Kiel. Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken und Krankenhausgesellschaft rechnen mit Lauterbach ab. Wie es jetzt weitergeht.

Diese Nachricht dürfte vielen Menschen in Schleswig-Holstein Sorge bereiten: Die geplante bessere Behandlung von Schlaganfallpatienten wird nicht kommen; die Geburtshilfe wird sich nicht verbessern; Patienten müssen sich auf längere Wartezeiten einstellen; und ob die spezialisierte Versorgung in Fachkliniken künftig noch funktioniert wie bislang, ist „zumindest fraglich“. Diese Befürchtungen skizzierte die schleswig-holsteinische Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken am Donnerstag.

Ministerin will Reform der Klinikreform: Gesetz schadet Patienten

Die CDU-Politikerin gab gemeinsam mit Patrick Reimund von der Krankenhausgesellschaft einen Ausblick auf die Auswirkungen der im November beschlossenen Krankenhausreform des Bundes. „Nach jetzigem Stand sehe ich die Versorgung gerade in ländlichen Regionen durch die Reform gefährdet“, sagte von der Decken und kündigte an, sich in der nächsten Legislaturperiode des Bundestages für eine Reform der Reform einzusetzen.

Den deutschen Kliniken geht es schlecht. Bundesweit fehlen ihnen rund sechs Milliarden Euro an einer auskömmlichen Finanzierung. Hunderten Kliniken zwischen Flensburg und Passau droht die Insolvenz. Auch in Schleswig-Holstein sind „sehr viele der 70 Kliniken in wirtschaftlicher Schieflage“, sagte Reimund. Um die Kliniken ausreichend zu finanzieren und gleichzeitig die Behandlungsqualität zu verbessern, soll ihre Zahl mit der Reform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach reduziert werden.

Kerstin von der Decken (CDU): „Klinikreform gefährdet Patienten-Versorgung auf dem Land“

Der SPD-Politiker krempelt ein hochkomplexes System komplett um. Vereinfacht ausgedrückt, sollen es künftig reine Häuser zur Akutversorgung geben. Daneben sollen sich deutlich weniger (Fach-)Kliniken auf hoch komplizierte Eingriffe spezialisieren. Ist die Reform umgesetzt, wird es deutlich weniger Kliniken geben als bislang.

Das nächste Problem: Bis die Reform greift, bräuchte es eine Übergangsfinanzierung. Nur fehlt die bislang genauso wie die Software des Bundes, um zu ermitteln, welche Klinik überhaupt welche Leistung anbieten darf. Worauf Schleswig-Holstein auch noch wartet, sind Rechtsverordnungen zum neuen Krankenhausgesetz, mit der Qualitätskriterien geregelt werden.

Zahlreichen Kliniken in Schleswig-Holstein droht das Aus.
Zahlreichen Kliniken in Schleswig-Holstein droht das Aus. © Khuram Ibn Sabir - stock.adobe.com | stock.adobe.com

Kliniken, Ärzte, Pflegekräfte und Patienten sind verunsichert. Welche Klinik überlebt? Welche Behandlung wird wo noch angeboten? Wie weit müssen Patienten und ihre Angehörigen fahren, um eine passende Klinik zu erreichen? Die Gesundheitsministerin kann diese Fragen noch nicht beantworten.

Sie rechnet damit, dass die 29 Akutkrankenhäuser und 41 Fachkliniken in Schleswig-Holstein ihre Qualitäts- und Behandlungsdaten nicht vor Herbst 2025 an den medizinischen Dienst melden werden. Der muss dann die Angaben der Krankenhäuser systematisch überprüfen. Erst anschließend verhandelt das Ministerium mit jeder einzelnen Klinik, welche Operationen noch erlaubt sind – und ob die Klinik überhaupt überlebt. Von der Decken hofft, dass 2026 ein neuer Krankenhausplan fertig sein wird. Im besten Fall.  

Trotz Bedenken stimmt Schleswig-Holstein nicht mit Nein

Die Finanzierung der Kliniken reicht nicht aus, sie leiden zudem unter einer überbordenden Bürokratie, steigendem Fachkräftemangel und Fehlanreize in der Vergütung. „Wir brauchen dringend eine Reform“, sagt von der Decken. Aber die jetzt beschlossene, die am 1. Januar in Kraft tritt, werde erst in zwei bis drei Jahren beginnen, ihre Wirkung zu entfalten. Und so sei nicht damit zu rechnen, dass die Krankenhausreform Kliniken vor der Insolvenz rette.

Trotz ihrer massiven fachlichen Bedenken an der Reform hatte sich von der Decken bei der Abstimmung im Bundesrat enthalten. Das heißt: Sie hat nicht dafür gestimmt, den Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag anzurufen. Dort hätte die Reform noch einmal grundsätzlich überarbeitet werden können. Nur: Der Koalitionspartner der CDU in Schleswig-Holstein, die Grünen, regieren im Bund mit. Und die Nord-Grünen haben von der Decken im Bundesrat zur Enthaltung gezwungen.

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Das Abstimmungsverhalten Schleswig-Holsteins hält der ehemalige FDP-Gesundheitsminister Heiner Garg für falsch. „Wäre zur Krankenhausreform der Vermittlungsausschuss angerufen worden, hätte man viele Fehler im Gesetz korrigieren können. Das hat der grüne Koalitionspartner unverständlicherweise blockiert.“ Jetzt drohten Fehlanreize und Finanzierungslücken, die Kliniken in ihrer Existenz bedrohen könnten. „Für Schleswig-Holstein ist dieses Krankenhausgesetz ohne Änderungen eine Zumutung, die die Grünen mitzuverantworten haben“, kritisierte Garg.