Norderstedt. Schwedischer Einzelhändler bietet günstige Produkte „für das Leben zu Hause“ – De-Gasperi-Passage sei perfekter Standort dafür.
In Skandinavien, sagt Thomas Bergmann, da fahren die Menschen teilweise zwei Stunden mit dem Auto, nur um in einen der 220 „Rusta“-Märkte zu gelangen. Dort steht der Name seit 1986 für preiswerte bis extrem günstige Einrichtungsgegenstände, vom Heimwerkerzubehör über Gartenmöbel und Deko aller Art bis hin zu Lampen, Reisekoffern, Sandwichtoastern oder Gymnastikbällen. „In Deutschland, mit seiner grundlegend anderen Struktur, fährt ,Rusta’ eine andere Strategie: Der Kunde kommt nicht zum Laden, sondern der Laden zum Kunden – wie jetzt in Norderstedt“, sagt der Hamburger Bergmann, dessen Immobilienmanagementgesellschaft B&P Bergmannpartners mit der ambitionierten Expansion des schwedischen Discounters in Deutschland beauftragt ist. „Rusta“-Chef Göran Westerberg plant, Deutschland mit an die 500 Filialen zu überziehen.
Discounter "Rusta": Ladenflächen in Städten gesucht
Und die Expansion startet in Norddeutschland. Nach dem ersten „Rusta“-Markt, der im Jahr 2017 in Lübeck eröffnet wurde, und weiteren Märkten in Kiel-Schwentinental, Neumünster und Bremen, soll im Oktober in der Norderstedter De-Gasperi-Passage auf einem 2500 Quadratmeter großen Teil der ehemaligen Karstadt-Verkaufsfläche der fünfte Markt der Schweden im Norden eröffnen. Wer sich noch an die alte Karstadt-Struktur erinnert – „Rusta“ zieht dort ein, wo früher Karstadt-Sport firmierte.
Der Standort Norderstedt passt perfekt ins Expansionskonzept der Schweden. Man sucht Ladenflächen in Städten zwischen 20.000 und 100.000 Einwohnern. „Die De-Gasperi-Passage und das Herold-Center sind der Mittelpunkt der Stadt“, sagt Christof Sauck, Deutschland-Chef bei „Rusta“ und als ehemaliger Beschäftigter von BR-Spielwaren gut vertraut mit dem Standort. „Die Anbindung mit der U-Bahn und dem Busbahnhof ist perfekt. Viele Leute wohnen in direkter Nachbarschaft.“ Thomas Bergmann nennt die Norderstedter Kundschaft „Rusta-affin“ und interessiert an der Kleinteiligkeit des Marktkonzeptes von „Rusta“. Bergmann: „Das ist ein echter Einzelhändler, der Steuern in Deutschland zahlt – im Kontrast zum Online-Handel. 250.000 Kunden im Jahr werden in dem Markt angepeilt, das bedeutet eine Laufkundschaft im siebenstelligen Bereich.“ Diese hohe Kundenfrequenz brächten die De-Gasperi-Passage und das Herold-Center.
Der Karstadt-Leerstand hätte nicht länger bestehen dürfen
Sowohl Bergmann als auch Sauck wissen, wir wichtig eine Entwicklung auf der nach dem Auszug von Karststadt entstandenen Lücke war. Zwar gab es politische Forderungen, dort eine städtische Lösung zu finden, etwa mit Büchereien oder Proberäumen für die Kultur. Doch für das Gelingen des Einkaufsstandortes ist ein Ankermieter und Kundenbringer wie „Rusta“ existenziell. Bei einem längeren Leerstand hätte der De-Gasperi-Passage sicher ein weiteres Ladensterben gedroht.
„Wir sind ganz bewusst in die Fläche reingegangen, obwohl nebenan noch Leerstand herrscht. Das ist auch ein Zeichen für den Standort“, sagt Thomas Bergmann. Und Christof Sauck verrät, dass die Flächen, auf denen früher das Karstadt-Hauptsegment seine Verkaufsfläche hatte, noch leer stehen. „Doch auch dort tut sich was, es wird umgebaut“, verrät Bergmann. „Da ist wohl etwas zwischen Fahrradhandel und Mode geplant“, sagt er.
"Rusta" orientiert sich an Ikea
Die De-Gasperi-Passage wird von einem der weltweit größten Investment- und Fondsmangern vermarktet, der Nuveen LLC, einer Tochtergesellschaft der US-amerikanischen Teachers Insurance and Annuity Association (TIAA). Thomas Bergmann nennt beim Mietvertrag für die Fläche in Norderstedt keine Zahl, spricht aber von einem für beide Seiten zufriedenstellenden Mietvertrag.
Spekuliert werden darf sicherlich, dass „Rusta“ in den pandemiebedingt schwierigen Zeiten für Einkaufscenter einen relativ guten Preis ausgehandelt hat. „Es gibt wenige Vermieter von Ladenflächen in Deutschland, die sich in dieser Krise solidarisch zeigen mit dem Handel“, sagt Bergmann.
Was dürfen Norderstedter Kundinnen und Kunden nun von „Rusta“ und seinen Waren erwarten? Sowohl Bergmann als auch Sauck sind bemüht zu betonen, dass man nicht mit „harten Discountern“ auf dem Markt vergleichbar sei. „Wir sind Preis-fokussiert“, sagt Christof Sauck, „aber nicht in dem Sinne, wie das bei Jawoll- oder Philipps Restpostenmärkten praktiziert wird.“ Es sei nicht „ramschig“ bei „Rusta“, sagt Thomas Bergmann. „Man orientiert sich da eher an Ikea.“
Eröffnung in Norderstedt für den 28. Oktober geplant
Wer die aggressiven Werbeanzeigen von „Rusta“ betrachtet, stößt auf viele Markenartikel zu kaum gewinnbringenden Preisen, das große „1 Euro“-Preisschild dominiert und suggeriert: „Schnäppchen!“ Bei einer Warenflut von durchschnittlich etwa 8000 Artikeln in jedem Laden, drängt sich die Frage nach Qualität und Nachhaltigkeit der Produkte förmlich auf. „Die Arbeitsbedingungen, unter denen unsere Produkte entstehen, und die mögliche Gesundheitsgefahr der Stoffe, aus denen sie bestehen, sind bei ,Rusta’ im Fokus. Da betreiben wir eine 100-Prozent-Politik“, sagt Christof Sauck. Man beachte auch die Nachhaltigkeit in der Produktion. „Rusta“ vertreibe zu 85 Prozent Eigenmarken. Hergestellt werde in China, Vietnam und Indien. Man betreibe dort Verkaufsbüros, die langjährige Verbindung zu den Produzenten hätten. „Das die Qualität mal bei einigen wenigen unserer vielen Produkte nicht stimmt, das kann nicht ausgeschlossen werden. Aber da reagieren wir dann schnell und nehmen es vom Markt“, sagt Sauck.
Die Eröffnung ist in Norderstedt für den 28. Oktober geplant. Bis dahin stehe auch das Team der etwa 17 Mitarbeiter, mit denen gerade die Bewerbungsgespräche laufen würden. Was die Arbeitsbedingungen betrifft, so sei man „skandinavisch“ geprägt, sagt Sauck. „Wir bieten anständige Löhne, setzen auf Spaß bei der Arbeit und bieten Karriere-Optionen – schließlich sind wir ein sehr schnell wachsendes Unternehmen in Deutschland.“ In den Stellenanzeigen von „Rusta“ heißt es, es herrsche die „typisch schwedische Du-Kultur“.
Der Nachbar Herold-Center feiert die guten Nachrichten
Die Nachbarn von „Rusta“ im Herold-Center wussten bis zum Anruf des Abendblatts noch nichts von der Neueröffnung. „Das sind doch mal gute Nachrichten. Höchste Zeit, dass auf der Fläche was passiert“, sagt Thomas Krause, Centermanager der ECE-Gruppe. Einen Kundenmagneten mehr kann das Center nach dem gerade erst und zögerlich verarbeiteten Schock der Corona-Pandemie gut gebrauchen. „Früher hatten wir jeden Tag an die 34.000 Kundinnen und Kunden“, sagt Krause. „jetzt liegen wir schon wieder bei bis zu 22.000 – immerhin.“
Die Betreiber der Läden freuten sich, dass sie wieder verkaufen dürfen – auch wenn sich jeder Kunde registrieren müsse. Um das Hygienekonzept, mit Masken- und Abstandspflicht, sorgt sich der Center-Wachdienst. Er schließt auch die Schranken im Center, wenn 2000 Menschen auf der Fläche sind.