Bad Bramstedt. Arved Fuchs widmet seinem Expeditionsschiff ein eigenes Buch. Welche Rolle ein Norderstedter darin spielt.

Gemeinsam haben sie Sturm und Eis, beißende Kälte und tobende See gemeistert. Wenn Arved Fuchs mit seiner Mannschaft auf Reisen geht, dann mit seinem Expeditionsschiff „Dagmar Aaen“. Erst vor wenigen Wochen hat der Bramstedter sie nach dem Ende seiner Expedition „Ocean Change 2021“ verlassen. 90 Jahre ist die „Dagmar Aaen“ inzwischen alt – Grund genug für Arved Fuchs und den Delius Klasing-Verlag, ihr ein Buch zu widmen.

Expeditionsschiff „Dagmar Aaen“ bekommt eigenes Buch

„Durch Sturm und Eis“ heißt das 160 Seiten starke Werk über den einstigen Haikutter, den Fuchs 1988 in Flensburg entdeckte und kaufte. Der Bramstedter beschreibt darin die Geschichte des Seglers, die gemeinsamen Reisen und lässt auch Crewmitglieder zu Wort kommen, ohne die Expeditionen in polare Regionen, durchs Packeis und über den stürmischen Atlantik kaum möglich wären.

Einer von ihnen ist der Norderstedter Matthias „Matze“ Steiner, Chef der Sportredaktion von NDR 90,3, seit vielen Jahren ein Freund von Fuchs und ein kundiger Segler, der regelmäßig zum Team des Schiffes gehört. Das Abendblatt veröffentlicht leicht gekürzt exklusiv seine Gedanken über die „Dagmar Aaen“.

Expeditionsschiff: 2009 ging „Matze“ Steiner erstmals mit auf Tour

„Spötter behaupten oft und gern, dass das Verhältnis segeln zu arbeiten auf der ,Dagmar‘ oder auf alten Holzschiffen generell nicht mal annähernd 1 zu 1 sei. Ihr Blick teilt sich dabei auf in die Situationen während des Segelns und der Zeit an Land. Was sie nicht bedenken: Auch unterwegs kann, wird und muss oft improvisiert und repariert werden. Doch seltsamerweise ficht das die Crew in keiner Weise an; im Gegenteil: Es scheint ein durchaus befriedigendes Erlebnis zu sein, die alte Dame stets gut in Schuss zu halten oder auch mal vor schlimmerem Übel bewahrt zu haben.

Die Leiste aus Eichenholz am Steuerstand war nicht mehr zu retten. ,Das kannst du doch mal machen‘, hatte Arved gesagt. Mein Einstand auf der ,Dagmar Aaen‘. Der Zuschnitt dauerte natürlich viel zu lang, aber irgendwann passte die neue Leiste. Bloß keinen Fehler machen – das war das Wichtigste für mich.

Expeditionsschiff wird in Dänemark fit gemacht

Und dann kam Raimund Koch vorbei. Ein Schiffsexperte mit jeder Menge Erfahrung, der schon seit Jahren zur Crew gehörte. ,Na ja, hast wohl schon mal was mit Holz gemacht‘, brummte der alte Seebär. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Mehr Lob für einen Neuling wie mich ging nicht!

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Das war 2009 – meine erste Werftzeit auf der C. J. Skibs- og Bådebyggeri ApS bei Christian Jonsson im dänischen Egernsund, wo die ,Dagmar Aaen‘ regelmäßig auf ihre großen Reisen vorbereitet wird. Arved kannte ich schon lange, aber mitgearbeitet hatte ich noch nie.

Als Radioreporter war ich das erste Mal 1991 kurz an Bord und führte Interviews für das Hamburger Hafenkonzert, eine maritime Radiosendung des Norddeutschen Rundfunks. Ohne es zu merken, muss mich bei dem Besuch an Bord die ,Dagmar Aaen‘ schon in ihren Bann gezogen haben. Irgendwann meinte Arved, ich könne nicht immer nur berichten, ich müsse auch mal mitfahren. Gesagt, getan.

Expeditions-Crew ist eine eingeschworene Gemeinschaft

2009 ging ich in Hamburg an Bord und segelte den Törn nach Husavik an der Nordküste von Island. Es war das, was man ganz klassisch als Beginn einer wunderbaren Beziehung bezeichnet. Zum einen zum Schiff, das sich immer mehr wie mein zweites Zuhause anfühlte, zum anderen zur Crew. Zu einer Gruppe völlig unterschiedlicher Charaktere, die über den gesamten Globus verteilt leben und trotz aller Entfernung eine eingeschworene Gemeinschaft bilden.

Und das nicht nur, wenn sie an Bord kommen. Neben der Freude am langsamen, bewussten Reisen in abgelegene Regionen und dem Segeln auf einem zuverlässigen Schiff eint uns das Interesse aneinander. Wir kommen nicht nur aus allen Himmelsrichtungen, wir haben auch völlig unterschiedliche Jobs, sind älter oder jünger, Frau oder Mann und sind auch auf ganz verschiedene Weise zur ,Dagmar Aaen‘ gekommen – und haben mit ihr die unterschiedlichsten Dinge erlebt.

Ich erinnere mich noch gut, als ich das erste Mal als Crewmitglied der ,Dagmar Aaen‘ mit einem großen Holzbohrer zu Leibe rückte. Ganz ehrlich, ich war nervös, als ich die ersten Löcher in die Relingsstützen bohrte: ,Was machst du hier. Wenn du jetzt Mist baust, dann ist das Schiff beschädigt‘, ging mir durch den Kopf. Mein Respekt vor dem Haikutter war und ist riesengroß. Mit der Zeit wuchs allerdings mein handwerkliches Selbstvertrauen an Bord.

Expeditionsschiff „Dagmar Aaen“ wiegt fast 80 Tonnen

2013 dann eine Reparatur, nach der ich mich endgültig zugehörig fühlte zum Kreise derer, die in der Krise nicht aufgeben, sondern nach Lösungen suchen. Wir segelten hoch am Wind in rauer See an der Ostküste Grönlands. Die ,Dagmar Aaen‘ stampfte schwer, als urplötzlich der massive Beschlag für das Wasserstag am Bug des Schiffes abriss. Das gesamte Rigg war in Gefahr. Das Wasserstag, eine groß dimensionierte Kette vom Vorsteven zum Klüverbaum, ist quasi der Gegenspieler für die Vorstagen; die Drähte, die den Mast nach vorn halten.

Der Polarexperte und Expeditionssegler Arved Fuchs sagt: „Das grönländische Inlandeis schmilzt! Wir müssen handeln. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.“
Der Polarexperte und Expeditionssegler Arved Fuchs © Hakon Mossvold Larsen/AFP | Unbekannt

Und eben dieses enorm wichtige Wasserstag hatte seinen Dienst quittiert. Arved ging sofort auf Gegenkurs, um das Rigg zu entlasten. In einem geschützten Fjord konnten wir den Schaden genauer begutachten. Eine Lösung musste her, denn ohne Wasserstag konnten wir unmöglich die Reise fortsetzen. Also wurde beratschlagt und das Schiff nach Teilen durchsucht, mit denen man eine Ersatzkonstruktion bauen könnte.

Nicht umsonst wiegt die ,Dagmar Aaen‘ knapp 80 Tonnen. Der massive Holzrumpf ist vollgestopft mit jeder Menge Werkzeug und unzähligen Ersatzteilen. Aus dem Achterschiff tauchte eine 20-Millimeter-Gewindestange auf, und ich fand in den Backskisten des Vorschiffs einen Schäkel mit einer 20-Millimeter-Bohrung.

Reparaturen am Expeditionsschiff müssen halten

Dann ging es los. Pablo Besser, im Hauptberuf Chirurg aus Santiago de Chile, setzte innen am Vorsteven den passenden Schlangenbohrer an, Bernhard Naber und ich hockten im schaukelnden Dingi unter dem Klüverbaum und warteten. Nach langen, schweißtreibenden Minuten kam die Bohrerspitze direkt über uns zum Vorschein. Pablo hatte es geschafft, den gut 40 Zentimeter starken Vorsteven der ,Dagmar Aaen‘ perfekt zu durchbohren!

Der Rest war schnell geschafft. Die Gewindestange wurde durch den Vorsteven getrieben, innen mit Muttern gesichert, und außen wurde der passende Schäkel aufgeschraubt. Mit einem weiteren Schäkel kam das Wasserstag zurück ins Spiel. Wir waren zufrieden. Die Expedition konnte weitergehen.

Die eigenwillige Konstruktion hielt übrigens problemlos mehrere Tausend Meilen bis zurück nach Hamburg, und ich fühlte mich aufgenommen in den Kreis der Schrauber an Bord.

Auf der „Dagmar Aaen“ gibt es immer etwas zu reparieren

Eine große Mitschuld an meiner Karriere als ,Holzwurm‘ auf der ,Dagmar Aaen‘ hat Bernhard Naber. Bernhard ist ein begnadeter Tischlermeister aus Flensburg und zuständig für die großen Holzprojekte. Er baut formverleimte Davits für das Schlauchboot, das am Heck hängt, fertigt Spieren zum Ausbaumen der Vorsegel oder eine neue Pantry für die Messe der ,Dagmar Aaen‘.

Bei ihm durfte ich sozusagen in die Lehre gehen. Unter seiner fachkundigen Regie entstand auf seinen Maschinen der Zuschnitt für diverse Eichenholzteile, die ich dann daheim in meiner kleinen Hobbywerkstatt zusammenfügen konnte. Mal ein neuer Tisch für das Vorschiff, mal ein Eckregal für die Pantry.

Wenn ich heute auf den Reisen der ,Dagmar Aaen‘ an Bord komme, erfolgt immer das gleiche Ritual: Nach der herzlichen Begrüßung aller Crewmitglieder nimmt mich Arved zur Seite und macht mit mir einen Rundgang über das Schiff. Warum? Ganz einfach: Ich bekomme meine Aufträge. Hier ist die Gangway kaputt, da ein Scharnier aus einer Schapptür ausgerissen. Auf einem Expeditionsschiff ist immer was zu reparieren. Ich bin angekommen.“

Das Buch ist mit 115 Fotos bebildert und unter https://shop.abendblatt.de/ oder im Abendblatt-Shop, Großer Burstah 18-32, 20457 Hamburg, erhältlich. Preis: 29,90 Euro als Klappenbroschur, 23,90 Euro als E-Book. Außerdem hat der Delius Klasing-Verlag eine limitierte, nummerierte und handsignierte Ausgabe mit einem Stück Original-Eichenholz der „Dagmar Aaen“ zum Preis von 198 Euro herausgebracht.