Ebbe und Flut, Sonne und Strand, Deiche und Sturm - die nordfriesische Halbinsel im Wattenmeer ist ein herbfrisches Urlaubsparadies.

Nur 30 Kilometer lang und 15 Kilometer breit ist die nordfriesische Halbinsel, im Süden wird sie von der Eidermündung, im Westen und Norden vom Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer begrenzt. Eiderstedt ist Land von Menschenhand, der Nordsee in zehn Jahrhunderten mühsam abgerungen. Sattgrünes Marschland, so weit das Auge reicht, eingefasst von bis zu 8,50 Meter hohen Deichen, die dem Blanken Hans trotzen sollen.

"Wenn die Deiche mal richtig brechen, säuft hier alles ab", sagt Hauke Weber. Nicht Angst, aber Respekt vor der Urgewalt des Meeres gehört zum Alltag in einem Land, das tiefer liegt als der Wasserspiegel der Nordsee. Weber, 1941 in Tönning geboren, betreibt werktags die letzte Tischlerei in Hamburg-Nienstedten. Doch freitags zieht es ihn stets nach Norden, in den Tümlauer Koog, wo er seit den 60er-Jahren ein Gehöft aufgebaut hat. Hier züchtet er Schleswiger Kaltblutpferde.

Seine Tochter Wiebke Eismann hat mit der Aufzucht von braunwolligen Suffolk-Fleischschafen begonnen. Am Ostermontag wurden drei Lämmer geboren, eins davon heißt Bob. Seine beiden Schwestern besetzen bereits die Milchzitzen der Mutter. So wurde der kleine Bock zum Handlamm, Wiebke füttert ihn mit der Flasche. Eiderstedt ist Schafland. Hier leben mehr wollige Vierbeiner als Menschen. Die Landesbehörden verpachten die Deiche für wenig Geld an die Bauern. "Die Schafe halten die Grasnarbe kurz und dicht und treten den Boden fest", sagt Jens Wallert. Der ehemalige Berufsreiter kutschiert Touristen vom Parkplatz Westerheversand am Deich entlang. Die Salzwiesen dahinter sind Brutplätze von Kiebitzen und Austernfischern und dienen im Frühjahr sibirischen Nonnengänsen als Rastplatz.



Während einer gemütlichen halbstündigen Kutschfahrt erklärt Jens Wallert uns den Aufbau der Warft Stufhusen. Sie ist ein typisches Beispiel für künstlich aus Erde aufgeschüttete Siedlungshügel, die Menschen und Tieren an der Nordsee schon lange, bevor es Deiche gab, Schutz bei Sturmfluten boten. Im Zentrum der Warft steht der Haubarg, das typische Eiderstedter Bauernhaus, das auf einem rechteckigen Grundriss Wohnräume, Ställe und Vorratskammern vereint. Das tief über das Mauerwerk herabgezogene Reetdach wird, je nach Größe, von vier, sechs oder acht gewaltigen Eichenständern getragen, die durch Längs- und Querbalken (Pfetten) verbunden sind. Diese Bauweise trägt dazu bei, das Haus widerstandsfähig gegen Stürme und daraus resultierende Sturmfluten zu machen. "Selbst wenn das Wasser die Mauern eindrückt, halten die Ständer noch das Dach", sagt Jens Wallert. 414 Haubarge zählte ein Chronist anno 1795 auf Eiderstedt, bis heute überdauert haben knapp 50. Zu besichtigen ist der Rote Haubarg in Witzwort im Nordosten der Halbinsel gelegen. Der imposante Bau aus dem Jahr 1647 beherbergt heute ein Landwirtschaftsmuseum und ein Restaurant mit regionaler Küche.


Zurück nach Westerhever. Der 41,5 Meter hohe, rot-weiß gestreifte und von zwei Wärterhäuschen flankierte Leuchtturm ist das Wahrzeichen der schleswig-holsteinischen Nordseeküste. Das 1906 auf einer vier Meter hohen Warft vor dem Seedeich errichtete Bauwerk mit 157 Stufen ist seit 2001 öffentlich zugänglich, allerdings nur nach Anmeldung (Tel. 04865/12 06) und nur für Menschen ab acht Jahren. Für die 2,5 Kilometer Fußweg vom Parkplatz sollte man eine halbe Stunde einplanen.

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Deichspaziergänge in salziger Nordseeluft machen mächtig Appetit. Deshalb lohnt sich ein Abstecher in das Kirchdorf Tating, acht Kilometer östlich von St. Peter-Ording. In einer kleinen Seitenstraße befindet sich das Galerie-Café Schweizer Haus, ein für die Region untypischer Fachwerkbau. Die selbst gemachten, in riesigen Stücken servierten Kuchen sind legendär. Bei schönem Wetter genießt man seinen Kaffee draußen im Hochdorfer Garten, der bedeutendsten bäuerlichen Parkanlage Schleswig-Holsteins mit idyllischen Pfaden, einer künstlichen Ruine und dem gleichnamigen Haubarg, der als Feriendomizil und für Tagungen vermietet wird.


Gut gestärkt geht es über Garding ins zwölf Kilometer entfernte Tetenbüll. Dort treffen wir Monika und Redlef Volquardsen. Das junge Paar betreibt die Friesische Schafskäserei. Nach dem gemeinsamen Studium der ökologischen Landwirtschaft wandelten die beiden den 70 Hektar großen elterlichen Bioland-Rindermastbetrieb Schritt für Schritt zu einem Milchschafhof mit Hofkäserei und Direktvermarktung um. Die gesamte Milch der 120-köpfigen Schafherde reift im alten Gewölbekeller des Hofes zu Käsespezialitäten heran. Außer dem Touristen-, Kite- und Strandsegelmekka St. Peter-Ording mit seinen kilometerweiten Sandstränden und der imposanten, 1059 Meter langen Seebrücke lohnt auch Tönning auf der anderen Seite der Halbinsel einen Abstecher. Der historische Hafen, vierhundert Jahre alt, ist zweifellos der schönste an der Westküste Schleswig-Holsteins. Wer von der Nordseite über den Hafen blickt, dem fällt sofort das wuchtige, unter Denkmalschutz stehende Packhaus von 1783 auf. Seine Ausmaße lassen die einstige Bedeutung Tönnings als Warenumschlagsplatz erahnen. Weiter im Westen, in Katingsiel nördlich vom Eidersperrwerk befand sich bis 1906 der erste Überseehafen der Eider. Seit mehr als 200 Jahren gibt es in Katingsiel ein Gasthaus, das heute als Schankwirtschaft Wilhelm Andresen bekannt ist. "Wo kommst du denn her?", begrüßt der 78-jährige Wirt seine Gäste in den denkmalgeschützten Räumen, die mit Delfter Fliesen gekachelt und im Bauernkaten-Stil eingerichtet sind. Mit Andresen muss man schnacken, er ist viel herumgekommen als Fernfahrer - und jetzt kommt die Welt zu ihm. Bei deftig belegten Broten und dem besten Eiergrog der Welt bleibt die Zeit einfach stehen.

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