Wann ist ein Anlieger ein Anlieger? Die rechtliche Erläuterung der Geesthachter Stadtverwaltung dürfte viele Autofahrer überraschen.

Geesthacht. Damit Pendler ihr Auto abstellen können, um zu Fuß die wegen Sanierungsarbeiten gesperrten Elbbrücke zu überqueren, wurden auf der Elbinsel unterhalb der Brücke extra Parkflächen eingerichtet (wir berichteten). Diese zeigten bereits am Montag, dem ersten Tag der Sperrung, um 10 Uhr noch auffällig viele Lücken. Weil Schilder aufgestellt wurden, die die Durchfahrt zu den Flächen verbieten?

Die Parkflächen unterhalb der Brücke sind über zwei Zufahrten erreichbar. Wer aus Richtung A 25 kommt, muss die Abfahrt nach Geesthacht ignorieren und geradeaus weiterfahren, um direkt vor der Baustelle nach rechts abzubiegen und zur Elbinsel herunterzufahren. Wer aus Richtung der Straße Am Schleusenkanal kommt, fährt den Zubringer zur Brücke Richtung Lüneburg hinauf, um dann ebenfalls nach rechts vor der Baustelle abzubiegen.

Elbbrückensperrung: An beiden Zufahrten stehen Durchfahrt-verboten-Schilder

So einfach, so rechtlich unmöglich. Oder? Denn bei beiden Zufahrten stehen weit vor der Abfahrt zum Parkraum kreisrunde Schilder mit rotem Rand. Klarer Fall: Durchfahrt verboten. Verstärkt wird der Eindruck eines Absperrriegels durch einen Schrankenzaun. Noch verwirrender: Die Schilder sind kombiniert mit der Tafel „HVV und Anlieger bis Fischtreppe frei“.

„Pendler und Pendlerinnen auf der Suche nach einem Parkplatz haben in diesem Fall ein Anliegen und dürfen trotz des Zeichens ,Anlieger frei’ auf die Elbinsel fahren“, erklärt die Stadt Geesthacht auf Anfrage unserer Zeitung. Aber ist das wirklich so einfach? Denn als durchfahrtsberechtigte Anlieger gelten gemeinhin Bewohner, deren Besucher oder andere Menschen, die zu dem Anwohnergrundstück in Beziehung stehen wie Anlieferer oder Handwerker. Parkplatzsucher zählen eigentlich nicht dazu. „Wer parkt, ohne Anlieger zu sein, riskiert ein Verwarnungsgeld ab 55 Euro“, schreibt der ADAC auf seiner Homepage.

Schilder hat nicht Geesthacht zu verantworten, sondern der LBV

Aber der Begriff Anlieger scheint rechtlich doch ein wenig komplexer zu sein, als viele denken. Und so klärt die Stadt mit einer weiteren Erklärung auf. „In der StVO gibt es keine gesetzliche Definition des Begriffs Anlieger. Laut dem Kommentar inklusive Verwaltungsvorschriften zur StVO ist ein Anlieger eine Person, die eine Rechtsbeziehung zu dem betroffenen Ort hat. Ein Pendler, der sein Fahrzeug auf der Elbinsel abstellen muss, weil er die Brücke nutzen muss, hätte eine solche Rechtsbeziehung. Er wäre also Anlieger und könnte auf der Elbinsel sein Fahrzeug abstellen“, so die Erläuterung der Geesthachter Verwaltung. Alles klar? Damit sollte dem Parken auf der Insel nichts mehr im Wege stehen.

Die Schilder hat übrigens nicht Geesthacht zu verantworten. „Da die Sanierung der Wehrbrücke auf Geesthachter Seite federführend vom Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr (LBV) Schleswig-Holstein geplant und durchgeführt wird, werden dort auch die entsprechenden verkehrsrechtlichen Anordnungen getroffen“, teilt Stadtsprecherin Wiebke Jürgensen mit. Die Stadtverwaltung ist bei der Planung und Durchführung der Baumaßnahme beratend tätig. Auch die Polizei ist in die Parkplatzfrage eingebunden gewesen.

Große Lücken am Straßenrand der Zuführung zur B 404: Weil sich nur wenige Pendler durch die Verbotsschilder trauten?
Große Lücken am Straßenrand der Zuführung zur B 404: Weil sich nur wenige Pendler durch die Verbotsschilder trauten? © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Hinzu kommt, dass die Insel im Privatbesitz ist. „Um die Zeit der Vollsperrung für Pendlerinnen und Pendler etwas zu erleichtern und Abstellmöglichkeiten für Fahrzeuge zu finden, wurden bereits Lange im Vorfeld der Baumaßnahme viele Gespräche mit Grundstückseigentümern im Umfeld der Brücke geführt“, berichtet die Stadt. Auch Mitarbeitende des Fachdienstes Öffentliche Sicherheit hätten sich eingesetzt.

Stadt erklärt: Sicherheitsgarantien würden nicht übernommen

Der Elbinsel-Eigentümer habe dann zwar zugesagt, dass in den nun ausgewiesenen Bereichen auf der Insel das Abstellen von Fahrzeugen „geduldet“ werde, eine offizielle Ausweisung als Parkfläche hingegen sei nicht gewünscht gewesen und daher auch nicht möglich. So wurden die Verkehrszeichen „Durchfahrt verboten“ in Kombination mit „Anlieger frei“ vom LBV angeordnet.

Abgestellt werden können die Fahrzeuge auf der Insel in drei Bereichen: Auf dem ersten Parkplatz nach der Abfahrt sowie im östlichen Teil an der Straße An der Schleuseninsel in zwei Bereichen entlang des Grünstreifens. Das ist in der Zufahrt zur Fischtreppe und auf einem Streifen parallel zur Schleusenkammer. Sicherheitsgarantien würden nicht übernommen, erklärt die Stadt. Und Baufahrzeuge dürfen durch parkende Autos nicht behindert werden. Weitere Infos unter www.geesthacht.de, „Aktuelle Informationen aus unserer Stadt“.