Flensburg/Kreis Segeberg. Miriam Meyer aus dem Kreis Segeberg übergab vor dem Landgericht Flensburg Protestnoten ihrer Unterstützer. Ihr droht jahrelange Haft.
Sie bezeichnet sich als hauptberufliche Klimaaktivistin und wurde durch spektakulären Aktionen für die Letzte Generation zu einem Gesicht der Organisation: Miriam Meyer (32) aus Nehms im Kreis Segeberg sprühte Privatflieger auf Sylt mit Farbe an, klebte sich auf Straßen fest, drehte Rohöl-Pipelines zu und enterte Flughafenrollbahnen. Vor dem Landgericht Flensburg muss sie nun den vielleicht größten Kampf ihres bisherigen Lebens bestehen: Sie wird dort seit dem 7. Juni von der Staatsanwaltschaft wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Ein Termin für Prozess steht noch nicht fest.
Die Staatsanwaltschaft will nicht nur Meyer für sieben Mitwirkungen an Straftaten wie Sachbeschädigung, gemeinschädliche Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und der Störung öffentlicher Betriebe belangen, wobei ein Schaden im vier- bis siebenstelligen Euro-Bereich entstanden sein soll. Sie will auch nach dem § 129 im Strafgesetzbuch die Letzte Generation über ihren Fall zur kriminellen Vereinigung erklären. Ein Unterfangen, an dem bislang andere Staatsanwaltschaften scheiterten, weil die Anwendung des sogenannten „Mafia-Paragrafen“ auf die Klimaaktivisten juristisch umstritten ist.
Letzte Generation: Miriam Meyer protestiert in Flensburg
Aufseiten von Meyer und ihren Unterstützern sorgte die Anklage für einen Sturm der Entrüstung und des Protestes. Die Letzte Generation ruft dazu auf, bis zur Eingabefrist am 16. Oktober sich mit Stellungnahmen an das Gericht zu wenden und sich darin gegen die Anklage auszusprechen.
Am Freitagmorgen machte sich Miriam Meyer persönlich nach Flensburg auf und überbrachte die bislang eingegangenen Stellungnahmen. Gemeinsam mit vier weiteren Unterstützern der Letzten Generation wurden die zahlreichen Papiere gegen 9.15 Uhr zur Stempelung einzeln an der Pforte abgegeben.
Wie Meyer mitteilte, würden die Stellungnahmen die gleiche Empörung und Fassungslosigkeit widerspiegeln wie schon die Reaktionen auf die Anklage nach § 129 gegen fünf Aktivisten der Letzten Generation, die in einem Verfahren vor dem Neuruppiner Landgericht seit Mai angeklagt sind. Auch in München läuft seit einem Jahr ein Verfahren dieser Art der Staatsanwaltschaft.
„Absurd und beängstigend!“
„Ich bin hier am Landgericht Flensburg alleine wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Diese Anklage richtet sich aber nicht nur gegen mich, sondern gegen unser aller Recht auf friedlichen Protest! Daher gebe ich jetzt diesen großen Stapel Papier ab – unser aller Stellungnahmen zu dieser Anklage“, sagte Meyer in Flensburg. „Die Verfahren in Neuruppin, Flensburg und München gehören zusammen. Sie sind alle Teil desselben Einschüchterungsversuchs, alle in gleicher Weise absurd und beängstigend.“
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Miriam Meyer droht bei einer Verurteilung eine Haftstrafe. Aus ihrer Sicht wegen ausnahmslos „friedlicher Proteste“, darunter neben dem Besprühen des Jets auf Sylt auch noch das Werfen von weißgefärbten Tennisbällen an den Münchner Landtag oder das Pflanzen von Blumen auf einem Sylter Golfplatz.
Lina Johnsen, Sprecherin der Letzten Generation, betont: „Die Flensburger Anklage scheint sich nur gegen eine von uns zu richten. Miriam soll ganz allein vor Gericht gezerrt werden. Aber gemeint und betroffen sind wir alle. Eine Justiz, die gegen friedliche Klimaaktivisten ihr schärfstes Schwert zieht, während sie die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen ungestraft geschehen lässt, eine solche Justiz ist eine Bedrohung für unsere Demokratie. Denn Demokratie braucht Protest!“
Letzte Generation: Staatsanwaltschaft sieht kriminelle Vereinigung
Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt hatte gegenüber dem Abendblatt erklärt, dass für den bevorstehenden Prozess gegen Miriam Meyer die Akten von Verfahren aus München, aus Berlin und aus Neuruppin übereinander gelegt und ausgewertet wurden. „Erst dann ergibt sich das ganze Bild“, sagte Winterfeldt.
„Wer sitzt bei der Letzten Generation an welcher Stelle, klebt sich eine Person nur fest oder ist sie in die Organisation eingebunden?“, sagt Winterfeldt. Dabei hätten sie Miriam Meyer und die Rolle, die sie in der Organisation spiele, immer im Blick gehabt. „Wir sind gespannt auf den Prozess, die Anklage ist sehr umfangreich, wir haben viele Beweismittel gesammelt und sind zuversichtlich, dass das Gericht unserer Argumentation folgen wird“, sagt Winterfeldt.