Kaltenkirchen/Bad Bramstedt. Weise ist bei der Expedition für die medizinische Versorgung mitverantwortlich. Warum er auf See gern Zwiebeln schneidet.
Der Bramstedter Alexander Weise gehört zu den Menschen, die andere erstaunen und sie fragen lassen: Wie schafft der Mann das alles? Und wie behält er dabei seine gute Laune und Freundlichkeit?
Der 53-Jährige arbeitet als Kinderarzt in einer Gemeinschaftspraxis in Kaltenkirchen, schult Kinder und Jugendliche, die unter Asthma leiden, bildet Kinderärzte in Tansania aus, verbringt Stunden damit, aus Holz hochwertige Möbel und Totempfähle herzustellen und hat eine Familie. Und jetzt geht er für sechs Wochen an Bord der „Dagmar Aaen“ von Arved Fuchs, um nach Grönland zu reisen.
Arved Fuchs: Kaltenkirchener Arzt geht an Bord – auch zum Zähneziehen
Noch einmal die Frage: Wie schafft er das? „Das geht alles nur, wenn das Team funktioniert“, sagt der promovierte Mediziner. „Das ist ein Geben und Nehmen.“ Das gilt für die Familie ebenso wie in der Praxis.
Die Stiefel für die Expedition liegen bereit. Warme Pullover und Kleidung gegen den Regen gehören zum persönlichen Gepäck, das für sechs Wochen reichen muss. Am Sonnabend wird Weise in Hamburg das Flugzeug besteigen, das ihn und andere Teilnehmer der Grönland-Tour nach Reykjavik bringt.
Von dort aus fährt die Mannschaft mit öffentlichen Verkehrsmitteln in den Norden in den kleinen Hafen von Husavik, wo die „Dagmar Aaen“ am Sonnabend eintrifft und in der kommenden Woche gen Grönland starten wird.
Expedition „Ocean Change 2022“ ist bereits der sechste Einsatz für Weise
Der Arzt für Kinder- und Jugendmedizin, der sich auf Allergologie und Pneumologie spezialisiert hat, geht seit 2017 regelmäßig mit Arved Fuchs auf Expedition. Eine zufällige Begegnung führte die Männer zusammen, die inzwischen in Bad Bramstedt Nachbarn sind.
Als Fuchs 2015 eine Expedition in die Antarktis plante und einen Zwischenstopp in Westafrika einlegen wollte, benötigte der Bramstedter eine Gelbfieberimpfung. Da Weise für diese Impfung die Lizenz besitzt und Fuchs nicht in eines der Hamburger Krankenhäuser fahren wollte, trafen sie sich in Weises Praxis am Kisdorfer Weg und kamen ins Gespräch.
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Dass die Chemie stimmt, merkten beide schnell. Dass Weise als Bordarzt gut ins Team passen würde, stellte Fuchs ebenfalls fest. Und er berichtete von einem alten Revierjägerhaus in Bad Bramstedt, das leer stehe und sich direkt neben seinem Haus befinde. Heute lebt Weise dort mit seiner Familie.
Arzt entdeckte bei Arved Fuchs die Liebe zur Polarregion
2017 nahm der Arzt zum ersten Mal an einer Expedition mit seinem prominenten Nachbarn teil und lernte dabei die Faszination der Polarregion kennen. Die Reise führte ihn von der ostgrönländischen Kleinstadt Tasiilaq um die Südspitze der Insel bis nach Ilulissat mit seinen großen Eisbergen. „Eigentlich bin ich Kajakfahrer“, sagt Weise, doch bei dieser Reise entdeckte er die Liebe für Segeltörns in den hohen Norden. Seitdem ist er bei jeder Expedition dabei.
An Bord der „Dagmar Aaen“ ist ein Arzt unverzichtbar. „Je weiter man von der Zivilisation entfernt ist, desto wichtiger ist seine Aufgabe“, sagt Weise. Auf einem Schiff seien sehr viele Szenarien denkbar, die ohne einen Arzt nur schwer zu bewältigen seien.
In diesen Region stehe nicht, wie in Deutschland, in fünf Minuten ein Rettungswagen vor der Tür, wenn ein Mensch schwer krank ist oder sich ernsthaft verletzt hat.
Umfangreiche Notfallausrüstung an Bord der „Dagmar Aaen“
In der Einsamkeit des Nordens muss ein Arzt auf alle Szenarien vorbereitet sein. Dafür liegt auf der „Dagmar Aaen“ eine umfangreiche Notfallausrüstung bereit, zu der auch ein Defilibrator gehört, der bei Herzstillständen eingesetzt wird. Weise muss auch wissen, wie man Brandverletzungen behandelt und was zu tun ist, wenn ein Crewmitglied über Bord gegangen ist.
Außerdem muss er fachfremde Techniken beherrschen. So hat sich Weise zum Beispiel bei einem Zahnarzt informiert, was bei Zahnschmerzen zu tun ist und wie man eine optimale Betäubung im Mundraum injiziert.
Manchmal muss der Arzt der Expedition auch Zähne ziehen
Weise nimmt einen ganzen Koffer mit, in dem sich ausschließlich Werkzeuge für die Zahnmedizin befinden. „Probleme mit den Zähnen gehören zu den häufigsten auf See“, sagt Weise. Notfalls kann er auch einen Zahn ziehen.
Zur Besatzung werden zwei weitere Ärzte gehören, die mit Weise eng zusammenarbeiten. „Auch das ist Teamarbeit“, sagt Weise. Zu ihren ersten Aufgaben auf der „Dagmar Aaen“ wird es auch gehören, die Besatzung mit der medizinischen Notfallausrüstung vertraut zu machen und gemeinsam zu üben.
Weise hat die umfangreiche Bordapotheke zusammengestellt, in der Narkosemittel ebenso stehen wie Antibiotika. „Das erfordert eine gute Vorbereitung“, sagt der Mediziner, der seit einem Jahr nicht mehr die schwankenden Planken der „Dagmar Aaen“ unter seinen Füßen hatte.
Neun Männer und Frauen reisen mit Arved Fuchs nach Grönland
„Das ist immer ein ganz besonderer Moment, an Bord zu gehen“, sagt Weise. „Der Zauber liegt in der Bescheidenheit und den tollen Menschen an Bord.“ Neun Männer und Frauen werden mit Arved Fuchs die Reise in den hohen Norden antreten und auf fast jeden Luxus verzichten müssen. Eine Dusche gehört nicht zur Ausstattung, aber immerhin eine Spültoilette.
Die einzige Privatsphäre bieten die Kojen, die in die Holzwände eines Aufenthaltsraum eingelassen sind und sich mit einer kleinen Schiebetür verschließen lassen. Wenn das Schiff bei Seegang schaukelt, polstert Weise die Wände mit Kleidung aus. „Das ist dann ein wunderbares Nest“, sagt der Arzt, der ausgestreckt bei seiner Größe von 1,84 Meter gerade mal zwei Zentimeter Beinfreiheit hat.
„Ich betrachte diese Reisen als ein Geschenk“, sagt Weise. Und was macht der Arzt an Bord, wenn er mal nicht helfen muss? „Ganz einfache Aufgaben. Ich gehe zum Bespiel in die Kombüse und schneide Zwiebeln.“
Das Hamburg Abendblatt berichtet regelmäßig über die neue Expedition von Arved Fuchs. Wir veröffentlichen online die Einträge im Logbuch und Exklusivmaterial unter www.abendblatt.de/arvedfuchs. Außerdem berichtet die Hamburger Journalistin Bärbel Fening in ihren Podcasts von der Expedition. Die Position der „Dagmar Aaen“ und der Verlauf der Reise inklusive der aktuellen Wetterdaten sind jederzeit über eine Seite des Kieler Forschungsinstituts Geomar abrufbar, mit dem Fuchs eng zusammenarbeitet.