Norderstedt. 1. VC Norderstedt zieht sein Volleyballteam zurück. Die Zukunft des Vereins ist ungewiss. Das sind die Gründe für den Niedergang.
Das Telefongespräch fand zwischen zwei Sportkollegen und Freunden statt. Frank Koch meldete sich bei Kay Helm, dem Staffelleiter der Volleyball-Regionalliga Nord. Der Verbandsoffizielle aus Süderbrarup erfuhr vom Trainer des 1. Volleyball-Clubs Norderstedt, dass er die Damen-Mannschaft aus der vierthöchsten deutschen Klasse für die Saison 2023/2024 abmelden muss.
Akute personelle Probleme machen das Ende für den Volleyball-Leistungssport in Norderstedt unausweichlich. Wie es mit dem Club selbst weitergeht, steht noch in den Sternen und wird in Folgegesprächen im Vorstand noch geklärt werden müssen. Coach Koch, der Clubvorstand und die Spielerinnen hatten über Wochen überlegt, ob eine Fortsetzung im Regionalliga-Spielbetrieb angesichts der schon in der Vorsaison auftretenden Engpässe Sinn machen würde.
1. VC Norderstedt: Das sind die Gründe für die Abmeldung der Regionalliga-Damen
Bis zuletzt hatte der 67 Jahre alte Trainer gehofft, dass die zweite Mannschaft (Landesliga) vielleicht mit Ersatzspielerinnen einspringen würde – vergeblich. Der Unterbau entschied sich schon vorher zur Aufgabe. Einige Damen schlossen sich anderen Vereinen an.
Für die Regionalliga bekam Koch nur drei feste Zusagen von Spielerinnen. Weil Frank Koch vor Erstellung der neuen Spielpläne durch Kay Helm den Spielwartwart Jan Ilg aus Rostock nicht fristgerecht unterrichtet hatte, wurde für den VCN eine Geldstrafe von 750 Euro fällig. Hätten die Norderstedter bis Ende August gewartet, wären es sogar 1000 Euro gewesen. Der Name des VCN wird aus der zehn Clubs umfassenden neuen Staffel gestrichen und man fragt sich, ob er jemals wieder auftauchen wird.
Nur noch drei Spielerinnen standen am Ende zur Verfügung
Für die verbliebenen VCN-Volleyballerinnen ist das vorerst kein Thema. In der Moorbekhalle herrschte gestern eine etwas wehmütige Atmosphäre. Eine Gruppe der VCN-Frauen traf sich ein letztes Mal zu einem kleinen Umtrunk. Es ist der traurige Schlusspunkt einer sich seit Längerem abzeichnenden Entwicklung. Während der Clubvorsitzende Justus Kreyenberg im Urlaub weilt und auch seine Stellvertreterin Carina Polomsky für eine Stellungnahme nicht erreichbar war, konnte Frank Koch nur noch feststellen: „Unter diesen Umständen können wir keinesfalls in die Saison starten. Die Lage wird ja ohnehin nicht besser.“
Zehn Jahre Topniveau in der Regionalliga Nord gehören der Vergangenheit an. Die Interessen der Spielerinnen haben sich verlagert, zu gleichen Teilen in privaten und beruflichen Bereichen. Dazu kommt, dass der Standort Norderstedt für Leistungsvolleyball nicht gerade optimal ist: Neuverstärkungen, etwa aus Hamburg, zu gewinnen, ist seit Jahren ein schwieriges Unterfangen. Die Herren des VCN hatten sich schon 2017 aus der Regionalliga zurückgezogen. Frank Koch übernahm die Damen-Crew in Eigenregie – die Mannschaft feierte jedes Jahr neue Erfolge und stellte eine Ausnahmeposition in der Regionalliga Nord dar. Auf den Aufstieg in die Dritte Liga wurde – nicht zuletzt aufgrund der personellen Situation – aber verzichtet.
Mitbegründer Thomas Broscheit bedauert das Aus für den Leistungssport
Das endgültige Aus für Leistungsvolleyball bedauert auch Thomas Broscheit sehr. Der 65 Jahre alte ehemalige Nationalspieler des HSV, 1996 Mitbegründer in einem damals zehnköpfigen VCN-Mitgliedsgremium, pflegte in den Folgejahren häufig Kontakt zum Nachfolgeverein des 1. SCN und gilt bis heute als Kenner der Norderstedter Sportszene. Er stellt fest: „Man hätte die Abwärtsentwicklung im Verein absehen müssen“, sagt der Mann, der über 30 Jahre im Amt für Schule und Sport tätig war. Für die Stadt war er bis 2020 im Einsatz, den VCN hat er 2010 verlassen. „Clubs wie der VCN können ein idealer Werbeträger mit Vorbildfunktion für eine Kommune sein.“
Doch 24 Jahre nach der Vereinsgründung gibt es keinen Spitzenvolleyball mehr in Norderstedt. Eine bittere Erkenntnis für einen Sport, der im Hamburger Umland jahrelang von Teams aus Norderstedt mitgeprägt worden war – in besten Zeiten sogar in der 2. Bundesliga und vorübergehend auch in der Dritten Liga.
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„Es ist schwer, sich damit abzufinden“
An alte Zeiten erinnert sich auch Alexander „Aki“ Hente. Der Routinier (50) aus Norderstedt trat 17 Jahre für den VCN an, er war unter anderem Kapitän und Spielertrainer der Männer-Crew und beendete 2019 seine Laufbahn. Auf der Mittelposition des Regionalligisten galt er über Jahre als unverzichtbare Größe.
„Die Moorbekhalle ist mein Wohnzimmer gewesen“, erklärt Hente. „Es ist schwer, sich damit abzufinden, dass hier in Zukunft nicht mehr viel los sein wird.“ Über die sozialen Medien hält er Kontakt zu seinen früheren Vereinskollegen und bekam deshalb mit, dass sich die Damen über eine WhatsApp-Gruppe zum gestrigen Abschiedstreffen verabredeten. Das VCN-Urgestein hätte vielleicht vorbeigeschaut, doch der frühere Zweitligaspieler ist mit seiner Frau Jessica in den Campingurlaub nach Eckernförde gefahren.
Norderstedt: Zwei Vereine bieten noch Volleyball an – als Breitensport
Auf ausreichend Urlaub kann sich auch Frank Koch freuen. Auch wenn der VCN als Verein zunächst weiter bestehen wird, ist für ihn nach 20 Jahren auf der Trainerbank endgültig Feierabend.
Ganz Schluss mit Volleyball wird in Norderstedt andererseits auch nicht sein: Der Norderstedter SV und TuRa Harksheide haben Abteilungen, hier stehen Nachwuchs und Breitensport im Fokus.