Norderstedt. Baustelleninfos aufs Handy, Surfbrett aus dem digitalen Schließfach: Wie Norderstedt in die Zukunft starten will.

Die Stadt Norderstedt soll zu einer „Smart-City“ werden. Wichtigste Informationen und Dienstleistungen sollen bald mit Hilfe einer Smartphone-App aufgerufen, bestellt oder angemietet werden können. Die Stadtvertretung hat jetzt dem Digitalisierungs-Fahrplan für das sogenannte Projekt „Norderstedt GO!“ mit einer Budget-Vorgabe für die ersten Projekte zugestimmt, die die Verwaltung und Stadtwerke in einem Jahr in 20 Workshops mit 60 Bürgerinnen und Bürgern entwickelt und ausgearbeitet haben.

Digitalisierung Norderstedt: Vier zusätzliche Personalstellen

Noch in diesem Jahr sollen vier zusätzliche Personalstellen bei der stadteigenen Telekommunikationstochter wilhelm.tel dafür geschaffen werden, kündigt Jens Seedorff an. Er freut sich sehr über „das starke Signal, das die Stadtpolitik mit diesem Beschluss gegeben hat.“ Damit werde sich der angestrebte „digitale Transformationsprozess gut steuern lassen, ist der Erste Werkleiter überzeugt.

Oberbürgermeisterin Roeder wirbt um eine große Bürgerbeteiligung für die sogenannte Zukunftsstrategie „Norderstedt Go!“. Am liebsten wäre ihr, „wenn wir 82.525 Zukunftsforscherinnen und Zukunftsforscher dafür gewinnen könnten“, sagt sie. Denn es gehe hier um einen langen, andauernden Prozess, „den ich gerne zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickeln möchte“, an dem möglichst viele, wenn nicht alle Norderstedter ihre Ideen und Vorschläge mit einbringen können sollen.

Norderstedt: Mit neun Projekten soll es losgehen

Neun Startprojekte sind nun zunächst aus den 130 Vorschlägen herausgearbeitet worden, die seit Juni 2021 mit den beiden Projektleitern Nils Sadowski von den Stadtwerken und Sonja Bahnsen entwickelt worden sind, die im vorigen Jahr als erste Ansprechpartnerin für die Digitalisierung in der Stadtverwaltung, als sogenannte Chief Digital Officer (CDO) eingestellt worden ist.

Darin geht es vor allem um eine neue Smartphone-App, die mit allen möglichen Informationen und Anwendungen bestückt sein soll, die wiederum der Nutzer auf seine persönlichen Bedürfnisse und Interessen abstimmen und zuschneiden kann.

Digitalisierung: Aktuelle Baustellenhinweise auf das Handy

So sollte eine junge Mutter beispielsweise darin schnell herausfinden können, wo sich der nächste Spielplatz für ihr Kind befindet, welche Kindergartenplätze in Frage kommen und wo sie sich dafür anmelden kann, beschreibt OB Roeder das System, das aber jetzt noch in seiner konkreten Ausgestaltung ausgearbeitet werden soll. Für andere Nutzer könnte wichtig sein, welcher Verein ihren Freizeitsport anbietet, wo welcher Kinofilm aktuell läuft und ob die Kneipe um die Ecke noch auf hat. Digitale Bücher könnten so bequem von überall auf den Laptop geladen werden. Auch die aktuellen Baustellenhinweise, Volkshochschulkurse, Konzerte und andere Veranstaltungen sollen in dieser App erwähnt und beschrieben werden.

Sie soll möglichst im nächsten Jahr mit den ersten Funktionen auf das Smartphone heruntergeladen werden können und nutzbar sein, kündigt CDO Sonja Bahnsen an. Ähnlich wie bei anderen Smartphone-Apps, soll der Nutzer sie so filtern und steuern können, dass er nur die Infos und Mitteilungen erhält, die er möchte und die ihm wichtig erscheinen.

Aktuelle Hinweise oder Neuerungen könnte er sich auf Wunsch sofort aufs Handy senden lassen. Diese sogenannte „Push“-Funktion kennt der Smartphone-Nutzer, der sich zum Beispiel das Endergebnis seines Lieblingsvereins direkt nach Schlusspfiff oder den Beginn seiner Favoritenserie im Fernsehen so anzeigen lässt.

Stadtpark Norderstedt: Surfbrett aus dem digitalen Schließfach

Eine weitere Nutzungsfunktion auf der „Road-Map“ (OB Roeder) dieser „Smart-City“-Straße wird ein digitales Schließfach sein. Damit sei gemeint, dass sich der Norderstedter Nutzer bestimmte Angebote, Hilfsmittel oder Dienstleistungen kontaktlos mit der App bestellen kann. Familien, die zum Beispiel mit ihren Kindern in den Stadtpark fahren, sollen sich so spontan und schnell einen Bollerwagen vor Ort ausleihen können. Sportlich aktive könnten sich so ein Surfbrett mieten.

Ältere Leute, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, könnten sich auf diese Weise einen Rollator sichern, beschreibt Projektleiter Sadowski die Idee dahinter. Dort und an anderen öffentlichen Plätzen könnte der smarte Norderstedter Bürger so auch persönliche Dinge hinterlegen oder sich eine Getränkekiste vom nächsten Einzelhändler liefern lassen. Bestellt, gebucht und abgerechnet werde dann direkt über die App.

Gutes Glasfasernetz als Grundstock für die „Smart-City“

Der digitalen Phantasie seien hier keine Grenzen gesetzt, umschreibt Sadowski diese schöne neue digitale Welt, an der Stadt und Stadtwerke gerade basteln. Das Glasfasernetz, das seit 20 Jahren flächendeckend in Norderstedt schnellstes Internet ermöglicht, sowie das kostenlose WLAN-Netz, das ebenfalls fast in der ganzen Stadt vorhanden ist, sei der technologische Grundstock für diese „Smart-City“-Visionen.

Jetzt komme es darauf an, diese sehr gute digitale Infrastruktur mit jenen Inhalten und Angeboten zu bespielen, die die Norderstedter Bevölkerung haben und im täglichen Gebrauch nutzen möchte, erklärt Projektleiter Sadowski. „Diese digitalen Dienstleistungen müssen dann nur miteinander verknüpft werden. Denn es ist eine verknüpfte Welt.“

Zwar nutzten heutzutage bereits fast 90 Prozent der deutschen Bevölkerung diese mobile Internetwelt über ihr Smartphone, erklärt CDO Bahnsen. Sogar die Hälfte aller Grundschüler gehöre nach neuesten Studien dazu. Gleichwohl gebe es noch die überwiegend ältere Generation aus der Kriegs- oder Vorkriegszeit, die immer noch zur Hälfte „offline“ sei. 70 Prozent davon seien Frauen.

Menschen nicht vergessen, die überwiegend offline sind

„Wir dürfen diese Menschen nicht vergessen, sonst verlieren wir sie“, ist sich Sonja Bahnsen bewusst. Darum müssten diese noch nicht so digital-affinen Bürgerinnen und Bürger über herkömmliche, analoge Plattformen informiert, weitergebildet und mit digitaler Kompetenz ausgestattet werden, sagt sie. Das werde über Präsenz-Veranstaltungen, VHS-Kurse, den Seniorenbeirat oder auch leicht verständliche, einfache Online-Aktionen laufen müssen.

Die Federführung für das „Smart-City“-Projekt obliegt jetzt zunächst den Stadtwerken. Sie werden jetzt auch die ersten vier Planstellen dafür schaffen und besetzen, kündigte Werkleiter Seedorff an. Auch mit der Realisierung der ersten, wie beschriebenen „Leuchtturm“-Projekte werden die Stadtwerke betraut sein. Zukünftiges Kernprojekt müsse „eine nachhaltige Mobilität“ in Norderstedt sein, sagt Seedorff. „Wir werden dafür einen langen Atem brauchen.“

Budget: Erst einmal bis zu zwölf Millionen Euro

Die Stadtvertretung hat ihnen nun zunächst ein Budget von bis zu zwölf Millionen Euro gewährt, die aus der Kapitalrücklage gespeist und mit dem erwarteten „Mehrgewinn“ aus dem Jahresergebnis refinanziert werden sollen. Leisten kann sich das Norderstedts profitabelstes Unternehmen mit seinen 541 Beschäftigten ohnehin. Im Geschäftsjahr 2020 erwirtschaftete der stadteigene Betrieb bei einem Jahresumsatz von 195 Millionen Euro einen Jahresüberschuss von 17,3 Millionen Euro. Die Gewinnrücklage beträgt aktuell 109 Millionen Euro.