Norderstedt/Hamburg. Nach dem spektakulären Coup in Norderstedt im Sommer 2021 geht es jetzt um die Entschädigung der Opfer – und schwere Vorwürfe.

Wie hoch müssen die Entschädigungen sein, die die Hamburger Sparkasse den Geschädigten des Einbruchs in Norderstedt im vergangenen Sommer zahlt? Diese Frage wird nun wohl grundsätzlich vor Gericht entschieden. Denn der Rechtsanwalt Jürgen Hennemann, der mehrere Geschädigte vertritt, wird gegen die Haspa Klagen einreichen. Er habe Belege, dass die Sicherheitssysteme nicht den geltenden Standards entsprochen hätten. Die Haspa wiederum sieht sich ihrerseits durch ein Gutachten der Kriminalpolizei entlastet.

Haspa Norderstedt: Einer der spektakulärsten Fälle der Polizei im Norden

Der Einbruch ist einer der spektakulärsten Kriminalfälle der letzten Jahre. Am Wochenende zwischen dem 6. und 9. August 2021 brachen die Täter in die Haspa-Filiale an der Rathausallee in Norderstedt Mitte ein. Von einer angemieteten, über der Filiale liegenden Wohnung aus bohrten sie sich mit einem Kernbohrer durch die Betondecke und brachen in den Tresorraum ein. Dort räumten sie 600 Schließfächer aus, etwa die Hälfte der vorhandenen Fächer. Es entstand Schaden in Millionenhöhe. Um Spuren zu verwischen, legten die Täter in der angemieteten Wohnung später einen Brand.

Die Alarmsysteme in der Haspa-Filiale hatten während des Einbruchs nicht ausgelöst, was Zweifel aufkommen ließ, ob die Systeme technisch auf der Höhe der Zeit waren. Jürgen Hennemann, der in Buchholz als Verbraucherschutzanwalt tätig ist und nach eigener Aussage „etwa zwei Dutzend Opfer des Einbruchs vertritt oder berät“, erhebt schon seit Monaten gegenüber der Haspa den Vorwurf, es habe eklatante Sicherheitsmängel gegeben.

Haspa Norderstedt: Anwalt sieht sich durch Auszug aus Ermittlungsakte bestätigt

Darin sieht er sich jetzt bestätigt. Hennemann: „Uns liegt seit Kurzem ein Aussschnitt aus der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Kiel vor.“ Dieser, so Hennemann, bestätige „ohne jeden Zweifel“ seine Vorwürfe. Der Ausschnitt belege, dass im Tresorraum nur „primitive, dysfunktionale Sicherheitstechnik eingebaut war.“ Die Haspa, die in diesem Punkt seit sieben Monaten etwas anderes behaupte, „sagt gegenüber den Geschädigten und der Öffentlichkeit schamlos die Unwahrheit und vernebelt auch gegenüber den Medien die Fakten“, so der Rechtsanwalt.

Hennemann will nun Klagen gegen die Bank einreichen, wegen „mindestens grob-fahrlässiger Missachtung und Nichteinhaltung zwingend erforderlicher technischer Standards und Sicherheitsmaßnahmen“. Für die Einreichung dieser Klagen lägen nun „alle Voraussetzungen vor“.

Bank sieht sich durch Gutachten der Kriminalpolizei bestätigt

Ganz anders wird die Sache bei der Haspa gesehen. Die Bank beruft sich ihrerseits auf eine kriminaltechnische Untersuchung. Dazu Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg: „Uns liegt mittlerweile das Gutachten der Kriminalpolizei vor. Dieses bestätigt, dass die Schließfachanlage der Haspa in Norderstedt über professionelle Sicherungssysteme verfügt und der Einbruch nur mit einem höchsten Maß an krimineller Energie durchgeführt werden konnte.“ Das Gutachten, so von Carlsburg, komme zu dem Schluss: „Der Haspa ist keinerlei Fehlverhalten vorzuwerfen.“

Rechtsanwalt Hennemann kennt diese Untersuchung nicht. Dass es ein Gutachten von der Kriminalpolizei gebe, habe ihm die Haspa nicht mitgeteilt. Er hat aber in jedem Fall Zweifel, ob die Ermittlungsarbeit der Beamten korrekt war - in einem anderen Fall, nämlich nach einem ganz ähnlichen Einbruch in Hamburg-Altona im Oktober 2020, sei die Arbeit der Beaten nämlich „nur oberflächlich“ gewesen. Zum Gutachten im Norderstedter Fall sagt er: „Es muss die Frage geklärt werden, zu welchem Zeitpunkt welche Beamten was genau in Augenschein genommen haben.“

Haspa hat schon mehr als zwei Drittel der 600 Geschädigten Geld überwiesen

Setzt er sich vor Gericht durch, müsste die Bank die Kunden wohl wesentlich höher entschädigen als bisher. Die Bank betont, dass jedes Schließfach mit einem Betrag von 40.000 Euro versichert war. Geschädigte wiederum betonen, dass sie teilweise deutlich höhere Werte in den Fächern gelagert hätten - Wertgegenstände oder Bargeld. Hätte die Haspa aber fahrlässig gehandelt, wäre die Versicherungssumme von 40.000 Euro wohl obsolet.

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Bei der Bank kümmert sich ein Team um die Prüfung der einzelnen Entschädigungsfälle. Rechtsanwalt Hennemann hatte Ende 2021 auch kritisiert, dass die Regulierung viel zu langsam verlaufe. Doch mittlerweile hat nach Haspa-Angaben ein Großteil der Geschädigten Geld erhalten. So Stefanie von Carlsburg: „Wir haben mittlerweile zwei Drittel der 600 Schadensfälle regulieren können. Bis zum Sommer wollen wir durch sein“, man arbeite „mit Hochdruck“ an der Regulierung der Schadensfälle. Rechtsanwalt Hennemann bestätigt, dass auch einige seiner Mandanten Entschädigungsgelder erhalten hätten. Aber er sagt auch: „Diese Beträge betrachten wir als erste Abschlagszahlung. Den Rest des Geldes werden wir vor Gericht einklagen.“

Täter wurden bisher nicht gefasst, aber es gab eine Razzia in Berlin

Die Täter des Einbruchs, deren Vorgehen die Polizei als sehr professionell beschrieb, konnten bisher nicht gefasst werden. Im Dezember gab es allerdings in Berlin eine Razzia gegen Verdächtige. Mehrere Wohnungen in Spandau, Neukölln und Tempelhof ein Geschäft in Charlottenburg und eine Spielhalle im brandenburgischen Königs Wusterhausen wurden von Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Kriminalpolizei durchsucht, im Einsatz waren Beamte aus Schleswig-Holstein.

Gemeinsame Ermittlungen der Kriminaldirektion Pinneberg und der Staatsanwaltschaft Kiel hätten den Anfangsverdacht des bandenmäßigen Diebstahls gegen drei Berliner im Alter von 24 bis 44 Jahren begründet, hieß es. Die Verdächtigen seien nach dem Einsatz wieder freigelassen worden. Zum aktuellen Stand der Dinge sagt Lars Brockmann, Sprecher der Polizeidirektion Bad Segeberg: „Die Ermittlungen dauern nach wie vor an. Derzeit werten wir Beweismittel aus, die bei den Durchsuchungen Anfang Dezember sichergestellt wurden.“

Für Hinweise, die zur Ermittlung und Ergreifung der Täter führen, sind nach wie vor hohe Belohnungen ausgesetzt. Die Hamburger Sparkasse hat dafür 50.000 Euro ausgelobt, die Staatsanwaltschaft Kiel 5000 Euro. Wer Hinweise geben kann, wird gebeten, sich bei der Kriminalinspektion Pinneberg unter Telefon 04101/2020 zu melden.