Sylt. Dehoga-Chef Dirk Erdmann spricht über den “Sättigungsgrad“ bei den Unterkünften, die Pläne für Sylt – und die Krise durch die Pandemie.

Aus Liebe zu Sylt habe er sich entschieden, dieses Ehrenamt zu übernehmen, sagt Dirk Erdmann. Im Mai vergangenen Jahres wurde der 58-Jährige zum Sylter Vorsitzenden des Dehoga (Deutscher Hotel und Gaststättenverbandes) gewählt, dem rund 150 Betriebe auf der Insel angehören. Nur wenn man sich für die Insel und die Branche engagiere, könne man den Qualitätstourismus weiter auf Kurs halten, so Erdmann.

Klare Worte können dabei hilfreich sein. Im Sylt-Podcast des Hamburger Abendblatts sagt der Hotelier etwas, was man von einem Dehoga-Vertreter nicht erwarten würde: „Wir haben sowohl bei der Hotellerie, aber auch bei den Ferienwohnungen einen Sättigungsgrad erreicht. Die Diskussion über eine Bettengrenze für die Insel ist überfällig!“

Tourismus: Sylt ist bei Hotels gut aufgestellt

Für Erdmann, Chef des Hotels Rungholt in Kampen, steht fest: „Wenn wir neue touristische Projekte umsetzen, dann müssen diese ein tolles Thema und eine spezielle Qualität haben. Aber dafür müssen keine neuen Flächen her, sondern dort, wo es bereits ein Hotel gibt, kann etwas Neues gebaut oder das Haus modernisiert werden. Zudem sind wir in der Vier- und Fünf-Sterne-Hotellerie auf der Insel gut aufgestellt.“ Und Erdmann benennt auch viele andere Baustellen, die es auf Deutschlands bekanntester Urlaubsinsel gibt. „Da geht es um Themen wie Infrastruktur, An- und Abreise oder zu wenig Radwege .“

Von seinem Büro im Erdgeschoss seines Hotels hat Erdmann das Wattenmeer im Blick. In der dritten Generation führt der begeisterte Golfer das Rungholt, das 65 Zimmer und 77 Mitarbeiter hat. Sein Vater, ein gebürtiger Insulaner, war nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst nicht auf die Insel zurückgekehrt. Deshalb wurde Erdmann auch nicht auf Sylt, sondern im Sauerland geboren. Er lacht. „Das habe ich lange geheimgehalten, aber jetzt spreche ich ganz offen darüber.“

Erdmann machte eine Ausbildung zum Koch

Im Alter von sechs Jahren – es war das Jahr 1970 – zog Erdmann dann mit der Familie auf die Insel. Damals hatte seine Großtante seinem Vater das Hotel vermacht. Bis zum Abitur sei es kein Thema gewesen, ob er später einmal das Haus übernehme. Dann aber hatte sein Vater ganz gewieft ein Gespräch mit Gert Prantner, der damals das Vier Jahreszeiten in Hamburg führte, organisiert. Und nach dem halbstündigen Gespräch in dem Luxushotel war Erdmann von Prantner so beeindruckt, dass er sich für die Branche entschied.

Er machte eine Ausbildung zum Koch, natürlich im Vier Jahreszeiten, und lernte seine Frau Sabine kennen, die dort ebenfalls arbeitete. Inzwischen sind die beiden 30 Jahre verheiratet. Später arbeitete er bei dem legendären Hans-Peter Wodarz im Gourmettempel Ente von Lehel in Wiesbaden. „Ich wollte danach noch auf die Hotelfachschule gehen. Aber dann kam mein Vater nach Wiesbaden und erzählte, dass er die Baugenehmigung für die Erweiterung unseres Hotels habe, aber dies nicht alleine schafft.“

„Alles wird teurer, egal ob Benzin, Gas oder Gemüse"

Das war 1989. Eigentlich wollte Erdmann nur eine Sommersaison in Kampen bleiben und die Bauarbeiten überwachen, aber daraus wurde nichts. 1994 übernahm er das Hotel. Das Haus an der feinen Kurhausstraße zählt zu den ersten Adressen auf der Insel. „Zwischen vier und fünf Sternen“ würde er sein Hotel einordnen, sagt Erdmann und schmunzelt. Denn obwohl der Dehoga in Deutschland die offiziellen Hotelsterne vergibt, verzichtet ihr Sylter Vorsitzender darauf. „Eine solche Klassifizierung ist für mich nicht mehr zeitgemäß. Uns hat das nie geschadet, wir dürfen halt nur nicht mit Sternen werben.“

Der Hotelier ist ein zugewandter Gesprächspartner, der keiner Frage ausweicht. Auch wenn es darum geht, dass auf der Insel im Sommer zur Hauptsaison teilweise abstrus hohe Preise für Hotelzimmer verlangt werden. „Alles wird teurer, egal ob Benzin, Gas oder Gemüse. Und bei seiner Preisgestaltung geht eben auch jeder Hotelier seinen eigenen Weg.“

Erdmann auch in der Politik aktiv

Aber Erdmann räumt ein: „Ich würde mir auch manchmal ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl wünschen. Wenn man von einem Stammgast plötzlich 30 Prozent mehr pro Übernachtung verlangt, dann wird dieser nicht wiederkommen.“ Seit 1994 ist Erdmann auch in der Kommunalpolitik aktiv. Er ist in der CDU und Vize-Bürgermeister von Kampen. „Dieser Ort ist ein Juwel, und das will ich mit meinem ehrenamtlichen Engagement in der Politik erhalten.“

Seit zwei Jahren ist auch Sylt von Corona gebeutelt. Zwei Lockdowns musste die Insel verkraften. Aktuell gilt auch hier für die Gastronomie und Hotellerie noch 2G plus. Nach dem Jahreswechsel war die Inzidenz auf der Insel nach Partys in Kneipen explosionsartig angestiegen. „Natürlich haben sich die Medien auf dieses Thema gestürzt. Aber so dramatisch war es wirklich nicht. Auch wenn man natürlich immer Sorge darum hatte, dass Mitarbeiter oder Gäste positiv getestet werden.“

Nordsee: Dehoga-Chef wünscht sich Lockerungen

Inzwischen hat sich die Lage beruhigt, zuletzt wurden am Dienstag 178 positive Corona-Fälle gemeldet. Der Dehoga-Chef wünscht sich deshalb Lockerungen „und dass wir endlich wieder zur Normalität zurückkehren“. Dramatisch sei allerdings die Personalsituation auf der Insel. „Wir haben einen Fachkräftemangel, und auch in den Berufsschulen fehlt der Nachwuchs – vor allem bei den Köchen.“ Corona verschärfe die Situation noch. „Die Herausforderung, Personal zu finden, ist so groß wie noch nie.“ Jeder auf der Insel versuche sich über die eigenen „Vertriebswege“ Mitarbeiter zu organisieren. Im Rungholt sind es Arbeitskräfte aus dem Ostblock. „Wir werben auch gemeinsam mit unseren Nachbarn für die nordfriesischen Inseln als Arbeitsplatz.“

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Zumindest um seine eigene Nachfolge braucht sich der Hotelier keine Sorgen zu machen. Seine 28 Jahre alte Tochter hat ihr Studium zur Hotelbetriebswirtin abgeschlossen und sammelt jetzt Praxis im Hamburger The George Hotel als Front Desk Managerin, der 23-jährige Sohn hat mit dem Hotelmanagement-Studium begonnen. Nur beim 25 Jahre alten Sohn sei wohl etwas schiefgelaufen, sagt Dirk Erdmann schmunzelnd – der ist nämlich angehender Jurist.