Für Haute Cuisine ist Irland nicht gerade berühmt. Aber auf der grünen Insel hat sich viel getan. In Dublin übertrumpfen sich Köche mit neuen Ideen.
Dublin. Irland und gutes Essen – glaubt man alten Klischees, passt das nicht zusammen. Ausländer hatten teilweise sogar den Eindruck, außer guter Butter habe das Land nicht viel zu bieten. Doch nicht zuletzt die Hauptstadt Dublin hat sich kulinarisch enorm gewandelt. Fernab von fettigen Eintöpfen ist in den vergangenen Jahren eine aufregend-vielseitige Gastronomie-Szene entstanden. Für Besucher heißt das: Innerhalb weniger Tage können sie ungewöhnlich viel Neues kennenlernen – und vor allem: ausgezeichnetes Essen probieren.
„Viele denken bei der irischen Küche vor allem an den Eintopf Irish Stew und an Speck, Kartoffeln und Kohl“, erzählt Eveleen Coyle, gebürtige Dublinerin, die mit ihren „Fabulous Food Trails“ seit einigen Jahren kulinarische Stadtführungen durch die irische Hauptstadt anbietet. Tatsächlich hatte Essen in Irland lange nur einen Zweck zu erfüllen: die Menschen vor dem Verhungern zu retten.
Kein Wunder, besonders Anfang des 19. Jahrhunderts gab es viele arme Großfamilien, die auf kleinen Ländereien lebten. „Kartoffeln waren die Hauptnahrungsquelle.“ Mitte des Jahrhunderts starben bei der großen Hungersnot Zehntausende. „Dieses Trauma hat die Gesellschaft lange verfolgt“, sagt Eveleen. Essen galt seitdem als etwas Überlebenswichtiges, aber nicht zum Genießen bestimmt.
+++Fitch stuft vier von fünf Euro-Ländern herab - auch Frankreich+++
+++Irische Trinklieder und schottische Balladen+++
Doch dann kam vor einigen Jahrzehnten der Aufschwung – und mit ihm die Lust am Essen. Allerdings nicht an der irischen Küche, sondern an der französischen, italienischen, asiatischen. Diese kulinarische Reise hielt aber nicht lange, wie Eveleen berichtet. Mit der Rezession wurde das Geld knapp, auch fürs Essen. „Doch wir hatten gelernt, Essen zu genießen, das wollten wir Iren uns nicht mehr nehmen lassen.“
Irische Köche und Gastronomen fingen daher an, sich auf eigene Stärken zu besinnen. Das heißt: Auf den Tisch kommen frische, heimische Produkte. „Die moderne irische Küche besteht aus einem Touch Nostalgie – indem sie Gerichte aus unserer Vergangenheit wie Stew und Kartoffeln nimmt – und zahlreichen neue Ideen, Zutaten und Kochstilen“, fasst Mark Matanes, Manager des „Eden Restaurant“ zusammen. Colin Kelly, Koch und Küchenchef im „One Pico“, ergänzt: „Unsere heutige Küche ist eine Mischung der französischen, italienischen und asiatischen mit irischen Produkten.“
Sich auf Altbewährtes besinnen und das mit Genusslust und Experimentierfreude – ein gutes Beispiel dafür ist das „O’Connells Restaurant“. Von außen sieht es eher aus wie ein gewöhnlicher Pub, mit üppigen Blumenkästen und verzierten Fensterscheiben.
Schon die Vorspeisenkarte verrät, was das O’Connells kann: in Irland hergestellte, würzige spanische Chorizo-Wurst, gewürfelte, zarte Rote Beete, hauchdünne Scheiben eines vor Cork gefangenen Lachses und französisch anmutender Schimmelkäse aus irischer Schafsmilch hergestellt. Hauptspeisen? Zum Beispiel Hühnchen aus Freilandhaltung mit einer Thymian-Brot-Füllung und Cranberrysoße - nach katalanischer Art im Kohleofen gebraten.
Schon am frühen Abend ist das Restaurant bis auf den letzten Platz belegt. Touristen finden seltener den Weg hierher. Doch auch im Zentrum der Hauptstadt können sie viel entdecken. Zum Beispiel das „Pepper Pot Café“, wo die junge Dervla seit gut einem Jahr ihren Traum eines eigenen Cafés mit selbsthergestelltem Gebäck, belegten Bagels und Bioprodukten verwirklicht. Oder das „Blazing Salads“ nahe der uralten Markthalle Georges Street Arcade, in dem Familie Fitzmaurice vegetarisches Bio-Fast-Food wie Hummus oder Karotten-Mandelsalat anbietet.
Während die Fitzmaurices mit die ersten in dieser Gegend waren, ist das „Cocoa Atelier“ gegenüber eine der neuesten Entwicklungen. Neben feinsten Schokoladen liegen hier bunte Macarons in der Auslage
- natürlich werden auch diese französischen Delikatessen mit irischen, saisonalen Produkten wie Erdbeeren hergestellt. Ähnlich im „Murphys“ um die Ecke: Die Milch von Kerry-Kühen ist Grundlage für sagenhaftes Eis und wird für eine Sorte sogar mit irischem Meersalz gemischt.
Im „Sheridans“ geht es dagegen um eine urirische Tradition: die Käseherstellung. Einige sind cremig, andere eher fest. Einige bestehen aus Kuhmilch, andere aus Ziegenmilch, doch alles sind Produkte von irischen Farmern. Kein Wunder, dass sich die Kunden in dem kleinen Laden drängeln und sich nicht entscheiden können.
Noch eine Spezialität ist aus Dublin nicht wegzudenken: Guinness. Am besten probiert man das Bier in einem der zwölf typisch viktorianischen Pubs der Stadt. Wie im „The Swan“, wo noch immer der alte Mosaikboden, die einstige Kassenhütte und die urigen Zapfhähne erhalten sind.
Vor allem aber gibt es jemanden wie Dave, der weiß, wie ein Pint Guinness richtig gezapft wird: „Es muss cremig und nicht voller Bläschen sein“, erklärt der Barmann. „Außerdem müssen am Ende, wenn du ausgetrunken hast, kleine Ringe in dem Schaum sein, der auf der einen Glasinnenseite hängen bleibt.“ Und wenn einem am nächsten Tag doch einmal unwohl sein sollte, macht man es einfach wie die Dubliner, die nach einer durchzechten Nacht gerne behaupten: „Ich kann nichts dafür – das Pint muss schlecht gezapft worden sein!“