Sylt. Pius Regli darf in seinem Kampener Restaurant Manne Pahl nur noch 33 Gäste bewirten. Er spricht von Willkür – und macht nun Ernst.
Das Restaurant Manne Pahl im Herzen von Kampen ist eine Institution auf Sylt. Die Hamburger Gesellschaft ist hier gern zu Gast, viele haben ihre Ferienhäuser in dem Nobelort. Auch Prominente kehren gerne dort ein. Fußballtrainer Jürgen Klopp ist ein Freund des Hauses. Seit 35 Jahren führt Pius Regli das gediegene Lokal und gehört zu den bekanntesten Gesichtern auf der Insel.
Als Sylt am 1. Mai zur Modellregion ausgerufen wurde und nach sechs Monaten Corona-Zwangspause die Hotellerie sowie Gastronomie wieder öffnen durfte, da war der gebürtige Schweizer von Anfang an dabei. „Die Nachfrage war groß, und es lief alles rund. Die Gäste freuten sich, dass wir wieder da waren, und wir freuten uns darüber, endlich wieder Gastgeber sein zu dürfen. Aber dann begannen die Kontrollen durch den Kreis Nordfriesland. Und inzwischen bin ich zermürbt“, sagt Regli dem Abendblatt.
Restaurants auf Sylt müssen strenge Regeln befolgen
Er habe inzwischen wohl zehn Besuche von den Behörden gehabt, „zunächst hieß es, meine Trennwände zwischen den Tischen seien nicht hoch genug und müssten unten geschlossen und 1,90 Meter hoch sein. Natürlich habe ich das dann geändert, obwohl mir nicht bekannt ist, dass diese Regelung auch bei anderen Gastronomen gilt.“
Aber existenzbedrohend sei, dass ihn der Kreis seit dem 21. Mai per Ordnungsverfügung aufgefordert habe, dass die Anzahl der gleichzeitig anwesenden Gäste im Innenbereich auf 33 beschränkt werden muss. Normalerweise wäre dort Platz für 100 Personen.
Sylter Wirt schaltet Anwalt ein
Und Regli sagt. „Die haben sich mehr oder minder eine Bauzeichnung meiner Räume angeschaut und berufen sich auf Abstandsregelungen. Ich habe inzwischen einen Anwalt eingeschaltet, der gegen diese Willkür juristisch vorgehen wird. Wenn ich nicht bald wieder deutlich mehr Gäste im Gastraum bewirten darf, dann bekomme ich massive wirtschaftliche Probleme.“
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Das Telefon in dem Restaurant klingelt alle paar Minuten, und immer wieder sagt Regli diesen Satz. „Ich nehme momentan keine Reservierungen an, wir haben Probleme mit dem Ordnungsamt und deshalb nur noch 33 Plätze innen.“ Auch für die beiden Terrassen hat ihm der Kreis Nordfriesland Beschränkungen aufgelegt, hier sind nur noch 23 beziehungsweise 26 Personen erlaubt. Für Raphael Ipsen, zweiter Vorsitzender des Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) Sylt, steht fest:
Viele Restaurants auf Sylt gar nicht kontrolliert?
„Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, wie der Kreis Nordfriesland darauf kommt, im Innenraum die Zahl der anwesenden Gäste auf 33 zu beschränken. Das ist unverhältnismäßig. Und ich kenne nur wenige Gastronomen, die überhaupt vom Kreis eine Beschränkung ihrer Sitzplatzanzahl auferlegt bekommen haben. Auch dass die Trennwände 1,90 Meter hoch sein müssen, ist so der Landesverordnung nicht zu entnehmen“, sagt Ipsen.
Dem Vernehmen nach gibt es zahlreiche Gastronomiebetriebe auf Sylt, die überhaupt noch nicht kontrolliert wurden, ob die Auflagen eingehalten werden. „Dass die Behörden ein so großes Interesse am Restaurant Manne Pahl haben, könnte daran liegen, dass es sehr bekannt ist und zudem der Standort mitten in Kampen ist“, sagt Ipsen.
Bei Corona ist der Kreis Nordfriesland streng
Unterdessen droht Wirt Regli weiteres Ungemach. Denn bei einer Kontrolle am 18. Juni ist festgestellt worden, dass 36 anstatt 33 Gäste im Innenraum an den Tischen saßen und der Wirt wie auch die Gäste damit gegen die Auflagen verstoßen hätten. Es waren schließlich genau drei Gäste zu viel. Und der Kreis Nordfriesland lässt nicht mit sich spaßen. In einem Schreiben (liegt dem Abendblatt vor) wird Regli angedroht, „falls bei einer erneuten Kontrolle wieder Verstöße festgestellt werden“, wird das Restaurant geschlossen und versiegelt.
„Ich bin seit mehr als 40 Jahren auf der Insel, aber dass man so durch die Behörden drangsaliert wird, habe ich noch nie erlebt. Ich möchte doch einfach nur für meine Gäste da sein und mich nicht mit den Behörden auseinandersetzen“, sagt Regli.
Außengastro auf Sylt läuft gut an
Aber es gibt auch Erfreuliches zu berichten. Der Neustart für die Wirte auf Sylt – bereits seit dem 12. April war die Außengastronomie in Schleswig-Holstein bei einer Inzidenz unter 100 wieder erlaubt – sei durchaus geglückt, sagt Ipsen. „Als am 1. Mai die Modellregion startete, da waren auch die Urlauber gleich wieder auf der Insel. Die Restaurants, Cafés und Kneipen sind sehr gut ausgelastet. Aufgrund dessen, dass wegen Abstandsregelungen weniger Plätze zur Verfügung stehen, ist das Angebot häufig größer als die Nachfrage.
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
In manchen Lokalen muss man mehrere Wochen im Voraus reservieren, um einen Tisch zu bekommen.“ Die Modellregion hatte sich dann schon nach kurzer Zeit überholt, weil seit dem 1. Mai wieder in ganz Schleswig-Holstein die Beherbergungsbetriebe öffnen durften. Vor Pfingsten gab es Schlagzeilen wegen Verstößen von Wirten gegen die Corona-Regeln.
Tourismus ist größter Wirtschaftsfaktor auf Sylt
„Das sind Einzelfälle gewesen. Generell geben sich die Gastronomen und Hoteliers größte Mühe, alle Regeln zu beachten. Der Tourismus ist der größte Wirtschaftsfaktor auf der Insel, und da geht keiner ein Risiko ein“, sagt Ipsen. Auf Sylt gilt – wie im ganzen Land Schleswig-Holstein – seit wenigen Tagen die Regel, dass die Gäste bei der Anreise ihrem Gastgeber einen negativen Corona-Test vorweisen müssen, der nicht älter als 48 Stunden ist. Neu ist, dass die Übernachtungsgäste in ihrer Unterkunft danach nur noch einmal nach 72 Stunden einen weiteren negativen Test vorlegen müssen und dann für den Rest des Aufenthalts nicht mehr.
In der Gastronomie gilt: Wer innen essen möchte, muss nach wie vor einen Test nachweisen, der nicht älter als 24 Stunden ist. „Die Branche würde es begrüßen, wenn die 48-Stunden-Regelung künftig auch für die Gastronomie gelten würde. Das wäre eine Erleichterung für die Gäste und Gastronomen“, sagt Ipsen.
Sylt: Gegen 41 Gastrobetriebe laufen Verfahren
Hans-Martin Slopianka, Sprecher des Kreises Nordfriesland, sagte auf Abendblatt-Anfrage: „Jede Gaststätte verfügt über einen Brandschutzplan, der die normalerweise (also außerhalb der Pandemie) zulässige Bestuhlung beschreibt. Auf Grundlage dieser Pläne gehen wir typisierend davon aus, dass derzeit im Höchstfall die gleichzeitige Bewirtung der Hälfte der dort vorgesehenen Gäste möglich ist. Der Brandschutzplan für das Restaurant Manne Pahl geht von 66 Plätzen im Innenbereich aus. Davon die Hälfte ist 33.“
Warum manche Lokale häufiger kontrolliert werden, begründete der Sprecher so: „Lokale mit hohem Andrang und vorherigen Beanstandungen werden öfter kontrolliert. Natürlich haben wir uns am Anfang der Kontrollen auf die konzentriert, die entweder groß und bekannt sind oder die in der Vergangenheit schon auffällig waren.“ Bislang wurden gegen 41 Gastrobetriebe auf Sylt laut Slopianka Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstößen gegen die Corona-Verordnung eingeleitet.