Escheburg. Sieben Ukrainer haben auf einem alten Bauernhof eine Bleibe gefunden. Was sie auf der Flucht und in ihrer neuen Heimat erleben.
Ein paar deutsche Vokabeln hat Kateryna Bobnova nach zehn Tagen schon drauf. „Lecker, lecker. Kartoffel. Schmand,“ zählt die 23-jährige Ukrainerin auf. Sie ist mit ihrer Mutter Liudmyla sowie zwei anderen geflüchteten Frauen und deren Kindern bei Jörn und Doris Stenner sowie Jürgen Wirobski und Ina Rathje untergekommen. Diese wohnen in Escheburg zusammen in einem großen ehemaligen Bauernhof.
Ein Ritual, dass sich die Gruppe angewöhnt hat, ist das gemeinsame Frühstücken und Abendessen und erklärt, warum sich bei dem Gelernten soviel ums Essen dreht. Und, hat Jörn Stenner dabei festgestellt: „Ukrainer essen vieles mit Schmand.“
Ukraine-Krieg: In einem ehemaligen Bauernhau in Escheburg leben nun Geflüchtete
Als der Flüchtlingsstrom aus der Ukraine einsetzte, zögerten die Stenners nicht lange und erklärten sich bereit, ihre beiden Gästezimmer und den Sportraum zur Verfügung zu stellen. Das befreundete Paar, mit denen sie eine Wohngemeinschaft bilden, war auch sofort einverstanden. „Wir haben den Platz, also haben wir gehandelt“, meint Jörn Stenner lapidar.
Über mehrere Ecken entstand der Kontakt zu einem ukrainischen Flüchtlingshelfer, der die Ankunft der Frauen vermittelte. „Eigentlich haben wir Platz für fünf Personen. Dann hieß es, da wäre noch eine Familie. Jetzt haben wir sieben und einen Hund“, so Doris Stenner.
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Lesyas Familie stammt aus Odessa am Schwarzen Meer
Seit dem 10. März wohnen Liudmyla und Kateryna Bobnova inklusive Hund Joy, Ganna Zaslavska mit ihrer zwölfjährigen Tochter Alina Sukharska sowie Lesya, die ihren Nachnamen nicht nennen will, und deren Kinder Vanja (13) und Arina (2) am Stubbenberg.
Aus ihrer Heimat – Lesyas Familie stammt aus Odessa am Schwarzen Meer, die anderen beiden aus Kropywnyzkyj, einer Großstadt in der Zentralukraine – haben sie nur das Nötigste mitgenommen. „Turnschuhe, Jeans, T-Shirts und fast fünf Kilo Hundefutter für meinen Hund Joy“, zählt Kateryna auf, die als einzige gut Englisch spricht.
Zu gefährlich: Katerynas Freund kann das eigene zu Hause nicht mehr verlassen
Ansonsten erfolgt die Verständigung, sei es während des Pressetermins oder beim Frühstück, über eine Übersetzungs-App auf dem Mobiltelefon. Aus Rücksicht zu den Flüchtlingen hatten die Gastgeber Themen wie den Krieg oder die Flucht aus der Heimat bislang nicht angesprochen.
Es fällt den Frauen auch merklich schwer, davon zu berichten. Darüber, dass Gannas Mann zu Hause seiner Mutter hilft, die das Land nicht verlassen wollte und sich um die beiden Papageien kümmert. Darüber, dass Katerynas Freund das eigene Zuhause nicht mehr verlassen kann, weil es zu gefährlich ist, da ihr Ort inzwischen von russischen Truppen umzingelt ist. Oder darüber, dass Lesyas Mann, ein Soldat, der aus einem Einsatz 2017 versehrt zurückkehrte, dabei hilft, die Schäden auf dem Flughafen von Odessa zu beseitigen.
Was sie über Russland denken, behalten sie lieber für sich
Zwei bis drei Tage waren die Frauen und Kinder in überfüllten Bussen und Zügen unterwegs. Als sie in der West-Ukraine an einer Tankstelle in einer langen Schlange standen, gab es Sirenenalarm und Bomben fielen ganz in der Nähe.
Zu unwirklich scheinen diese Berichte im Jahr 2022, sodass auch die Ukrainerinnen wie paralysiert berichten. Was sie über Russland denken, behalten sie lieber für sich. „Nächste Frage“, sagt Liudmyla. Es wird deutlich, es wäre nichts Gutes, wenn sie etwas sagen würde. Brüchig wird Ganna Zaslavskas Stimme, als es um die Rückkehr in die Heimat geht. „Wir wurden wirklich sehr gut aufgenommen und sind dafür sehr dankbar. Aber wir wollen wirklich wieder so schnell wie möglich nach Hause“, sagt die Frau und verdrückt ein paar Tränen.
Kinder besuchen eine DaZ-Klasse am Otto-Hahn-Gymnasium in Geesthacht
Auch von Deutschland aus arbeitet sie regelmäßig online für eine Möbelfirma in der West-Ukraine. Das lenkt etwas ab. Liudmyla kann dagegen ihren Job als Revisorin von Aktiengesellschaften derzeit nicht ausüben. Die beiden mittleren Kinder haben manchmal Homeschooling von ihrer ukrainischen Schule, und ab Freitag gehen sie in eine DaZ-Klasse am Otto-Hahn-Gymnasium (steht für Deutsch als Zweitsprache, die Red.)
Ansonsten erkunden die Flüchtlinge Escheburg und Umgebung. Auch Kleidung haben sie schon gekauft. Ein Freund der Stenners hatte Geld dafür gespendet. Oder sie kochen für die gemeinsamen Mahlzeiten, etwa die in der Ukraine beliebte Borschtsch.
Noch bis zum 16. April wohnen sie im Haus der Stenners. Dann ziehen sie in eine Dreizimmer-Wohnung, die den Gastgebern gehört. Als das Pressegespräch fast vorbei ist, will Ganna noch dringend etwas loswerden. „Ihr seid eine tolle Familie. Danke für alles.“ Danach müssen alle Anwesenden gerührt erst einmal durchschnaufen.