Bad Segeberg. Eröffnung der Karl-May-Spiele: Ministerpräsident Günther rüffelt seinen Minister. Und Winnetou singt am Ende ganz in Weiß.
Darauf haben die eingeschworenen Karl-May-Fans schon lange gewartet: Ein bis über beide Ohren verliebter Winnetou. Pech für den jungen Apachenhäuptling allerdings, dass es noch zwei weitere Männer des Wilden Westens gibt, die ebenfalls in die wunderschöne Häuptlingstocher Ribanna verknallt sind. Diese Grundkonstellation bildet die Ausgangssituation für das neue Karl-May-Stück, dass vor den Zuschauern in der Kalkberg-Arena von Bad Segeberg ausgebreitet wird. „Winnetou II – Ribanna und Old Firehand“ feierte eine grandiose Premiere. 7500 Besucher waren von dem Spiel um Liebe, Intrigen und Schurkereien begeistert.
Winnetou und seine Freunde mussten am Abend der Premiere natürlich nicht nur gegen die Feinde um den fiesen Emery Forster und Colonel Webster kämpfen, sondern auch gegen Feinde auf einem ganz anderen Lager: Weil parallel zur Aufführung auch das EM-Spiel Deutschland gegen Dänemark stattfand, war die Aufmerksamkeit einiger Zuschauer vielleicht ein wenig geteilt. Der allgemeinen Stimmung und der guten Laune allerdings konnte dieser Umstand kaum etwas anhaben.
Karl-May-Premiere: Ein Abend voller Abenteuer und Emotionen
Claus Ruhe Madsen, Schleswig-Holsteins dänischer Minister, erschien im Dänemark-Trikot und musste sich dafür einen leichten Anranzer von Minsterpräsident Daniel Günther gefallen lassen. Nicht im Ernst natürlich. Der Ministerpräsident hatte wieder die Ehre den Startschuss in die Karl-May-Saison 2024 zu geben.
Die Aufmerksamkeit galt den Akteuren auf der Bühne. Und die bereiteten dem Publikum ein grandioses Schauspiel vor der einmaligen Naturkulisse des Segeberger Kalkbergs. Nur selten war ein Karl-May-Stück so voller Emotionen, Spannung, Humor und Actionszenen. Bühnenautor Michael Stamp – ein Routinier, der seit 25 Jahren für die Bühnenfassungen verantwortlich ist – mixte mit gewohnter Qualität ein buntes Potpourri aus allen Elementen, die ein solches Stück unterhaltsam und familientauglich machen.
Alexander Klaws ist ein athletischer Winnetou mit zarten Saiten
Nicolas König, nach 2023 zum zweiten Mal Regisseur der Karl-May-Spiele, kann sich auf ein bewährtes Ensemble stützen, das wie immer um einige Gaststars bereichert wurde. Alexander Klaws gibt den Winnetou gewohnt frisch und athletisch. Er ist auf dem besten Weg, in Bad Segeberg ein Volksschauspieler zu werden. Als überaus smarter Old Firehand wird TV-Serien-Star Jan Hartmann zum Publikumsliebling, der vor allem bei den Zuschauerinnen viele Pluspunkte verbuchen kann. Dieser Mann ist eigentlich viel zu gut für den Harten Westen Karl Mays, in dem Faustrecht und Revolver regieren.
Der Fiesling Emery Forster ist ein skrupelloser Ölbaron, der alle kontrolliert und jeden hasst – vor allem den Westmann Old Firehand. Nick Wilder, der Mann aus Montana, spielt den Obergangster, der vor keiner Methode zurückschreckt, um das Land des Stammes der Assiniboine unter seine Kontrolle zu bringen. Denn tief im Boden schlummert Erdöl.
„Spiel mir das Lied vom Tod“ trifft auf AC/DC und Motörhead
Der hartgesottene Forster ist zwar ein fieser, aber nebenbei auch recht musikalischer Typ, der seiner Mundharmonika allerhand interessante Melodien entlockt. Zum Beispiel die berühmte Mundharmonika-Melodie aus dem Film „Spiel mir das Lied vom Tod“, aber auch einen Anflug von Hardrock: Als er auf den Felsen in der Mitte der Bühne klettert und sein Instrument zückt, kommt es zu einer der unterhaltsamsten Szenen der Aufführung.
Zusammen mit einem Banjospieler erklingt die Countryfassung des AC/DC-Titels „Thunderstruck“ mit stampfenden Rythmus. Der Statist mit dem Banjo ist in eine Schuluniform geschlüpft, wie sie AC/DC-Leadgitarrist Angus Young bei den Konzerten trägt. Und als zusätzlicher Gag feuert Joshy Peters als korrupter Colonel Webster die Musiker an – er tritt in der Maske des Motörhead-Gründers Ian „Lemmy“ Kilmister auf. Metal-Giganten auf der Karl-May-Bühne. Auf diese Idee muss man erstmal kommen. Karl May hätte hoffentlich seinen Spaß daran gehabt.
Joshy Peters und Alexander Klaws spielen die ergreifendste Szene
Emotionale Liebes- und harte Actionszenen wechseln sich in einem atemberaubenden Tempo ab. Ribanna, die von TV-Serienstar Sila Sahin sehr tough gespielt wird, liebt zunächst Winnetou, dann aber doch lieber Old Firehand. Gangster Tim Finnetey, der unter dem Namen Parranhoh zum weißen Häuptling der Poncas wurde, begehrt Ribanna auch. Aber der hat schon mal gar keine Chance bei ihr. Gespielt wird der Gangster in gewohnt rauher Manier von Regisseur Nicolas König.
Als Winnetous Vater seinem Sohn im Traum erscheint, erleben die Zuschauer die vielleicht schönste Szene des Abends: Intschu-tschuna, ebenfalls gespielt von Joshy Peters, gibt Winnetou einen väterlichen Ratschlag voller Weisheit: Er solle seinem Herzen folgen und Ribanna freigeben. Winnetou folgt dem Rat seines Vaters, Old Firehand übernimmt.
Humor und Action machen die Premiere zu einem Erfolg
Die vielen Actionszenen und die gehörige Prise Humor machen „Winnetou II – Ribanna und Old Firehand“ insgesamt zu einem sehenswerten Theaterereignis. Überall knallt es, in jedem Bereich der Arena stecken Überraschungen. In der Westernstadt New Venango lodern Flammen auf mehreren Metern Länge. Im Soldaten-Lager, dem Fort Ripley, stürzt nach einer Explosion ein Teil der Holzpalisade um. Mit ihr fliegt ein Soldat meterweit durch die Luft – exakt sieben Meter geradeaus und dann sieben Meter hinab in die Tiefe. Das alles wird vom promovierten Stuntkoordinator Steve Szigeti und seinem siebenköpfigen Team realisiert.
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Für den Humor sorgen der absurde Westmann Tante Droll, mit sächsischem Dialekt herrlich gespielt von Volker Zack, und die Snuffles-Zwillinge (Patrick L. Schmitz und Stephan A. Tölle), die sich in wandelnden Fässern verstecken, um den Geheimnissen auf die Spur zu kommen. Sie finden schließlich gemeinsam heraus, was Forster und Webster treiben, um an die reichen Erdölvorkommen unter den Jagdgründen der Assiniboine zu kommen. Für Lacher sorgt auch dieser Ausspruch: „Ribanna, ist das nicht eine Sängerin?“
Showdown hoch oben in einer Berghütte, dann singt Aleander Klaws
Der Showdown schließlich findet in einer Hütte hoch oben in den Bergen des Segeberger Wilden Westens statt. Feuer und Explosionen trennen schließlich die Guten von den Bösen. Das sieht atemberaubend aus und verfehlt nicht seine Wirkung auf das Publikum. Bühnenbildner Erik Rüffler hat sich die Szenerie ausgedacht.
Nach einem etwas holprigen Beginn, versöhnt das Karl-May-Ensemble mit einem tollen Endspurt, bunten Bildern, flotter Musik und einem rasanten Höhepunkt. Den Schlussakkord setzt schließlich Winnetou persönlich: Alexander Klaws hatte extra für die Karl-May-Premiere den Song „No more hate“ komponiert. Ganz in weiß gekleidet singt er um 23.30 Uhr bei beginnendem Regen den Song, der nahtlos in ein grandioses Feuerwerk übergeht. Großes Theater also zum Abschluss der Karl-May-Premiere 2024.