Hamburg. Untersuchungen von Hamburger Meeresforschern bestätigen: Binnenmeer heizt sich stellenweise auf 22 Grad auf. Die Folgen sind gravierend.
- Hitzewellen in der Ostsee nehmen zu.
- Auch die Oberflächentemperatur ist deutlich gestiegen.
- 2024 gab es schon fünf Hitzewellen in der Ostsee.
Vielleicht beschreibt Oliver Zielinskis Vergleich mit einer fiebrigen Erkrankung die Situation so treffend wie anschaulich: Die Ostsee, sagte der Direktor am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde kürzlich dem NDR, leide unter Fieber, Atemnot und Völlegefühl gleichzeitig. Fieber wegen der immer häufigeren Hitzewellen und klimabedingten Erwärmung, Atemnot wegen der immer größeren sauerstofffreien Zonen und Völlegefühl wegen des weiterhin viel zu hohen Eintrags von Nährstoffen. Zusammengefasst: Um die Ostsee ist es aktuell gar nicht gut bestellt.
Nach mehreren Studien ist sie schon lange der kranke Patient unter den Meeren: Auf die Ostsee wirkt sich der Klimawandel besonders drastisch aus. Seit den 1990er-Jahren hat sie sich im Schnitt um rund 1,2 Grad aufgeheizt. Weil sie überwiegend von Land umgeben ist und kaum Austausch mit anderen Meeren hat, erwärmt sie sich zudem deutlich schneller als die Nordsee.
Ostsee hat Fieber – Hitzewellen werden immer heftiger
Ein Symptom dieses Negativtrends ist beispielsweise die Zunahme der großen, selbst vom Weltall aus beobachtbaren Blaualgenteppiche. Und: Der Klimawandel sorgt auch dafür, dass sogenannte marine Hitzewellen im Wasser zunehmen und an Intensität gewinnen, teilte nun das in Hamburg beheimatete Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) mit.
Diese Einschätzung beruht auf dem Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie des BSH, deren Ergebnisse für das Jahr 2022 nun validiert vorliegen. Demnach seien fast zwei Drittel der Ostsee von Hitzewellen betroffen gewesen. Diese Hitzewellen entstehen durch das lokale Wetter oder Strömungsänderungen im Meer. Gemessen wurden stellenweise die „drittwärmsten bis wärmsten Sommer- und Herbsttemperaturen an der Oberfläche seit 1997“, so das BSH.
Aktuellste Zahlen belegen den Trend: 2024 schon fünf Hitzewellen in der Ostsee
Auf Nachfrage des Abendblatts hat das BSH auch die aktuellsten Messdaten geliefert: Demnach gab es 2023 an der Station „Leuchtturm Kiel“ zwei marine Hitzewellen im September und Oktober. In diesem Jahr registrierte dieselbe Station bereits fünf marine Hitzewellen – zwei kleinere im Frühling, eine im Mai/Juni und zwei im September.
Die Zunahme der Hitzewellen ist ein dramatischer Befund, denn sie beeinflussen die Meeresumwelt auf mannigfaltige Weise. So lassen sie beispielsweise die für Menschen giftige Blaualge wuchern. Die Algenblüte hat darüber hinaus vermutlich auch einen negativen Effekt auf die Dorschbestände in der Ostsee, haben Forscher herausgefunden.
Temperaturen in der nördlichen Ostsee fast 10 Grad über langjährigem Mittel
Besonders betroffen von Hitzewellen sei die westliche Ostsee, so das BSH. Doch die markantesten Temperatursprünge verzeichneten die Forscher 2022 im nördlichen Teil. „Hier stiegen die Temperaturen erstmals um fast 10 Grad über das langjährige Mittel“, heißt es vom BSH. So habe das BSH die intensivste Hitzewelle im Bottnischen Meerbusen, zwischen Umeå (Schweden) und Vaasa (Finnland), registriert. Dort lagen die Oberflächentemperaturen am 1. Juli 2022 bei 21,5 Grad und damit 9,6 Grad über dem langjährigen Mittel von 11,9 Grad. Selbst in einer Tiefe von 100 Metern seien Hitzewellen nachweisbar gewesen.
Und diese Hitzewellen treten immer häufiger auf, so das BSH mit Verweis auf eine seit 1993 ausgewertete Datenreihe: An der BSH-Station „Leuchtturm Kiel“ stiegen sie demnach um 0,73 Ereignisse pro Jahrzehnt, an der Station „Northern Baltic“ um 0,64 Ereignisse pro Jahrzehnt.
Hitzewellen bedrohen nicht nur die Ostsee
Claudia Hinrichs, BSH-Wissenschaftlerin und Co-Autorin der Studie, erklärt: „Je wärmer die Meere sind, desto häufiger treten marine Hitzewellen auf und desto länger dauern sie an. Dies ist eine direkte Folge des Klimawandels. Wir erwarten daher in Zukunft vermehrt Hitzewellen im Meer.“
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Von Hitzewellen betroffen ist aber nicht nur die Ostsee. Auch in vielen Teilen des Ozeans träten sie immer häufiger und intensiver auf, so die Forscher. Das habe enorme Auswirkungen, „von der Artenvielfalt über die Chemie des Meeres bis zum globalen Klima“.