Mölln. Eine Frau, die Mut macht: Nach einer Routine-OP verliert Orlowski ein Bein. Jetzt kämpft sie gegen die Afrikanische Schweinepest.

Sie verlor nach einem Kreuzbandriss ihr rechtes Bein und ist seitdem mit Prothese oder im Rollstuhl unterwegs. Das hindert Inga Orlowski aus der Nähe von Mölln aber nicht daran, ihren Jagdschein zu machen und durchs Unterholz zu staksen, sich bei freiwilliger Feuerwehr und Technischem Hilfswerk (THW) zu engagieren, im Rollstuhlbasketball an den Paralympics teilzunehmen und nun mit ihrem Assistenzhund auch noch gegen die Afrikanische Schweinepest anzukämpfen. Ziemlich viel das alles. Die 45-Jährige ist eben eine Kämpferin, die das Leben liebt, und das mit einem ganz besonderen Hund an ihrer Seite.

Früher war Inga Orlowski Fußballerin und zwar eine ziemlich Gute. Als Mittelstürmerin in der Regionalliga war sie für ihre Kopfballqualitäten bekannt. Heute hat sie eine Beinprothese. Ein Arzt hatte bei der Operation ihres Kreuzbandrisses Fehler gemacht, es folgten Komplikationen. „Es ist schiefgegangen, was schiefgehen konnte“, sagt Inga Orlowski.

Nach 35 Operationen in elf Jahren, einer Sepsis, multiplem Organversagen, zehn Tage künstlichem Koma und nach einer Infektion mit einem multiresistenten Krankenhauskeim hatte sie genug von ewigen Schmerzen und beschloss: Das Bein muss ab. Was sich schrecklich anhört, war für sie vor allem eine Erleichterung. Und der Beginn eines anderen Lebens. „Ich bin zufrieden. In meinem Leben ging es zum Glück immer weiter.“ Aufgeben war für sie keine Option.

Ausbildung zum Assistenzhund dauerte zwei Jahre gedauert

Statt auf dem Fußballplatz zu stehen, stapft sie nun regelmäßig mit einem Bein und einer Prothese durch den Wald. Immer an ihrer Seite ist der vierjährige Labradorrüde Tayo. Er ist seit Welpenalter bei Inga Orlowski und ihr Assistenzhund. Vorgängerin Happy war die erste Hündin, die ihr beiseitestand. Tayo unterstützt sein Frauchen in ihrem Alltag, hebt für sie Dinge auf, die ihr runterfallen. Denn sowohl vom Rollstuhl aus als auch mit ihrer Prothese kann sich Orlowski nicht ohne Schwierigkeiten bücken.

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Tayo hilft bei der Ampelschaltung im Straßenverkehr, er kann Schubladen öffnen und Dinge herausholen, das Telefon bringen, beim Einkaufen assistieren, im Notfall sogar Hilfe holen. Dann bellt er, der sonst so unaufgeregt ist und in sich selbst ruht, und die Nachbarn wissen Bescheid, dass etwas im Haus von Inga Orlowski nicht stimmt. Er könnte zur Not auch ihren Rollstuhl ziehen.

Zwei Jahre hat die Ausbildung zum Assistenzhund gedauert. Hauptberuflich arbeitet Inga Orlowski als Amtsanwältin bei der Staatsanwaltschaft in Lübeck. Dort engagiert sie sich auch in der Schwerbehindertenvertretung. Sie ist ehrenamtlich bei der Freiwilligen Feuerwehr und dem THW. Sie spielte Rollstuhlbasketball, ihr Ehrgeiz packte sie, und sie spielte sich in die Nationalmannschaft, fuhr mit dem Team zu den Olympischen Spielen nach Athen. Derzeit spielt sie, wenn nicht gerade Lockdown ist, einmal in der Woche Sitzvolleyball. Sie hat es auch dort bis in die Nationalmannschaft geschafft. Das reicht der energiegeladenen Frau aber nicht.

Auf der Jagd wird der Tayo zum Nervenbündel

Seit einiger Zeit haben Tayo und sein Frauchen ein gemeinsames Hobby: die Jagd. „Es ist so schön zu erleben, wie meinem Hund dabei das Herz aufgeht“, sagt Inga. Dann wird aus dem gelassenen Tayo, der gern zu Hause im Garten Vögel beobachtet und die Ruhe selbst ist, ein zittriges Nervenbündel. Dann kann er es kaum erwarten, dass sein Einsatz gefragt ist. Und ihr selbst tut es ebenfalls gut, den ganzen Tag draußen in der Natur zu sein und den Wald zu erleben.

Vor zwei Jahren hat Inga Orlowski ihren Jagdschein gemacht, und auch Tayo musste nach eindreiviertel Jahren Ausbildung zur Jagdhundeprüfung. Beide haben bestanden. „Ich bin ein Prüfungsmensch, aber als mein Hund geprüft wurde, war ich sehr nervös“, sagt sie und lacht. Tayo hat also zwei Funktionen: Er ist Assistenzhund und Jagdhund. „Das Faszinierende ist, dass er beide Funktionen voneinander trennen kann. Wenn ich einbeinig an einer toten Ente vorbeigehe, interessiert ihn die Ente nicht. Dann ist er für mich da.“

So führt er als Jagdhund seine Halterin zu einem toten Tier etwa nicht, wie es von einem Jagdhund erwartet wird, auf direktem Weg durchs Dickicht zum Wild, sondern nimmt die Strecke, die für sein Frauchen mit nur einem Bein leichter zu passieren ist. „Ich bin so stolz auf ihn“, sagt sie.

Tayo hat auch die Prüfung zum Afrikanische-Schweinepest-Suchhund bestanden

All das würde doch als Auslastung und Hobby genügen. Aber Inga Orlowski geht noch einen Schritt weiter. Als einer von nur rund 100 Hunden in Deutschland hat Musterschüler Tayo auch noch die Prüfung zum Afrikanische-Schweinepest-Suchhund bestanden. Die Afrikanische Schweinepest dringt immer weiter vor, und es gibt inzwischen Fälle in Brandenburg. Tayo kann die verendeten Wildschweine aufspüren. „Das ist so wichtig, weil die Tiere hochinfektiös sind“, sagt Orlowski. Die Kadaver müssen gefunden und entsorgt werden, um die Tierseuche einzudämmen.

Taucht die Afrikanische Schweinepest in einem Gebiet auf, werden Sperrbereiche mit Schutzmaßnahmen ausgewiesen. In Brandenburg beispielsweise wurden 1,20 Meter hohe Zäunen gesetzt. Es gilt dann Leinenpflicht für Hunde, ein Jagdverbot und ein Verbot für die Landwirtschaft in den betroffenen Regionen. „Ein nachgewiesener Seuchenfall hat gravierende Auswirkungen für die Schweine haltenden Betriebe“, so Orlowski.

Tayo und Inga Orlowski sind bereit, bei der Eindämmung zu helfen. Demnächst geht es für beide nach Brandenburg, um tote Wildschweine aufzuspüren. Auch wenn das Leben mit Beinprothese nicht das ist, was sich die sportliche Frau, die gern einmal vier Kinder haben wollte, gewünscht hat, ist es ein gutes Leben. „Es ist alles gut, wie es ist. Aber es ist kein Zuckerschlecken“, sagt sie. Sie sagt aber auch: „Das Leben ist schön, und das Leben mit Hund ist noch schöner.“ Hätte sie noch zwei Beine, hätte sie nie einen Hund gehabt.