Norderstedt. Seit 20 Jahren bietet Susanne Graf ehrenamtlich Therapie auf Pferden an. Jetzt muss sie die ihr zustehende Stundenzahl reduzieren.

Seit über 20 Jahren bietet Susanne Graf in Norderstedt „Reiten für besondere Kinder“ an. Kinder und Jugendliche mit allen Arten von Beeinträchtigungen, darunter auch Schwerst- und Mehrfachbehinderungen, bekommen bei ihr therapeutische Hilfe – auch die Aktion „Von Mensch zu Mensch“ vom Hamburger Abendblatt unterstützt dieses Projekt finanziell. Doch jetzt schlägt Susanne Graf Alarm: Ihre Arbeit ist akut gefährdet. Weil der Reitstall auf eine Reduzierung der Stundenzahl besteht, können nicht mehr alle 20 Kinder betreut werden.

Für mindestens zehn Kinder bedeutet das einen erheblichen Rückschlag: Sie müssen auf diese therapeutische Hilfe verzichten, wenn Susanne Graf nicht ganz schnell einen anderen Reiterhof findet, auf dem sie ihre Pferde unterbringen kann. Bisher war die Suche vergeblich.

Therapie auf dem Pferderücken: Das ehrenamtliche Projekt ist akut gefährdet

Maja (19) ist eine junge Frau, die schon seit 13 Jahren regelmäßig einmal in der Woche therapeutische Hilfe von Susanne Graf bekommt, weil sie körperbehindert ist. Wie es mit Maja weitergeht, wissen weder sie selbst, noch ihre Eltern oder Susanne Graf: Sollte in den nächsten Wochen kein neuer Reiterhof in Norderstedt oder Umgebung gefunden werden, muss ungefähr die Hälfte der aktuell 20 Kinder zu Hause bleiben. Die Besitzerin des Reitstalls erlaubt ihr die Aktivität nur noch an drei Tagen in der Woche.

Bis Ende September muss eine Entscheidung getroffen werden: Entweder es wird ein neuer Reiterhof gefunden, oder die Kinder- und Jugendlichen müssen gehen. „Eine schwierige Situation für uns alle“, sagt Susanne Graf. „Wir haben daher schon auf vielen Höfen nachgefragt. Es ist allerdings sehr schwierig einen neuen Platz zu finden.“ Viele Stallbetreiber, so hat sie bei ihren Recherchen festgestellt, können sich nicht vorstellen können, dass die Arbeit auf dem Hof integrierbar wäre. 

Das nötige Geld für die Unterbringung und Haltung der Pferde ist nicht mehr vorhanden

Seit über 20 Jahren bietet Susanne Graf Reiten mit behinderten Kindern an. Jetzt ist die Arbeit gefährdet, weil sie vom Stall, wo ihre drei Pferde untergebracht sind, eine Teilkündigung erhalten hat.
Seit über 20 Jahren bietet Susanne Graf Reiten mit behinderten Kindern an. Jetzt ist die Arbeit gefährdet, weil sie vom Stall, wo ihre drei Pferde untergebracht sind, eine Teilkündigung erhalten hat. © Susanne Graf | Susanne Graf

Andere Ställe sind wiederum doppelt so teuer wie der, auf dem die Pferde jetzt stehen. „Wir hatten auch Kontakt zu entgegenkommenden Stallbesitzern, aber ohne Überdachung oder umliegendes Reitgelände kamen die leider nicht in Frage.“ Einen großen finanziellen Spielraum hat die in Henstedt-Ulzburg lebende Susanne Graf ohnehin nicht: Die Arbeit mit den behinderten Kindern und Jugendlichen wird von ihr und ihren Helferinnen und Helfern ehrenamtlich geleistet.

Die Einnahmen aus dem Therapiereiten und die Unterstützung eines eigens dafür gegründeten Fördervereins decken die Kosten für die Unterbringung und die Nutzung des Reitgeländes. Auch das Futter und die Kosten für Hufschmied und Tierarzt werden davon bestritten. Das aktuelle Problem: Weniger Kinder bedeuten auch weniger Einnahmen. Das nötige Geld für die Unterbringung und Haltung der Pferde ist dann nicht mehr vorhanden.

Auch eine Hamburger Sonderschule ist von dem drohenden Aus betroffen

Maja (19) genießt die Gegenwart der Pferde schon seit 13 Jahren. Wenn sie im Auto sitzt, bekommt das Pferd noch ein Leckerli. Majas Rücken ist versteift, das Reiten verschafft ihr Linderung.
Maja (19) genießt die Gegenwart der Pferde schon seit 13 Jahren. Wenn sie im Auto sitzt, bekommt das Pferd noch ein Leckerli. Majas Rücken ist versteift, das Reiten verschafft ihr Linderung. © Susanne Graf | Susanne Graf

Von der Entwicklung betroffen wären auch Kinder der Kurt-Juster-Schule, einer staatlichen Sonderschule in Hamburger-Alsterdorf: Einmal in der Woche kommen Kinder aus fünf Grundschulklassen, um in Norderstedt bei Susanne Graf zu reiten. Unterstützt wird diese besondere Aktion von der Abendblatt-Initiative „Von Mensch zu Mensch“.

Die 63 Jahre alte Susanne Graf hat zwar eine jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit behinderten Kindern und Jugendlichen, ist jedoch keine ausgebildete Therapeutin. Ihr Angebot „Reiten für besondere Kinder“ beinhaltet eine therapeutische Hilfestellung vergleichbar mit einer Hippotherapie. „Dabei ist es wichtig, dass die Kinder Spaß haben und dadurch gern mitarbeiten“, sagt Susanne Graf, die selbst ein behindertes Kind hat. „Es werden alle Sinne angesprochen! Die Bewegung der Pferde setzt, je nach Behinderung, viele verschiedene positive Prozesse in Gang.“

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Dabei werden der Gleichgewichtssinn, die Atmung, die Körperwahrnehmung und vieles mehr angesprochen. Spastische Spannungen werden gelockert und Haltungsdefizite verbessert. Viele Eltern, die ihre Kinder in die Obhut von Susanne Graf und ihrem Team geben, bestätigen das. Von den Krankenkassen werden Kosten für die Reitstunden nicht übernommen. Die Eltern zahlen sie aus eigener Tasche.

Ein neuer Reiterhof muss schnell gefunden werden, damit die Reittherapie weiter gehen kann

Wie wichtig das Reiten für behinderte Kinder ist, hat Susanne Graf gespürt, als sie ihrem zweiten Sohn, der an einer spastischen Lähmung aller vier Extremitäten leidet, 2002 regelmäßig auf ihr Pferd setzte und dabei die positiven Folgen bemerkte. Während einer dreijährigen Tätigkeit in einem integrativen Kindergarten hat sie viele Arten von Behinderungen kennengelernt. Durch ihre enge Zusammenarbeit mit einer Physiotherapeutin sammelte sie weitere Erfahrungen. 

Susanne Graf sucht jetzt verzweifelt nach einem neuen Hof, auf dem sie ihre Pferde unterbringen und therapeutische Reitstunden anbieten kann. Wer helfen will, kann Susanne Graf per E-Mail unter graf.susisanne@online.de erreichen.