Norderstedt. Aus dem Umbau an der Europaallee macht die Polizei ein großes Geheimnis. Was dort geplant ist und worauf sich Bürger einstellen müssen.
Die Baustelle an der Europaallee in Norderstedt ist nicht zu sehen. Was dort hinter den Mauern genau geschieht, bleibt ein Geheimnis. Seit Mai wird das Gebäude des Polizeireviers und der Kripo im Inneren umgebaut, doch Einzelheiten darüber rückt die Polizei nicht heraus.
Für die Norderstedter Bürger sind die Bauarbeiten spürbar: Wer eine Anzeige erstatten will, eine Vorladung zu einer Befragung erhalten hat oder sich über polizeiliche Themen informieren will, muss in ein Provisorium gehen. Die Schutzpolizei hat im benachbarten Finanzamt vorübergehend eine neue Wache eingerichtet. Das erfährt aber nur der Bürger, der vor Ort ist. Im Internet sind Hinweise auf die vorübergehende Dienststelle nicht zu finden.
Doch auch vor Ort ist es nicht immer leicht, sich zurechtzufinden. Die Treppe zum Eingang des alten Reviergebäudes ist mit einem rot-weißen Flatterband versperrt. Von dort aus sind die schriftlichen Informationen nicht zu erkennen, die auf die Dienststelle nebenan hinweisen. Nur wer direkt vor dem Gebäude steht, kann die beiden Zettel an der Eingangstür oberhalb der Treppe entziffern – einen auf deutsch in kleiner Schrift und einen in größerer Schrift auf englisch. Wer es eilig hat, steht vermutlich ratlos vor dem Flatterband.
Norderstedt: Wo geht es bitte zum Polizeirevier?
Inzwischen steht fest, dass die Zwischenlösung länger als geplant andauern wird: Ging die Polizei zunächst von einer Bauzeit von acht Monaten aus, so steht inzwischen fest, dass es wohl zwölf Monaten dauern wird. Besetzt ist das Revier auch im Finanzamt rund um die Uhr. An der telefonischen Erreichbarkeit über den Notruf 110 und die Amtsnummer 040/52 80 60 ändert sich ebenfalls nichts.
Warum hält die Polizei Einzelheiten geheim, was genau in dem Bau geschieht? Aus Sicherheitsgründen, heißt es bei der Polizei. Sie will verbergen, wo sich welcher Raum befindet, welche Sicherheitstechnik verbaut wird und wie der besonders gefährdete Eingangsbereich gestaltet wird. Dort ist der Umbau dringend notwendig und wird vom Polizeirevier bereits seit Jahren nachdrücklich gefordert.
Polizei Norderstedt: Sicherheit und Datenschutz nich gewährleistet
Denn das Foyer konnten die Polizisten nur mit Problemen sichern. Besucher, die einmal im Gebäude sind, können mühelos in die Büros gelangen. Manchmal sitzen Festgenommene neben Bürgern, die eine Anzeige aufgeben wollen. Auch ein sicherer Raum für erste Vernehmungen fehlt. Bislang mussten die Beamten Büros nutzen, in denen sie sich bei einem Angriff mit Kugelschreibern oder anderen Schreibtischutensilien mühsam verteidigen könnten. Auch der Datenschutz war kaum zu gewährleisten.
Bekannt ist immerhin, dass nach der Modernisierung ein neuer Wachtresen und eine neue Sicherheitsschleuse zur Verfügung stehen werden. Hinzu kommt ein Raum für sogenannte polizeiliche Sofortmaßnahmen wie erste Befragungen und Identitätsfeststellungen. Die Beamten der Kripo arbeiten weiter im ersten Stock des Altbaus.
Die Modernisierung erfolgt, obwohl langfristig ein kompletter Neubau für die Schutzpolizei und die Kripo geplant ist. Dieser soll auf dem Gelände des benachbarten Finanzamtes entstehen, das die Beamten jetzt als Provisorium nutzen und das abgerissen werden soll, um Platz für die Polizei zu schaffen. Voraussichtlich im Jahr 2029 soll Eröffnung gefeiert werden. Das Land geht von einem Baubeginn im Jahr 2027 und Kosten in Höhe von 30 Millionen Euro aus.
Polizei: Auch das Innenministerium bleibt vage
Der derzeitige Umbau kostet 588.000 Euro. Auch das Innenministerium bleibt bei den Informationen über Einzelheiten vage. „Der Umbau des Wachbereichs erfolgt, um den Kolleginnen und Kollegen bis zu einem geplanten Neubau einen kontrollierten Zugang zur Verfügung stellen zu können und damit den aktuellen Sicherheitskonzepten in diesem Bereich gerecht zu werden“, sagte Ministeriumssprecherin Jana Hämmer.
Polizei trainiert im Keller, aber nicht mit allen Waffen
Möglicherweise steht der Norderstedter Polizei erst dann auch eine neue Schießbahn zur Verfügung. Die Anlage im Keller des Altbaus ist ebenfalls dringend renovierungsbedürftig und musste wegen Rohrbrüchen und anderer Probleme immer wieder stillgelegt werden. Derzeit dürfen die Polizisten dort mit ihren Dienstpistolen trainieren, nicht aber mit den sogenannten Mitteldistanzwaffen, die die Landespolizei neu angeschafft hat. Diese Gewehre ersetzen die alte Maschinenpistolen und sind mit einem 9-Zoll-Rohr, Rotlichtvisier, einer Leuchte sowie Schalldämpfer ausgerüstet.
Doch der Übungsbetrieb für diese neuen Waffen wurde in den Liegenschaften der Polizei gestoppt. Nicht nur in Norderstedt, sondern im ganzen Land Schleswig-Holstein. Nach Informationen der Gewerkschaft der Polizei (GdP) droht von den Geschossen eine Gefahr. „Diese treten offenbar bei einem Schuss in den Boden wieder aus und können durch Abpraller zu einer Gefahr für unsere Kolleginnen und Kollegen werden“, schrieb die GdP vor wenigen Wochen.
Landesregierung reagiert auf die Kritik der Gewerkschaft
Der stellvertretende GdP-Landesvorsitzende Sven Neumann sagte dazu: „Bereits im September 2023 hat die GdP gefordert, die Schießstätten zeitnah zu ertüchtigen. Durch die neue Situation kommt es offenbar zu einer Verschärfung der Situation. Wir fordern die Landesregierung auf, zeitnah zusätzliche Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen, um die desolate Situation auf den Schießstätten der Landespolizei zu beheben.“
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Schießbahnen: Land stellt 50 Millionen Euro zur Verfügung
Inzwischen hat die Landesregierung auf die Kritik reagiert. Nach Informationen der GdP stellt sie für die Sanierung der maroden Schießbahnen 50 Millionen Euro zu Verfügung. Damit stehen voraussichtlich auch die Mittel für die Sanierung in Norderstedt bereit. Demnächst werden im Reviergebäude Spezialisten des Landespolizeiamtes erwartet, die die Schießbahn untersuchen werden. Am Ende der Prüfungen soll feststehen, ob die Anlage im Altbau modernisiert wird oder ob erst im Neubau eine moderne Schießbahn entsteht.
In beiden Fällen endet damit ein weiteres Provisorium: Polizisten aus dem Kreis Segeberg weichen zu Schießübungen regelmäßig auf den Übungsplatz der Bundeswehr in Boostedt aus.