Westerland. Zwischen Niebüll und Klanxbüll wird gebaut. Der Autotransport wird erheblich eingeschränkt und die Fahrzeit verlängert sich.
Wenn man der Werbung glauben will, wird der November ein toller Sylt-Monat: Mit einem „kulinarischen Fährgnügen“ (Pressemitteilung) will die Rømø-Sylt Linie GmbH Kunden auf ihre beiden Schiffe locken. Der bekannte Fischgastronom Jürgen Gosch wird auf der neuen Fähre, die ab 4. November verkehrt, ein Restaurant eröffnen. „Sylter Lebensart passt perfekt zu uns“, jubelt Tim Kunstmann, Geschäftsführer der Fährlinie, dessen Schiffe das dänische Havneby (auf Rømø) mit List (auf Sylt) verbinden.
Möglicherweise ist das „Fährgnügen“ allerdings gar nicht notwendig, um die „RømøExpress“, zu füllen – und das alte Schiff noch dazu, die „SyltExpress“. Denn die Deutsche Bahn macht die Schotten dicht. Auf der Bahnlinie nach Sylt wird vom 6. bis 29. November gebaut. Der Transport von Autos ist nur von Freitag bis Montag möglich, nicht aber dienstags, mittwochs und donnerstags. An diesen drei Tagen verkehrt kein Autozug.
Deutsche Bahn: Fahrzeit Niebüll–Sylt verdoppelt sich
Und auch für Pendler und Sylt-Besucher wird es schwierig, auf die Insel zu kommen. Denn wegen Arbeiten am Gleis zwischen Niebüll und Klanxbüll wird der Zugverkehr dort komplett eingestellt. Wer auf die Insel will, muss in Niebüll in einen der Ersatzbusse steigen und in Klanxbüll wieder aussteigen, um sich dann dem Hindenburgdamm und der Bahn anzuvertrauen, die dort verkehrt. Die Fahrzeit zwischen Niebüll und Westerland verdoppelt sich dadurch: von einer halben auf gut eine Stunde.
Der November wird deshalb für Pendler und Touristen gewiss kein toller Monat. Die Stimmung ist schlecht auf der Insel, die Bahn steht massiv in der Kritik. Am kommenden Dienstag hat der Kreis Nordfriesland wieder einmal zu einem Bahngipfel eingeladen. „Dabei wird es auch um den November gehen“, sagt Achim Bonnichsen von der Pendlerinitiative, die schon seit 2012 für eine bessere Bahnverbindung auf die Insel Sylt kämpft.
Pendler zweifeln an Zuverlässigkeit des Busersatzverkehrs
Viele Pendler, sagt der Niebüller, hätten Zweifel, ob die Bahn in der Lage sei, einen zuverlässigen Busersatzverkehr zu organisieren. „Sie überlegen deshalb, mit dem Auto bis Klanxbüll zu fahren und dort in den Zug zu steigen.“ In der Vergangenheit habe es schon öfter mal einen Busersatzverkehr auf der Strecke nach Sylt gegeben.
„Das sieht dann auch schon mal so aus, dass der Busfahrer einfach seinen Fahrplan einhält und pünktlich, aber leer losfährt – weil der ankommende Zug, dessen Fahrgäste er mitnehmen soll, Verspätung hat. Und Verspätungen“‑– Bonnichsen seufzt –, „Verspätungen sind nun wirklich keine Seltenheit auf der Bahnlinie Hamburg–Sylt.“
In der Tat kommt die Marschbahn schon seit 2016 nicht aus den Schlagzeilen heraus. Damals war die Nord-Ostsee-Bahn (NOB) Betreiber der Strecke, die mittlerweile und noch bis 2025 zum Reich des Bahnunternehmens DB Regio gehört. Viele der 90 Waggons, mit denen dort gefahren wurde, hatten Kupplungsschäden. Die Reparatur erwies sich als schwierig. Zumal sie nicht der NOB und auch nicht DG Region gehören, sondern einem dritten Unternehmen.
Das hatte zur Folge, dass zunächst einmal geklärt werden musste, wer für den Schaden verantwortlich ist und wer ihn folglich bezahlt. Die DB karrte zum Teil stark veraltetes Zugmaterial aus der gesamten Bundesrepublik herbei, um die Strecke überhaupt bedienen zu können.
Jede Marschbahn-Lok musste aufwendig umgerüstet werden
Dann streikten auch noch die nagelneuen Bombardier-Loks. Die Dieselmotoren neigten zu Überhitzungen, die dann zu Abschaltungen führten. Mehrfach blieben Marschbahn-Züge auf offener Strecke liegen. Lange wurde nach technischen Lösungsmöglichkeiten gesucht.
Schließlich blieb nichts anders übrig, als jede Lok aufwendig umzurüsten. Dazu mussten sie zurück ins Werk. Ersatz war nur schwer zu bekommen. Und das alles geschah auf einer Strecke, in deren Wartung die Bahn lange Jahre nur das allernötigste investiert hatte. Wenn aber schadhafte Loks und schadhafte Waggons eine schadhafte Strecke befahren, dann sind Verspätungen und Zugausfälle die logische Folge.
Bahn will 160 Millionen in Hamburg-Sylt-Strecke investieren
Immerhin sind sie nun der Tatsache geschuldet, dass die Bahn umgesteuert hat. 160 Millionen Euro will sie bis Ende 2022 in den Schienenweg Marschbahn stecken. Zwischen Hamburg–Altona und Sylt sollen insgesamt rund 200 Kilometer Gleise und mehr als 30 Weichen erneuert werden. Und im November ist eben das Gleis zwischen Niebüll und Klanxbüll dran. Der Termin ist zuvor mit den Tourismusverbänden auf der Insel abgesprochen worden. Der November ist der besucherschwächste Monat auf Sylt.
„Die Gleisbauarbeiten sind unvermeidbar, und daher müssen wir mit dieser Ausnahmesituation nun bestmöglich umgehen“, sagt eine Sprecherin der Sylt Marketing GmbH. Sylter und Sylt-Gäste sollten alternative Anreisemöglichkeiten in Betracht ziehen. „Glücklicherweise“, so die Sprecherin weiter, werde auf der Fährlinie zwischen List und Havneby ja nun ein zweites Schiff eingesetzt. Wird es also doch ein toller November mit jeder Menge „Fährgnügen“? Für die Pendler jedenfalls nicht. „Für uns ist der Weg über Rømø viel zu weit“, sagt Achim Bonnichsen.
Und die Bahn? Sie verspätet sich. Am vergangenen Mittwoch legte eine defekte Weiche am Bahnhof Niebüll den Verkehr lahm. Auf der Internetseite der Bahn hieß es: „Bitte rechnen Sie auf der gesamten Linie Westerland‑Hamburg mit einer Reisezeitverlängerung von bis zu einer Stunde, und auch Zugausfälle sind möglich.“ Sie wurden dann sogar Realität. Am Freitag war der Schaden wieder behoben.