange in einer Schublade, Vitrine oder in einem Safe lagerte, verwandelt der gelernte Goldschmied in einen unscheinbaren, grau gesprenkelten Klumpen.

Sind die eingeschmolzenen Stücke nicht zu groß, landen sie direkt in Geräten, die wenig spektakulär aussehen, aber der wahre Grund sind, warum die Kunden ihren Schmuck zu Aurum und der Norddeutschen Edelmetall Scheide bringen: den industriellen Massenspektrometern im Obergeschoss. In diesen Spezialanfertigungen werden die Prüfstücke mit Röntgenstrahlen beschossen. Sie ermitteln, welches Edelmetall in welcher Konzentration im Klumpen vertreten ist.

Mehrere Tausend Watt aktivieren die Induktionsöfen

Bei dem Goldstück, das gerade analysiert wird, beträgt der Goldgehalt 75,53 Prozent. Platin ist zu gut 10 Prozent vertreten, Palladium zu knapp 8,5 Prozent, Silber zu gut 2,6 Prozent. Der Rest entfällt auf eine Reihe von Edelmetallen wie Kupfer, Nickel, Chrom oder Titan, die aber nur in kaum zu messenden Anteilen vorhanden sind. Der Kunde würde folglich anteilig Geld für Gold, Platin, Silber und Palladium bekommen. Die Kriminaltechnik arbeitet übrigens mit denselben Geräten

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Sind Mengen, die geschmolzen werden sollen, größer, kommen sie in den Induktionsofen, der mit bis zu 2200 Grad arbeitet. © Michael Schick | Michael Schick

Sind bei der Edelmetallscheide gut 20 Kilo zusammengekommen, schmeißen Gießereitechniker den Induktionsofen an. Dafür ist Strom nötig, und zwar in einer Stärke, wie sie im normalen Haushalt nicht vorkommt. Mehrere Tausend Watt aktivieren den Schmelzofen, dafür hat die Stadt Norderstedt dem Fachbetrieb ein extra dickes Kabel ins Haus gelegt und den Chef gebeten, den Ofen nicht allzu häufig in Gang zu setzen. Sonst kann schon mal die städtische Stromversorgung in die Knie gehen.

Kunden mit Herzschrittmachern haben keinen Zutritt

Der Strom aktiviert extrem hohe Magnetfelder. Die Kraft ist so stark, dass Kunden mit Herzschrittmachern keinen Zutritt haben, weil das lebensrettende Gerät aus dem Takt geraten kann. Die Magnetstrahlen wirken auf das chemische Gerüst in den Edelmetallen. „Sie ziehen die Elektronen vom Atomniveau weg und lassen sie wieder zurückprallen. Dabei wird Wärme frei, die wiederum die Metallgemische verflüssigt“, sagt die Geschäftsführerin. Bis zu 3200 Grad kann einer der Induktionsöfen erzeugen, zumeist arbeiten sie aber im Bereich von 1100 bis 1400 Grad.

Das flüssige Goldgemisch wird in eine Form gegossen, es entsteht ein großer Barren, eine homogene Masse, die die Fachleute mit Röntgenspektrometern untersuchen können. Allerdings ist der Barren zu groß für das Prüfgerät. Doch da bedienen sich die Mitarbeiter eines Kniffs. Sie spannen den Barren in einen Schraubstock und treiben einen Bohrer durch das Edelmetall und zwar an beiden Enden, damit es kein Zufallsergebnis gibt.

Die besondere Expertise der Geschäftsführerin

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Aurum-Geschäftsführerin Miriam Torbeck wiegt eine Soßenschale aus Silber für die Ersteinschätzung. © Michael Schick | Michael Schick

Die Späne, die der Bohrer erzeugt, werden wiederum zusammengeschmolzen. Erst dann wird der Klumpen mit Röntgenstrahlen beschossen. „Das darf übrigens nicht jeder, dafür schreibt die Röntgenverordnung für diese Geräte eine spezielle Genehmigung vor, die wir natürlich haben“, sagt Miriam Torbeck. Sie bringt gleich dreifache Expertise ins Unternehmen ein: als Sachverständige für Edelmetallanalytik im Verband der Gold- und Silberschmiede und Juweliere sowie als geprüfte Diamantgutachterin. Und als ausgebildete Außenhandelskauffrau mit betriebswirtschaftlichen Kenntnissen

Damit ist sie die perfekte Ergänzung zu Mathias Kruse, dem zweiten Geschäftsführer. Der gelernte Edelmetalltechniker und promovierte Zahnarzt hat die Aurum Edelmetalle GmbH 1998 inTangstedt im Kreis Stormarn gegründet. In den ersten Jahren konzentrierten er und sein Team sich auf die Legierungen für Zahnarztpraxen. Das Arbeitsgebiet wurde kontinuierlich verändert und erweitert, möglich machte die Expansion der Umzug in die neue Produktionsstätte an der Oststraße in Norderstedt.

18 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schmelzen die Edelmetalle

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Das Firmenschild der Edelmetallscheide vor dem Gebäude an der Oststraße. © Michael Schick | Michael Schick

Dort schmelzen die 18 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die Edelmetalle aber nicht nur, sie scheiden Gold und Silber auch durch chemische Prozesse wie die Elektrolyse und Nasschemie von anderen Substanzen. Und dafür braucht das Unternehmen weitere Beschäftigte wie Gießereimechaniker, Chemikanten und Anlagentechniker, die aber, so Torbeck, im Moment schwer zu bekommen sind. Auch hier zeigt sich der Fachkräftemangel.

Der schlägt bei der Edelmetallscheide besonders heftig durch, denn der Wunsch nach Geld für Gold oder umgekehrt treibt zunehmend Kunden in die Firmenräume. „In Zeiten der Verunsicherung durch Corona, Kriege und Krisen setzen die Menschen auf feste Werte wie Betongold oder eben echtes Gold“, sagt die Geschäftsführerin.