Norderstedt. Marco Schmidt war ein Lügner und Betrüger, verzockte 250.000 Euro. Warum der 35-Jährige für die Arbeit mit jungen Straftätern so wichtig ist.
- Der Kriminalpräventive Rat (KPR) Norderstedt hat das Projekt „Mach was!“ ins Leben gerufen.
- Dafür werden ehrenamtliche Coaches gesucht, die junge Menschen auf ihrem Weg unterstützen.
- Marco Schmidt, Freigänger aus der Norderstedter Justizvollzugsanstalt Glasmoor, unterstützt ebenfalls Jugendliche.
„Mach was!“ heißt das Projekt mit der Aufforderung: „Hol dir einen Coach! Erreiche deine Ziele!“ Formuliert vom Kriminalpräventiven Rat (KPR) Norderstedt. Mit dem Ziel, straffällig gewordene junge Menschen zwischen 14 und 20 Jahren, die ihre bisherige, meist kriminelle Karriere beenden wollen, auf ihrem Weg in ein selbstbestimmtes (Berufs-)Leben zu begleiten.
Der KPR, so sei kurz erklärt, ist eine 1995 gegründete unabhängige Einrichtung der Stadt Norderstedt. Schirmherrin ist die Oberbürgermeisterin, Geschäftsführerin die Leiterin des Jugendamtes. Die Aufgabe dahinter: den Bereich der kommunalen Kriminalitätsentwicklung zu unterstützen und das subjektive Sicherheitsgefühl der Einwohner zu stärken.
Norderstedt: Ehrenamtliche Coaches für Jugendliche gesucht
Für das Projekt „Mach was!“ sucht Wolfgang Banse, Leiter der Arbeitsgruppe Jugend beim KPR, ehrenamtliche Coaches (Mindestalter 25) aus Norderstedt und Umgebung, die die jungen Menschen begleiten – auf dem Weg zum Schulabschluss, bei der Suche nach Wohnung, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz, der Schulden- oder Drogenberatung, Schadenswiedergutmachung und mehr.
Warum ist das Projekt so wichtig? Weil es immer öfter vorkomme, dass straffällig gewordene junge Heranwachsende nicht wissen, wie sie ihr bisheriges Leben ändern können. Und das, obwohl sie es nach eigener Aussage endlich wollen und bei ihren Vernehmungen auch erklären, so Banse, der 42 Jahre Polizist war, davon 20 Jahre im Bereich Jugendkriminalität.
Viele Schicksale habe er erlebt, die hätten verhindert werden können. Auch im Ruhestand ist es das Herzensprojekt des 72-Jährigen, Jugendliche vor dem Abgleiten in die Kriminalität zu bewahren. Und deshalb ist er seit 1997 im KPR mit an Bord.
Marco hat sechs Jahre Gefängnis aufgebrummt bekommen
Vor zwei Monaten hat Banse nun einen ganz besonderen Mitstreiter mit ins Boot genommen: Marco Schmidt. Weil dessen eigene Geschichte überzeugend zeige, dass sich jeder ändern kann – wenn er nur will.
Über den 35-Jährigen hat das Abendblatt bereits mehrfach berichtet. Im März 2023 erzählte Marco unter der Headline „Ich war ein Lügner, Betrüger, ein Krimineller“ erstmalig schonungslos von seinem ehemals kriminellen Weg. Marco ist spielsüchtig. Einer von rund 360.000 Menschen in Deutschland. Spielsüchtig nach Sportwetten – und das, seitdem er 20 ist. 250.000 Euro hat er verzockt. Freunde, Familie und Arbeitgeber belogen und betrogen. Dafür hat der gelernte Sport- und Fitnesskaufmann sechs Jahre Gefängnis aufgebrummt bekommen.
Norderstedt: Als Freigänger betreut Marco einen 18-jährigen Straftäter
Mittlerweile ist Marco Freigänger in der Norderstedter Justizvollzugsanstalt Glasmoor. Nach umfangreicher Schulung betreut er nun als Coach für den KPR einen 18-jährigen Norderstedter, der zuvor wegen Körperverletzung und Raub in Untersuchungshaft saß. Mittlerweile wurde dessen anderthalbjährige Haftstrafe für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
Das in ihn gesetzte Vertrauen will der junge Norderstedter positiv für sich nutzen. Zusammen mit Oliver Jankowski (50) von der Jugendgerichtshilfe der Stadt hat er eine „To-Do-Liste“ für seinen Weg in ein neues Leben erstellt. Die arbeitet er nun sukzessive mit seinem Coach Marco ab. Einmal pro Woche treffen sich die beiden. Um Sport zu treiben oder – wie aktuell–, um Bewerbungsschreiben zu formulieren für einen Ausbildungsplatz im Handwerksberuf.
Marcos Herzensprojekt ist der Verein „Sport statt Straße“
Für Marco, der während seines Freigangs 44 Stunden pro Woche in einer Jugendeinrichtung arbeitet, daneben soziale Arbeit studiert und den Verein „Sport statt Straße“ gegründet hat, ist auch die Zeit mit dem 18-Jährigen sinnstiftend und bereichernd, weil er spürt: „Der Junge möchte die Chance auf ein besseres Leben wahrnehmen. Ich biete ihm einen geschützten Raum, in dem er sich auch mal auskotzen kann, ohne dass ich das protokolliere. Ich lebe ihm Struktur vor. Das gibt auch mir einen Push und macht mich stärker auf meinem eigenen Weg.“
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Zu seinem eigenen Weg in ein besseres Leben zählt auch Marcos Herzensprojekt „Sport statt Straße e.V. “, dessen Logo er mittlerweile auf seinem Handrücken tätowiert hat. „Auch mit unserem Verein wollen wir ein starker Begleiter der Jugend sein. Zum einen klären wir in Schulen und Einrichtungen über die Themen Sucht und Kriminalität auf. Zum anderen testen wir spielerisch mit gemeinsamen sportlichen Aktivitäten und Wettkämpfen Grenzen und Regeln aus, die es zu verstehen und akzeptieren gilt.“
Ziel des Norderstedter Projektes: Raus aus dem Tunnel der Kriminalität
„Menschen wie Marco brauchen wir“, sagt Banse, der den 35-Jährigen 2023 auf dem Tag des Ehrenamtes kennengelernt hat, abschließend. „Weil er offen und authentisch zeigt, dass es immer einen Weg aus der Kriminalität gibt. Und so das größte Potenzial hat, Jugendliche an die Hand zu nehmen und zu begleiten – raus aus dem Tunnel der Kriminalität.“
Mehr Infos zum Projekt „Mach was!“ gibt es hier. Sie möchten Coach werden? Dann kontaktieren Sie Wolfgang Banse: 040/5231687 oder info-kpr-norderstedt@wtnet.de. Mehr Infos zum Verein „Sport statt Straße“ unter www.sportstattstrasse.de.