Norderstedt. Regionalligist droht Sturz auf Abstiegsplatz. Wegweisende Partie in Jeddeloh soll nach vier Pleiten in Folge die Wende bringen.

Die Mannschaftssitzung von Fußball-Regionalligist Eintracht Norderstedt nach dem 0:4 gegen den Bremer SV hatte es in sich. „Wir haben die Partie gezielt aufgearbeitet. Diese Aufarbeitung muss uns jetzt prägen. Wir wissen, was wir unseren Fans als Spieler und als Repräsentanten unseres Vereins zeigen müssen“, sagt Eintracht-Trainer Jean-Pierre Richter. Im Klartext heißt das: mehr Charakter, mehr Mentalität. „Beides hat nach dem ersten Gegentor gefehlt. Das darf nicht sein“, kritisiert Richter.

Sein Team ist nach der vierten Pleite in Serie auf Rang 15 abgerutscht, aktuell ist sogar Aufsteiger SV Todesfelde nach dem 2:0 im Nachholspiel gegen den FC Teutonia 05 (11./10 Zähler) besser. Im Fall einer weiteren Niederlage beim Tabellensiebten SSV Jeddeloh II (Sonnabend, 15 Uhr, Haskamp-Arena) droht der Sturz auf einen Abstiegsplatz. „In Jeddeloh hat unsere gemeinsame Reise angefangen. Und nur gemeinsam kommen wir aus unserer jetzigen Situation wieder raus“, erklärt Richter.

Eintracht Norderstedt: Am Sonnabend droht der Sturz auf einen Abstiegsplatz

Seine Zeit in Norderstedt lässt sich aktuell in zwei Phasen einteilen. Phase eins ist, auch wenn Richter das nicht gerne hört und stets das „Wir“ betont, die Heldengeschichte. Die geht so: Richter übernimmt Mitte März ein völlig verunsichertes Team im Abstiegskampf. Er startet mit einem 2:0 in Jeddeloh, führt die Mannschaft mit 20 Punkten aus zwölf Spielen und einem finalen 2:0 beim SC Weiche Flensburg 08 am 18. Mai zum Klassenerhalt. Inklusive epischer Jubelbilder des mit den Spielern und den Fans auf dem Zaun feiernden Übungsleiters.

Nach dem gewaltigen Umbruch im Sommer geht erst einmal alles so weiter. Drei Spiele, sieben Punkte in der Regionalliga, drei Siege in den ersten drei Runden des Hamburger Lotto-Pokals. Insgeheim darf der eine oder andere Beteiligte von einem Höhenflug träumen, wie ihn der FC St. Pauli unter Trainer Timo Schultz und später unter Coach Fabian Hürzeler hinlegte. Das Motto: Eine starke Rückrunde in die neue Saison transportieren und als Überflieger durch die Liga rauschen.

Erste Krise der noch jungen Saison beginnt am 4. Spieltag

Doch mit dem vierten Spieltag, dem 1:1 im Stadionderby beim FC St. Pauli II, beginnt die nun einen Monat andauernde Phase zwei. Richter stellt gegen die Kiezkicker Arne Exner ins Tor, obwohl Talent Dave Ceesay bis dahin stark gehalten hat. Eine umstrittene Entscheidung, die dem Vernehmen nach auch in Teilen des Teams nicht verstanden wird. Der Schachzug geht nicht auf. Exner patzt bald darauf beim 1:5 bei Holstein Kiel II, ebenso beim 1:2 daheim gegen den SC Weiche Flensburg 08.

Richter, der Exner den Status einer klaren Nummer eins nach seinen Fehlern nicht zusprechen will, wechselt wieder zurück. Doch nun ist Ceesay verunsichert. Dem 1:2 in Drochtersen folgt das 0:4 gegen den Bremer SV, bei dem auch der junge Keeper kein echter Rückhalt mehr ist.

Torhüter-Rochaden, Verletzungspech, Aluminiumtreffer

Doch es wäre viel zu einfach, die Krise der Eintracht einzig auf die gleichwohl seltsamen Torwart-Rochaden zu schieben. Verletzungspech dünnt den Kader aus, teilweise fehlen bis zu zehn Spieler. Jean-Pierre Richter gleicht das zu Beginn der Punktrunde durch taktische Kniffe aus. Sein 3-5-2-System mit zwei Stürmern aus den Halbräumen greift, viele Akteure sind flexibel, können wie Außenverteidiger Dane Kummerfeld als Innenverteidiger auch mehrere Positionen spielen. Doch ein echter Neuner, der dem Kader fehlt, wird in der Transferperiode nicht verpflichtet. Talent Jack James (zwei Saisontore) zeigt nach der Umstellung auf ein 3-4-3 als zentraler Stürmer zwar gute Ansätze, dürfte dort aber keine Dauerlösung sein.

Irgendwann schlagen die vielen Ausfälle durch. Dazu kommt fehlendes Spielglück, schon achtmal hat die Eintracht Latte oder Pfosten getroffen. „Wir brauchen mehr Überzeugung und Selbstvertrauen beim Torabschluss. Wir müssen sehr viel Aufwand betreiben, um Tore zu erzielen. Bis auf das 2:0 gegen Oldenburg am ersten Spieltag haben wir in jedem Spiel nur einmal getroffen und nun gegen Bremen zum ersten Mal gar nicht“, sagt Richter. Teilweise krasse individuelle Aussetzer in der Defensive führten aber schon zu 15 Gegentoren.

Eintracht Norderstedt: Sportchef stärkt Trainer den Rücken

Und was nun? In der vergangenen Saison sorgten fünf Pleiten in Folge für die Zurückstufung von Trainer Max Krause auf die Co-Trainer-Position. Die sechste Niederlage am Stück, das 1:3 gegen Hannover 96 II, war sein Abschiedsspiel nach der Verkündung der Entscheidung. Eine solche Entwicklung auf dem Trainerstuhl ist diesmal nicht zu erwarten, Eintracht-Sportchef Denny Schiemann hat seine klare Unterstützung für Richter bereits unmissverständlich betont.

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Das ist logisch und verständlich, Jean-Pierre Richter hat bislang viel bewegt. Doch nun ist die Krise da. Einen richtig guten Trainer zeichnet es aus, mit seinem Team schwierige Situationen zu bewältigen – und am Ende gestärkt dazustehen. Schafft Richter das oder wird das Abstiegsgespenst durch eine Pleite in Jeddeloh erst einmal Dauergast im Edmund-Plambeck-Stadion?

„Wir arbeiten im Training daran, dass wir aus unseren Möglichkeiten wieder viel mehr machen“, sagt Richter. „Wir haben gute Jungs. In Jeddeloh dürfen sie gerne mal wieder ein Tor mehr schießen als der Gegner.“ Für entspanntere Mienen aller Beteiligten wäre dies auf jeden Fall das beste Mittel.