Nehms/Flensburg. Klimaaktivistin Miriam Meyer ist wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Letzte Generation spricht von „Willkür“.

  • Klimaaktivistin Miriam Meyer von der Letzten Generation wurde von der Staatsanwaltschaft Flensburg angeklagt.
  • Ihr wird vorgeworfen, an der Bildung einer kriminellen Vereinigung beteiligt zu sein.
  • Letzte Generation spricht von „absurder Härte“.

Für Klimaaktivistin Miriam Meyer (32) aus Nehms im Kreis Segeberg und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter von der Letzten Generation steht demnächst in Flensburg viel auf dem Spiel. Das dortige Landgericht klagt Meyer an, an der Bildung einer kriminellen Vereinigung maßgeblich beteiligt zu sein. Käme die Staatsanwaltschaft mit ihrer Argumentation durch, würde der 32-Jährigen eine mögliche Verurteilung zu einer bis zu fünfjährigen Haftstrafe drohen. Und der Letzten Generation die Gleichsetzung mit verfassungsfeindlichen Gruppen wie Rockerclubs, der Mafia oder rechtsradikalen Netzwerken, was eine ganz andere Qualität in der Strafverfolgung und Überwachung für die Klimaaktivisten nach sich zöge.

Meyers Unterstützerinnen und Unterstützer bei der Letzten Generation sind entsetzt über die Anklage. Letzte-Generation-Sprecher Rolf Meyer spricht von „Willkür und absurder Härte“, mit der seitens des Landgerichtes Flensburg gegen „den friedlichen Protest“ vorgegangen werde.

Letzte Generation: Klimaaktivistin Miriam Meyer vor Gericht

„Gerade in Zeiten der eskalierenden Klimakatastrophe, in der rechtsextreme Kräfte an unseren Grundwerten sägen, darf kein Mensch sich davor fürchten, aktiv zu werden, um unsere Demokratie zu schützen“, teilt Meyer mit. „Die Anklage hat aber genau das zum Ziel: Abschreckung und Einschüchterung. Dieser massive Angriff auf unsere aller Grundrechte darf nicht unkommentiert bleiben!“

Bernd Winterfeldt, Oberstaatsanwalt in Flensburg, betonte gegenüber dem Abendblatt, dass man sich viel Mühe mit der Strukturermittlung bei der Letzten Generation gemacht habe. Letztlich hängt davon auch die Kategorisierung als kriminelle Vereinigung ab. „Wer sitzt bei der Letzten Generation an welcher Stelle, klebt sich eine Person nur fest oder ist sie in die Organisation eingebunden?“, sagt Winterfeldt. Dabei hätten sie Miriam Meyer und die Rolle, die sie in der Organisation spiele, immer im Blick gehabt. „Wir sind gespannt auf den Prozess, die Anklage ist sehr umfangreich, wir haben viele Beweismittel gesammelt und sind zuversichtlich, dass das Gericht unserer Argumentation folgen wird“, sagt Winterfeldt.

In Flensburg wendet die Staatsanwaltschaft den Paragrafen 129 des Strafgesetzbuches an, landläufig auch als „Mafia-Paragraf“ tituliert, weil er besonders bei der organisierten Kriminalität Anwendung findet. Noch kein Gericht in Deutschland hat die Letzte Generation als kriminelle Vereinigung eingestuft, unter Juristen ist das hochumstritten. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt seit einem Jahr gegen fünf Aktivisten (darunter auch Miriam Meyer) wegen des Verdachts, Mitglieder einer kriminellen Vereinigung zu sein. Die Kollegen in Neuruppin haben im Mai die erste Anklage auf Basis des Paragrafen 129 gegen zwei Aktivisten erhoben. 

Klimaaktivistin Miriam Meyer: „Ja, ich habe Angst!“

In Flensburg steht Miriam Meyer im Gegensatz zu diesen Verfahren als Einzelperson vor Gericht. Im Interview mit Petra Dreu von den „Lübecker Nachrichten“ verriet Miriam Meyer, dass ihr dieser Umstand sehr zu schaffen macht. „Ja, ich habe Angst, weil das Ausmaß so riesig sein kann. Und es macht mir Angst, dass ich allein angeklagt bin. Davon hängt ab, ob die gesamte Letzte Generation als kriminelle Vereinigung eingestuft wird.“

Aus Meyers Sicht ist die Letzte Generation auf keinen Fall eine kriminelle Vereinigung. „Wir leisten friedlichen, zivilen Widerstand. Das ist ein wichtiger Teil der Demokratie. Wir wollen auch nicht das System umstürzen, haben eher Angst, dass die Klimakrise das System stürzen wird. Bei uns den „Mafiaparagrafen“ heranzuziehen, ist ein Unding. Wir bereichern uns nicht, wir haben im Gegenteil nur Nachteile. Wir werden angeschrieben, müssen Strafen zahlen. Den einzigen Vorteil, den wir haben, ist das gute Gewissen, etwas getan zu haben.“

„Menschen gegen Öl“ unterstützen Meyer

Meyers Anwältin hat inzwischen die kompletten Akten der Staatsanwaltschaft Flensburg erhalten und nun fünf Wochen Zeit, um hierzu Stellung zu nehmen.  Am 16. Oktober laufe hierfür die Frist ab, teilt die Letzte Generation mit. Eine Zeitspanne, die das Bündnis „Menschen gegen Öl“ für eine Unterstützungs-Kampagne für Miriam Meyer nutzen will.

Das Bündnis ist ein Zusammenschluss von angeblich 2000 Menschen, nach Selbstbeschreibung „Rechtsexpert:innen, Unterstützer:innen der Klimagerechtigkeitsbewegung und Bürger:innen einer aktiven Zivilgesellschaft“, initiiert vom Verein „Rückendeckung für eine Aktive Zivilgesellschaft“ (RAZ), der die Gerichtsverfahren der Letzten Generation begleitet.

Letzte Generation: Entrüstungssturm über Flensburg

Das Bündnis „Menschen gegen Öl“ ruft nun die Zivilgesellschaft zur Stellungnahme auf. Auf der Website des Bündnisses könne man ein Formular ausfüllen, das direkt an das Landgericht Flensburg geschickt wird. Diese Stellungnahmen müssten dann als Teil der Akte von Staatsanwaltschaft und Gericht gelesen werden. Das Bündnis hofft auf einen Entrüstungssturm, der auf die Staatsanwaltschaft Flensburg niedergehen soll.

Auf der Seite mit dem Formular äußert sich die Klimaaktivistin Miriam Meyer über die Motivation hinter ihrem Handeln: „Ich wünsche mir von der Gesellschaft, dass wir an uns ranlassen, was die Klimakrise ganz konkret für unser Leben und das der gesamten Menschheit bedeutet.“ In Flensburg wird verhandelt werden, wie die Mittel strafrechtlich einzuschätzen sind, mit denen Meyer versucht, diesen Wunsch wahr werden zu lassen. Ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest.