Kiel. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident lässt Lockerungen zu, die in anderen Bundesländern nicht geplant sind.

Es sind keine leichten Tage für Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und die „Jamaika“-Regierungskoalition. Sein vor wenigen Tagen vorgestellter Perspektivplan für Corona-Lockerungen fand in der Ministerpräsidentenrunde wenig Gegenliebe. Mehr noch: Er wurde geradezu vom Kopf auf die Füße gestellt. Dort, wo Günthers Plan den letzten Öffnungsschritt mit den vielen Freiheiten unter anderem für Einzelhandel, Gastronomie und Hotellerie versprochen hatte – bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von unter 35 – , sind nun nur allererste kleine Erleichterungen vorgesehen.

Und die auch nur für den Einzelhandel. Von Restaurants, Bars und Beherbergungsbetrieben ist vorerst nicht die Rede. Ein bitteres Ergebnis für das Tourismusland Schleswig-Holstein. Der ursprünglich mehrstufige, nun aber deutlich zurechtgestutzte Günther-Plan hat Hoffnungen geweckt, die sich nur zu einem sehr kleinen Teil erfüllt haben.

Bei Inzidenz unter 100 erfolgt Öffnung der Kitas und Schulen

Was macht man in einer solchen Situation? Günthers Auftritt im Landtag hat da durchaus das Zeug, zum Lehrbeispiel für Kommunikation in der politischen Defensive zu werden. Der Ministerpräsident tat drei Dinge: Er versprach Öffnungen bis an die Grenze des gestern Beschlossenen und darüber hinaus, er attackierte die Opposition und er lobte sich selbst.

Und deshalb sollen am 22. Februar die Kitas und die Grundschulen geöffnet werden­ – allerdings nur dort, wo die Inzidenz unter 100 liegt. Hinzu kommen die Fahrschulen, die wieder berufsbezogene Ausbildungen vornehmen können.

Nagelstudios dürfen am 1. März wieder öffen, Sport wird möglich

Eine Woche später, am 1. März, dürfen in Schleswig-Holstein nicht nur die Friseure öffnen, wie es bundesweit der Fall ist, sondern auch die Nagelstudios. Am selben Tag können Individualsportarten nicht nur im Außenbereich, sondern auch in Hallen wieder betrieben werden. Wildparks und Zoos können wieder besucht werden. Dasselbe gilt für Blumenläden und Gartencenter.

Günther begründete diese Öffnung damit, Unterschiede bei den Regelungen in den norddeutschen Bundesländern beseitigen zu wollen. Allerdings schafft Schleswig-Holstein nun auch neue Ungleichheiten im Norden – etwa bei Kitas, Zoos, Nagelstudios und Hallensport.

Günther holt SPD mit ins Boot

Die zweite Verteidigungslinie: Die Opposition attackieren. Ob die Hoffnungen der Menschen auf Lockerungen erfüllt würden oder nicht, sagte Günther, „entscheidet sich nicht bei der Ministerpräsidentenkonferenz, sondern heute im Landtag: Wo stehen die Sozialdemokraten in dieser Frage?“

Das kam schon überraschend, denn die Regierungskoalition aus CDU, Grünen und FDP hat natürlich eine Mehrheit im Landtag, ist auf die Stimmen der SPD also nicht angewiesen. Ohnehin war gestern eine Abstimmung über die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz nicht vorgesehen. Aber Günther versuchte, die SPD, die bislang den Regierungskurs unterstützt hat, bei der Ehre zu packen.

SPD-Fraktionschef weist Günther zurecht

„Wenn wir Perspektiven aufzeigen, müssen wir das auch umsetzen“, sagte er in Richtung Sozialdemokraten. Das klang ein bisschen so, als wäre Günthers Perspektivplan am Tag zuvor in der Ministerpräsidentenkonferenz einzig und allein an der schleswig-holsteinischen SPD gescheitert.

Der SPD-Fraktionschef Ralf Stegner wies das zurück. Er sprach von einem „Ablenkungsmanöver“. Richtig sei: „Sie, Herr Günther, haben vor der Konferenz den Mund zu voll genommen und ihren Plan als ,Blaupause‘ für eine bundesweite Regelung bezeichnet.“ Das Ergebnis sei nun ein ganz anderes. Von dem Perspektivplan sei kaum noch etwas übrig.

Günther lobt eigenes Vorgehen

Stegner forderte Günther auf, die Aufgaben zu erledigen, die sich im Land stellen, zum Beispiel bei der Einführung von regelmäßigen Corona-Tests für Erzieher und Lehrer. Wichtig sei es auch, eine norddeutsche Verständigung bei den Corona-Maßnahmen herbeizuführen. Gerade in der Metropolregion seien Unterschiede kaum zu verstehen. „Lassen Sie die Nebenschauplätze“, sagte er.

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Dritte Verteidigungslinie von Günther: Er habe doch vieles richtig gemacht. „Nur durch unser beharrliches Wirken haben wir es in der Ministerpräsidentenkonferenz geschafft, erstmals nicht nur zu definieren, was in den kommenden drei Wochen passiert.“ Und: Der Bund habe vorgeschlagen, die Öffnung an eine bundesweite Inzidenz von 35 zu knüpfen. „Das haben wir abgelehnt“, so Günther. Es könne nicht sein, dass Schleswig-Holstein Öffnungsschritte nicht machen könne, weil andere Bundesländer zu hohe Inzidenzen haben.

Harms stellt Niederlage der Landesregierung fest

Lars Harms, der SSW-Fraktionschef im Landtag, tat dann das, was er so häufig tut. Harms muss oder darf als Vertreter der kleinsten Oppositionsfraktion zuletzt ans Rednerpult treten – und räumt dann regelmäßig mit den rhetorischen Nebelkerzen der Vorredner auf.

„Die Landesregierung hat bei der Ministerpräsidentenkonferenz eine ordentliche Niederlage kassiert“, stellte Harms fest. Er habe eine Bitte an den Ministerpräsidenten: „Bei der nächsten Konferenz nicht wieder ohne Perspektivplan zurückkommen.“