Norderstedt. Während in London die WM läuft, floriert beim SV Friedrichsgabe die Darts-Sparte. Der Sport wird aus vielen Gründen immer angesagter.

Gabriel Clemens, Martin Schindler, Ricardo Pietreczko, Dragutin Horvat, Florian Hempel – vor ein paar Jahren wären diese Sportler höchstens Insidern ein Begriff gewesen. Doch mit der stetig wachsenden Popularität des Darts, verbunden mit dem Kult-Faktor der Weltmeisterschaft, die in diesen Tagen im Alexandra Palace („Ally Pally“) in London stattfindet, wissen immer mehr Menschen etwas anzufangen mit den fünf deutschen Teilnehmern der WM. Darts ist auf dem Weg zum Volkssport, nicht mehr nur in Kneipen zu Hause, sondern in vielen Vereinen. So auch in Norderstedt beim SV Friedrichsgabe, dessen Pfeil-Spezialisten Abendblatt-Mitarbeiter Timo Reinke besucht hat.

Die Sparte ist in der ersten Etage des Vereinsheims an der Lawaetzstraße beheimatet. Der „Große Saal“ steht ganz im Zeichen von Darts. Ein alter Tresen aus der verwaisten Vereinskneipe wurde hier von den Mitgliedern in Eigenregie wieder aufgebaut und zu neuem Leben erweckt. Es gibt keinen Alkohol, höchstens mal ein moderates Bier. Der Tresen ist aus dunklem Holz gefertigt, die Stühle sind mit rotem Kunstleder bezogen.

Kultsport Darts beim SV Friedrichsgabe in Norderstedt: „Blöde Sprüche gibt es hier nicht“

Das Training findet dienstags und mittwochs statt, jeweils von 19 bis 22 Uhr. Diesmal sind 13 Mitglieder am Start. Die Atmosphäre ist ruhig, leises Gemurmel unter den Spielern, die sich im Sparring jeweils zu zweit an einer Scheibe duellieren. Inhalte des Gemurmels sind Smalltalk oder Fachsimpelei. Dazu das stete Ploppen der Darts, wenn sie sich mit ihrer Spitze (Tip) in das anvisierte Feld des Boards bohren. Plopp. Plopp. Plopp.

Alle wollen hier nach der Arbeit den Kopf freibekommen, gesellig klönen und den Abend genießen. Einige Mitglieder tragen beim Training ihre schwarz-roten Vereinstrikots. Dazu schwarze Hosen und schwarze Schuhe. Schon schick. Erinnert an das fesche Auftreten von Snooker-Profis. Im Spielbetrieb des SHDV (Schleswig-Holsteinischer Dart-Verband) ist der SVF mit fünf Teams von Oberliga bis Kreisliga vertreten, die Mannschaftsstärke umfasst jeweils sechs bis zehn Spieler. Ein Darter kann sich alternativ auch in Solo-Mission auf Ranglisten-Turnieren mit über 200 Gegnern messen und Punkte für die Teilnahme an den German Masters sammeln.

Marko Hannemann und Nico Peters haben die Darts-Abteilung gegründet

An der Spitze der Sparte steht ein Drei-Mann-Team. Neben Marko Hannemann zählen Nico Peters und Noah Glahn zum Führungstrio. Die Aufgaben verteilen sich so auf mehrere Schultern. Das ist wichtig, wenn eigene Turniere ausgerichtet werden. Zur Organisation gehören Werbung, die Wartung der Software für die Turnier-Auswertung und die Kostenabrechnung.

Die Darts-Sparte beim SV Friedrichsgabe wächst in diesem Jahr weiter. Mit fünf Teams nimmt der Verein mittlerweile am Ligabetrieb in Schleswig-Holstein teil.
Die Darts-Sparte beim SV Friedrichsgabe wächst in diesem Jahr weiter. Mit fünf Teams nimmt der Verein mittlerweile am Ligabetrieb in Schleswig-Holstein teil. © Timo Reinke | Timo Reinke

Peters spielt seit 2018 Darts. Vor fünf Jahren hat er die Sparte gemeinsam mit Marko Hannemann gegründet. Speziell in Norderstedt gab es wenig organisierten Darts-Sport. Bei welchem Verein sollten die beiden andocken? Die Wahl fiel auf Friedrichsgabe. „Hier sind wir mit offenen Armen empfangen worden. Der SVF hat es uns leicht gemacht, unsere Idee zu verwirklichen und die Sparte aufzubauen. Wir passten in das Konzept des Vereins, der gerne außergewöhnliche Sportarten fördert.“

Corona war Glück im Unglück: Nach den Lockerungen „wollten die Leute endlich wieder raus“

Die Räume im Vereinshaus waren perfekt. Im Winter 2019/2020 fingen die ambitionierten Darter mit dem Umbau an, dann kam Corona. Alles stockte. „Wir haben nach den Lockerungen sofort weiter gemacht und ein Comeback gefeiert“, erinnert sich Marko Hannemann. Corona war auch Glück im Unglück. „Wir bekamen sofort neue Mitglieder dazu. Die Leute wollten endlich wieder raus. Dazu haben wir Visitenkarten verteilt und auf Social Media geworben. Darts ging durch die Decke.“

Den drei Gründungsmitgliedern war es enorm wichtig, den gängigen Kneipensport-Charakter komplett vor der Tür zu lassen. Ihnen geht es um ernsthaften, fundierten Sport. „Wir wollen weiter wachsen und uns professionell aufstellen, auch im Jugendbereich, mit Schulungen und einer guten Darts-Ausbildung im Training“, sagt Noah Glahn.

Vera Wilkens: „Alter und Geschlecht spielen keine Rolle“

Auch Frauen sind zunehmend dabei. So wie Vera Wilkens, sie hat Darts während der Pandemie zu Hause für sich entdeckt. „Hier sind erfahrene Leute, die auf meinen Wurf achten. Alter und Geschlecht spielen keine Rolle. Einer hat gerade Abi gemacht. Es ist ein tolles Miteinander. Blöde Sprüche gibt es hier nicht.“

Darts, das heißt eigentlich nichts anderes als „Pfeile“. Und da gibt es auf dem Markt alles, zwischen 20 und 200 Euro. Ein Set hat immer drei Darts. Das Griffteil (Barrel) besteht zu 80 bis 90 Prozent aus dem Wolfram-Metall Tungsten, dadurch können die Darts schön schlank gefertigt werden und sind entsprechend griffig. Messing ist im Vergleich nicht so reich an Masse und dadurch voluminöser, sprich, dicker. „Letztlich willst du drei Darts in einem Triple-Feld haben. Mit schlankeren Darts triffst du das Feld besser und es gibt weniger Gedränge auf der Scheibe. Es ist eine Platzfrage“, erklärt Nico Peters.

Darts-Abteilung SV Friedrichsgabe e.V. | SVF Darts Norderstedt | Sportanlage Lawaetzstraße | Training | Halten die Fäden in der Darts-Sparte des SVF in der Hand: Marko Hannemann (links), Noah Glahn und Nico Peters.
Marko Hannemann (links), Noah Glahn und Nico Peters haben die Darts-Abteilung beim SV Friedrichsgabe mit aufgebaut. © Timo Reinke | Timo Reinke

Die „Flights“ sind entscheidend für die Flugbahn der Pfeile

Die Federn (Flights), aus Nylon oder Polyester, sind individuell verziert. Es gibt sie in verschiedenen Stärken und Formen. Flights beeinflussen die Flugbahn massiv, der Dart wird schneller oder langsamer. Ein Flight muss zum Spieler passen, genau, wie der Griff. Das gilt es für jeden herauszufinden. Ein Darter und sein Dart verschmelzen zu einer Einheit, sonst fällt das perfekte Spiel aus. Wer seine Darts liebt, wird auch gut werfen. Teuer spielt keine Rolle. Einen „natural fit“ kann es bei einem Set für 40 Euro geben.

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Grundsätzlich ist Darts ein Mental-Sport. „Du brauchst einen freien Kopf und musst immer gleichstehen. Der Stand und die Wurfbewegung werden zu Automatismen“, weiß Marko Hannemann. Der Wurf-Stil ist entscheidend. Wer darüber nachdenkt, hat das Nachsehen. Jede Ablenkung ist schlecht. „Trash-Talk auf der Bahn kommt vor, dafür kannst du aber rausfliegen.“

Faktor WM: „Jährlich löst die Berichterstattung Lust auf Darts aus“

Es gibt gewisse Tricks, kurz husten oder die Darts in der Hand drehen. Das Klirren kann reichen, den Gegner aus der Konzentration zu bringen. „Das sind kleine Psycho-Spielchen, es wird aber niemand beleidigt.“ Bei großen Events, wie einer WM, kommt vieles zusammen: Preisgeld, Druck, Hitze, Fan-Gesänge. Profis haben Mentaltrainer, um dieses laute Gejohle auszublenden. Die schieben das im Kopf weg.

Das lässt sich derzeit wieder im Fernsehen live beobachten, wie in jedem Winter beim obligatorischen Darts-Hype. 2022/2023 kam „The German Giant“, Gabriel Clemens, bis ins Viertelfinale. Dann boomt der Sport. Hannemann: „Jährlich löst die Berichterstattung Lust auf Darts aus. Im Januar, direkt nach der WM, kommen sie alle zu uns.“

Infos und Kontakt: svf-darts.de