Geesthacht. Kein Durchkommen mehr für Kraftfahrzeuge, der Radverkehr wird per Ampel geregelt. Die Sorgen im Vorfeld waren groß: Klappt das?
Das befürchtete Chaos blieb aus. Die planmäßige Sperrung der Geesthachter Elbbrücke wegen der Generalüberholung am frühen Montagmorgen führte nicht zu Staus und Wutausbrüchen bei den Pendlern. Im Gegenteil: Auf dem für Fahrradfahrer und Fußgänger offen geblieben Gehweg auf der Westseite herrschte eine entspannte Gelassenheit.
Selbst dann, wenn es mal etwas enger wurde im Gegenverkehr. Denn nicht alle Radler hielten sich an die Regelung mit zwei Ampeln, die eine Begegnung auf der nur 1,50 breiten Stelle über dem Wehr verhindern sollen. Dem einen oder anderen dauerten die sieben Minuten zu lange, sie fuhren trotz Rotlichts an. Doch auch hier: Die legal Entgegenkommenden blieben ruhig, alle wichen einander vorsichtig aus. Unter Autofahrern auf der Straße kommt es in solchen Fällen sofort zu einem Hupkonzert.
Elbbrücke bei Geesthacht für Kraftfahrzeugverkehr gesperrt
Selbst im Wartepulk vor einer Ampel herrschte meist gute Laune. Beim Warten blieb viel Zeit für einen Plausch. Es scheint, als ob viele die Fahrt sogar genießen würden als eine nicht unwillkommene Abwechslung in der Routine des Arbeitsalltags.
Wenn es ein einziges Bild gibt, um die Stimmung des ersten Tages auf den Punkt zu bringen, dann liefert es Karina Glasbrenner. Sie schlenderte gemütlich um acht Uhr mit einem Thermoskaffeebecher in der Hand von Rönne aus über die Wehrbrücke und genoss die frische Morgenluft. „Ich habe meinen Wagen bei der Feuerwehr in Rönne geparkt“, berichtet sie. Sie arbeitet in Schwarzenbek, ist am Montag um 7.15 Uhr losgefahren statt wie sonst um acht Uhr. Weiter ab Geesthacht geht es mit einem Dienstwagen, der in Brückennähe abgestellt ist. Karina Glasbrenner bekommt ihn für die gesamte Zeit der Sperrung gestellt. Insofern bleibt es für sie beim etwa 1,3 Kilometer langen Fußmarsch zwischen den beiden Elbufern
So ähnlich wie Karina Glasbrenner hat auch Stephan Kindler sein Pendler-Problem gelöst. Der Arbeitsplatz des Vierländers liegt in Ebstorf kurz vor Uelzen. Also hat er sein Auto am Sonntag in Rönne abgestellt, dorthin fährt er nun jeden Morgen von Kirchwerder aus mit dem Fahrrad. „Das sind 18 Kilometer“, sagt er. Ein E-Bike hat er nicht. Trotzdem, die Strecke täglich zu fahren, schreckt ihn nicht. Er ist fit. „Ich habe gerade den Donauradweg hinter mir“, sagt Stephan Kindler und lacht. Er rechnet damit, künftig eine halbe Stunde länger zur Arbeit zu brauchen.
Auch Jürgen Karsch hat es zur Brücke gezogen. Aber nicht, weil er Pendler ist. Der Fotograf und Filmer lässt seine Drohne fliegen und plant, mit den Luftbildern über die Baustelle einen neuen Beitrag für sein Projekt Geesthacht.TV zu schneiden. Dientagnachmittag soll das Material auf dem YouTube-Kanal oder auf suedkreis-herzogtum-lauenburg.de zu sehen sein.
Ihren Arbeitsplatz in Geesthacht haben Bettina Knoop und Jessica Meyer. Bettina Knoop wartet geduldig in einer Schlange mit drei anderen Radfahrern. Sie kennen viele Geesthachter als Mitarbeiterin in der Tourist-Information. Für Bettina Knoop ist die Strecke mit dem Rad zur Arbeit über die Elbbrücke keine Besonderheit, sie fährt die Strecke auch ansonsten regelmäßig von Tespe aus. „Nur dass hier jetzt eine Ampel steht“, sagt sie.
Jessica Meyer ist um 8.10 Uhr unterwegs zum Lebenshilfewerk am Heuweg. Sie betreut dort die „arbeitsbegleitenden Maßnahmen“ der Menschen mit Handicap. „Ich bin heute eine halbe Stunde früher aufgestanden“, sagt sie. Das Auto hat sie in Stove geparkt, dort ist sie aufs abgestellte Rad umgestiegen.
Für das Lebenshilfewerk bedeutete Sperrung viel Aufwand
„Für uns hat die Sperrung einen Mordsaufwand bedeutet“, berichtet Jessica Meyer. Für vier Schützlinge aus Niedersachsen, die den Tag üblicherweise in Geesthacht verbringen, musste nun eine Betreuungsmöglichkeit auf der südlichen Elbseite gefunden werden – dies ist nun die kleine Turnhalle in Stove. „Es ist heute entspannter als erwartet“, meint auch Jessica Meyer. „Ich weiß gar nicht, wo die Pendler alle abgeblieben sind.“
Vielleicht haben ja viele Urlaub genommen. Denn auch die eingerichteten Parkplätze auf der Elbinsel als auch in Rönne zeigen selbst um zehn Uhr noch Lücken. Und so ist es auch an den anderen Orten. Am Zollenspieker setzen zur Entlastung der Situation zwei Fähren im fliegenden Wechsel nach Hoopte über, die aber um 7.30 Uhr nicht voll belegt sind. Aus Lauenburg, wo die Tour über die Elbbrücke als Umleitungsstrecke ausgewiesen ist, werden ebenfalls über normale Verhältnisse berichtet.
Die Arbeiten an der Brücke selbst sind auf der Nordseite mit dem Demontieren der Leitplanken gestartet. Auf der Südseite ging es in die Vollen. Ein Bagger riss mit einem Sporn den Asphalt auf und sorgte für ein Trümmerfeld aus zerbrochenen Asphaltschollen. Bereits nach den ersten zwei Stunden des ersten Tages war ein Durchkommen hier nun völlig unmöglich.