Hamburg. Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister entschied sich nach 20 Jahren in der Medienbranche für die Politik. Über seine zweite Karriere.
Bernd Buchholz hat gemacht, wovon viele Spitzenmanager sprechen, einige träumen sogar davon: Er ist nach seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender bei Gruner + Jahr in die Politik gegangen und hat dort eine zweite Karriere begonnen.
Seit fünf Jahren ist er Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein, jetzt Spitzenkandidat seiner Partei, der FDP, für die Landtagswahl im Mai. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht der 60-Jährige über seine zwei Leben als Manager und als Politiker.
Das sagt Bernd Buchholz über …
… den entscheidenden Unterschied zwischen der Arbeit eines Vorstandsvorsitzenden und der des Wirtschaftsministers:
„Der Vorstandsvorsitzende kommt in Meetings, lässt sich von den Geschäftsführern die Dinge präsentieren, wiegt gedankenschwer sein Haupt, macht Anmerkungen und sagt am Ende: Wir müssen bei den nächsten Budgetplanungen mal sehen, ob wir das unterbringen können oder nicht. Der Wirtschaftsminister betritt einen Raum und wird nach 30 Sekunden mit den Worten begrüßt: ‚Herr Minister, wir sind gespannt auf Ihre Ausführungen.‘ Das ist der Unterschied. Was die Arbeitszeit angeht: Die 80 Stunden, die man in der Woche von einem Vorstandsvorsitzenden erwartet, können von einem Ministerposten noch getoppt werden. Rechnet man das Pensum als Spitzenkandidat mit ein, arbeitet man in Wahlkampfzeiten in der Regel sieben Tage, jeweils bis zu zwölf Stunden.
… seinen Rat an Manager, die davon träumen, in die Politik zu gehen:
„Sie sollten sich überlegen, wie sie ihre Unternehmen führen würden, wenn sie wüssten, dass sie alle fünf Jahre von der Betriebsversammlung wiedergewählt werden müssten. In der Politik geht es um das Organisieren von Mehrheit und das Überzeugen von Menschen.“
… Geld und Politik:
„Man macht Politik nicht, um Geld zu verdienen, jedenfalls ich nicht. Es ist nicht unbekannt, dass ich früher so viel Geld verdient habe, dass ich nicht mehr arbeiten müsste. Wegen des Geldverdienens nimmt man eine solche Aufgabe nicht an. Das ist eine andere Form der Berufung, der man sich verpflichtet fühlt. Und so schlecht ist ein Ministerposten auch nicht bezahlt, man kann gut davon leben.“
… seinen Eintritt in die FDP:
„Ich habe mich sehr früh für das Modell des Liberalismus entschieden, das Freiheit und Verantwortung genial miteinander kombiniert. Deshalb bin ich schon 1981 Mitglied der FDP geworden, und mir war damals schon klar, dass ich mich auch einmischen möchte. Ich wollte Politik aber nicht zu meiner Lebensaufgabe machen, weil ich ahnte, dass dann das Leben zu weiten Teilen an mir vorbei gehen würde. Die berühmte Saalkarriere, Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal, wollte ich unbedingt vermeiden.“
… seine Kontakte zu Gruner + Jahr:
„Nach zehn Jahren lassen die Kontakte jetzt zwar etwas nach, aber es gibt sie noch. Und manchmal greife ich dann auch zu, wenn Gruner + Jahr bestimmte Mitarbeiter nicht mehr haben will. Meine aktuelle Leitungsassistentin im Wirtschaftsministerium ist zum Beispiel meine ehemalige Sekretärin bei Gruner + Jahr. Ich bin bis heute mit allen meinen ehemaligen Führungskräften aus dieser Zeit freundschaftlich verbunden, was auch daran liegt, dass mir diese Beziehungen sehr wichtig waren – und dass es mir vor allem deshalb damals schwer gefallen ist, den Verlag zu verlassen.“
… sein (missglücktes) Comeback als FDP-Politiker bei der Bundestagswahl 2013 nach seinem Ausscheiden bei Gruner + Jahr:
„Ich wollte gern Bundestagsabgeordneter werden und musste mich bei der Kandidatenaufstellung innerparteilich gegen drei aktuelle Bundestagsabgeordneten durchsetzen. Was nicht so einfach war, weil die Partei nicht darauf gewartet hatte, dass Bernd Buchholz nach 20 Jahren in der Medienbranche wieder zurück in die Politik kommt. Ich habe es trotzdem geschafft, hinter Wolfgang Kubicki auf Platz zwei der Landesliste zu kommen – und dann verpasst die FDP den Einzug in den Bundestag. Als das feststand, bin ich tatsächlich kurzfristig in ein Loch gefallen, weil ich damit geplant hatte, die nächsten vier Jahre als Bundestagsabgeordneter zu arbeiten.“
… eine überraschende Frage von Wolfgang Kubicki und seinen Weg an die Spitze des Wirtschaftsministeriums in Schleswig-Holstein:
„Ich wollte 2017 bei der Bundestagswahl im Herbst erneut kandidieren, die Schleswig-Holstein-Wahl im Mai spielte für mich keine Rolle. Und dann hat Wolfgang Kubicki auf dem Hamburger Presseball im Januar 2017 meine Frau beiseitegenommen und gesagt: „Du möchtest doch auch lieber, dass dein Mann in Schleswig-Holstein arbeitet als in Berlin, oder?“ Meine Frau und ich haben das zunächst gar nicht verstanden, weil zu diesem Zeitpunkt nichts dafür sprach, dass die FDP an der nächsten Regierung beteiligt sein könnte. Umso größer war die Überraschung, dass es nach der Landtagswahl die Möglichkeit einer Jamaika-Koalition gab. Während der Verhandlungen darüber habe ich dann wirklich Blut geleckt und wollte am Ende die wirtschaftspolitischen Themen, die wir besprochen haben, auch selbst als Minister umsetzen.“
… Umfragen, die bei der Landtagswahl im Mai 2022 eine Mehrheit von CDU und Grünen vorhersagen:
„Bis jetzt habe ich vor diesen Umfragen keine Sorge, weil die FDP sich kurz vor Wahlen immer noch deutlich nach oben bewegt hat. Das erwarte ich in diesem Wahlkampf in den nächsten Wochen auch, weil viele Leute die Jamaika-Koalition gut finden und sehen, dass sie die nur wiederbekommen, wenn sie FDP wählen – denn ansonsten bekommen sie Schwarz-Grün. Das wird für viele eine Rolle spielen. Das Zusammenspiel mit den eher ökologischen geprägten Grünen und den ökonomisch geprägten Liberalen mit einem moderierenden Ministerpräsidenten von der CDU funktioniert sehr gut, weil es pragmatisch und eben nicht ideologisch ist. Die FDP würde gern mit Daniel Günther weiterregieren, das ist das Ziel dieses Wahlkampfs.“
… Wahlkampf in Zeiten des Krieges:
„Es ist nicht leicht, in diesen Zeiten Wahlkampf zu machen, weil man manchmal mit Themen unterwegs ist, von denen man selbst das Gefühl hat, dass sie klein und nichtig sind angesichts dessen, was in der Ukraine passiert. Man muss auch über den Begriff von Freiheit und Selbstbestimmung anders diskutieren, als wir das bisher gemacht haben.“
… die Ampel-Koalition in Berlin:
„Ich hatte selbst den Eindruck, dass die Startphase der Ampel-Koalition kommunikativ nicht herausragend gelaufen ist. Inzwischen hat sich die Regierung gefangen und deutliche Punkte gemacht. Das wird sich auszahlen für die Parteien, die dazugehören, ich verspüre zumindest als FDP-Spitzenkandidat keinen Gegenwind aus Berlin.“
… Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine:
„Die Hilfsbereitschaft der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner ist riesengroß, aber der Andrang ist auch groß. Wir stehen vor einer Herkulesaufgabe, die möglicherweise über das hinaus geht, was wir 2015 erlebt haben.“
Fragebogen: Was der Politiker von Barak Obama wissen will
Was wollten Sie als Kind werden und warum?
Pilot. Weil man da die ganze Welt kennenlernt und Flugzeuge mich bis heute begeistern.
Was war der beste Rat Ihrer Eltern?
Geh deinen eigenen Weg und nicht den, den andere für dich vorsehen.
Wer war bzw. ist Ihr Vorbild?
Ich habe kein wirkliches Vorbild. Politisch früh beeindruckt haben mich vor allem Hans-Dietrich Genscher und Burkhard Hirsch.
Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?
Pfiffig, aber ein bisschen vorlaut.
Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute ausüben?
Ein Ministeramt wird einem ja eher angetragen – aber ich habe es gern angenommen, weil es fantastische Gestaltungsmöglichkeiten bietet.
Wer waren die wichtigsten Förderer in Ihrem Leben?
Mein Vater, mein Doktorvater und die ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von Gruner+Jahr, Gerd Schulte-Hillen und Bernd Kundrun.
Auf wen hören Sie?
Auf meine Frau.
Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?
Die Fähigkeit loszulassen.
Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?
Alles besser wissen.
Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?
Delegation von Verantwortung und Anerkennung und Wertschätzung, auch wenn mal was in die Hose geht.
Wie wichtig war/ist ihnen Geld?
Nicht unwichtig.
Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?
Eigenverantwortung.
Worauf achten Sie bei Bewerbungen?
Auf die Persönlichkeit, die ich erkennen kann.
Duzen oder siezen Sie?
Ich duze gern und sieze, wo es eher passend ist.
Was sind Ihre größten Stärken?
Das müssen andere beurteilen, aber ich glaube, dass ich Sachverhalte recht schnell erfasse.
Was sind Ihre größten Schwächen?
Ich kann schlecht loslassen.
Welchen anderen Entscheider würden Sie gern kennenlernen?
Barak Obama.
Was würden Sie ihn fragen?
Wie er seine Amtszeit heute selbst beurteilt.
Was denken Sie über Betriebsräte?
Sehr wichtige und hilfreiche Vertreter der Arbeitnehmer, wenn sie das Wohl des Unternehmens im Blick haben.
Wann haben Sie zuletzt Fehler gemacht?
Das zeigt sich ja immer erst später, dürfte aber nicht lange her sein.
Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?
Es waren mehrere Entscheidungen, die immer beinhalteten, ein Angebot auch anzunehmen, wenn es einem gemacht wird, ohne lange zu zaudern.
Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?
Das ist unterschiedlich. Es können im Wahlkampf auch mal mehr als 70 Stunden werden.
Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?
Regelmäßig sechs bis sieben.
Wie gehen Sie mit Stress um?
Mehrfach tief ein- und ausatmen. Und: Gute Vorbereitung vermindert Stress.
Wie kommunizieren Sie?
Immer mit offenem Visier.
Wie viel Zeit verbringen Sie an Ihrem Schreibtisch?
Weniger, als ich brauchen könnte, weil die Vorbereitungen und Büroarbeiten oft im Auto stattfinden.
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Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für Ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?
Nicht so viel über die Karriere nachzudenken, sondern das, was man macht, mit Leidenschaft und so gut zu machen, wie man es kann.
Was unterscheidet den Menschen von dem Manager Buchholz?
Ich hoffe nichts.
Und zum Schluss: Was wollten Sie schon immer mal sagen?
Dass ich sehr dankbar dafür bin, was ich in meinem bisherigen Leben alles erleben und tun durfte.