Kiel. Auch weil einige Urlauber sie füttern, schnappen die Vögel nach Pommes, Fischbrötchen oder Crêpes. Welche Methoden dagegen helfen.
Es kann überall an Nord- und Ostsee passieren. Am Südstrand auf Fehmarn etwa: Gerade hat die Mutter ihrer Tochter einen frischen Crêpe an einer Bude gekauft, beide sitzen auf einer Bank, da schießt eine Möwe von oben herab und klaut dem Mädchen den dünnen Pfannkuchen aus den Händen, hält ihn im Schnabel fest und lässt das Kind verdutzt zurück. Das geht so schnell, dass weder Mutter noch Kind reagieren können. Wie aber reagiert man am besten auf diese frechen und schlauen Räuber?
Aggressive Möwen an Nordsee und Ostsee
„Im Wattenmeer frisst die Möwe am liebsten Krabben und Muscheln aber am Hafen, Deich und Strand rauben sich Möwen auch mal Fischbrötchen, Crêpe, Pommes oder Eis von den Gästen“, sagt Olaf Raffel. Der Tourismuschef von Büsum hat das natürlich auch in dem kleinen Nordseeort sehr häufig beobachten können. Jeder, der an Nord- und Ostsee ist und etwas Leckeres am Strand oder an der Promenade in der Hand hält, kennt das: Möwen, die einem das Fischbrötchen klauen oder es zumindest versuchen. Wenn sie im Sturzflug herunter schießen, kann das einem Angst machen. Richtig aggressiv wirken die Vögel.
Aber die Furcht ist unbegründet. „Angst muss man nicht haben, denn normalerweise ist die natürliche Scheu vor Menschen noch immer so groß, dass eine Möwe den Menschen und die Beute zwar im Auge hat, aber er erst zuschlägt, wenn der Mensch fertig ist mit dem Essen und die Reste entsorgt“, sagt Jenifer Calvi von der Deutschen Wildtier Stiftung.
Aufdringliche Möwen mit Blicken einschüchtern
Auf keinen Fall sollte man eine Möwe in der Hoffnung füttern, dass sie dann weiterziehe, so Jenifer Calvi. Das funktioniere nicht. Die Möwe einfach anstarren, damit sie weiterfliegt? Das scheint auch keine Lösung zu sein. Denn wer kann ein Brötchen genießen, wenn er dabei eine Möwe fixiert? Allerdings gehen die wissenschaftlichen Meinungen beim Thema Anstarren auseinander. Laut Forschern um Madeleine Goumas von der britischen Universität in Exeter lassen sich ganz aufdringliche Vögel wohl doch mit Blicken einschüchtern.
Bereits vor einigen Jahren hatten die Briten für ihre Untersuchung eine Tüte mit Essen auf den Boden gestellt. Kam eine Möwe angeflogen, hat eine Gruppe von Probanden den Vogel intensiv angeschaut, die anderen haben bewusst weggeguckt. Ergebnis: Bei den Möwen, die angestarrt wurden, ging nur jede vierte an die Tüte. Gucken die Menschen aber weg, traute sich jede Testmöwe an die Essenstüte. Der Tipp der britischen Forscher: Mit dem Rücken zu einer Wand sitzen und auf die Möwe starren und nicht etwa auf das Essen.
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Aber auch bei den Möwen gibt es solche und solche Charaktere. Nicht immer verhalten sie sich, wie man es erwartet. „Je erfahrener eine Möwe ist – und Möwen können über 30 Jahre alt werden – desto besser ist sie im ‘Mundraub’ und nutzt die passende Gelegenheit“, sagt Jenifer Calvi. Möwen kommen sehr gut ohne den Menschen klar, aber sie halten sich eben dort auf, wo Menschen sind, weil sie von ihren Nahrungsresten profitieren.
Ihr Tipp: Kleine Kinder im Auge behalten, denn die können ihr Essen nicht so gut vor einer hungrigen Möwe schützen wie Erwachsene. Wenn gar nichts geht, sei es sinnvoll, das Fischbrötchen einfach woanders zu essen.
Nordsee und Ostsee: Möwen auf Fischbrötchen konditioniert
„Die Möwen sind ja inzwischen auf Fischbrötchen und Strandpicknicke konditioniert“, das beobachtet Doris Wilmer-Huperz von der Tourismus Agentur Lübecker Bucht in Scharbeutz. Sie hat auch schon mitbekommen, dass Besucher die Möwen mit Brötchen füttern. Davon hält sie gar nichts. „Es ist keine gute Idee, Möwen zu füttern, denn dann verlieren sie ihre natürliche Scheu vor dem Menschen und schon ist das Fischbrötchen nicht mehr sicher. Da hat keiner was von“, betont Doris Wilmer-Huperz.
Den Tieren etwas Essbares zu geben, sei nicht nur eine schlechte Idee, sondern auch nicht erlaubt. „Das Füttern von Vögeln und anderen Wildtieren ist in der Gemeinde Büsum sowie im Deich- und Strandbereich einschließlich der Watt’n Insel verboten“, sagt Büsums Tourismuschef Olaf Raffel. „Möwen sind hartnäckig und frech, wenn sie es erst einmal gelernt haben, dass Menschen Fressbares bereit halten. Daher darf man Möwen nicht aktiv füttern, da für die Möwe die Schwierigkeit schlicht darin besteht, für sich zu erkennen, wann der Mensch für sie Futter bereit hält, und wann er das Eis doch lieber selbst behalten möchte.“
Jenifer Calvi von der Deutschen Wildtier Stiftung möchte trotz des gelegentlichen Ärgers um geklaute Crêpes auch die schöne Seite hervorheben, die der Mensch mit Möwen erleben kann, so wie sie es selbst schon erfahren hat: „Wer einmal zusammen mit einer einzelnen Möwe den Sonnenaufgang am Meer erlebt und mit ihr gemeinsam auf das glitzernde Wasser in den Horizont geschaut hat, der sieht den eleganten Küstenvögel mit anderen Augen.“