Die einen bummeln durch die Altstadt, andere bewundern die flämischen Meister im Museum.
Das mittelalterliche Brügge ist Flanderns Stolz - und nicht gar so langweilig, wie ein Kino-Film behauptet: "Wenn ich vom Land käme und zurückgeblieben wäre, fände ich Brügge auch toll", zetert Colin Farrell als von seinem Chef in eben jenes belgische Städtchen verschickter Berufskiller im Film "Brügge sehen ... und sterben?". Regisseur Martin McDonagh zögert nicht zu berichten, dass er Brügge beim ersten Besuch wunderschön fand - und sich nach ein paar Stunden sehr zu langweilen begann.
Das ist natürlich alles maßlos übertrieben. Tatsächlich ist es ganz leicht, das Städtchen schön zu finden. Alles kündet von der einstigen Bedeutung dieses Handelsplatzes und seiner frühen Ausprägung zivilisatorischer Errungenschaften: das Ende des 14. Jahrhunderts erbaute Stadthaus mit seinen Spitztürmchen, der große Marktplatz mit der imposanten Tuchhalle, die Zivilkanzlei im Renaissance-Stil und der Glockenturm, der im Film die Kulisse für einen blutigen Showdown stellt.
Im 13. und 14. Jahrhundert wurde Brügge durch den Handel mit Tuch und Textilien reich. Die Herzöge von Burgund hielten hier Hof; der Name der Stadt besaß Flair und versprach Weltläufigkeit. Doch im 16. Jahrhundert fiel Brügge in einen tiefen Schlaf. Der Zugang zum Meer war versandet, Handel wurde fortan anderswo getrieben. Der Verlust an Macht, Ansehen und Geld war so immens, dass bisweilen von "Bruges, la morte" die Rede war - Brügge, die Tote. Bis ins 19. Jahrhundert wurde hier nur mehr Spitze für die Kleidung reicher Menschen geklöppelt. Langfristig erwies sich dieses Schicksal als Glück, konnte es sich lange Zeit niemand leisten, Häuser abzureißen und neu zu bauen. Seit dem Jahr 2000 zählt die Unesco die Altstadt zum Weltkulturerbe.
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Leblos ist Brügge heute nicht, doch scheint die Stadt vor allem für Touristen zu existieren. Dabei leben immerhin 25 000 Menschen in der historischen Altstadt. Dennoch stehen die oberen Etagen vieler Häuser leer. Dafür gehen in jedem Sommer die Kreuzfahrtschiffe in Zeebrügge vor Anker und lassen ihre Passagiere in die Stadt ausschwärmen, die mit ungezählten Fachhandlungen für Spitze und Schokolade sowie einem "Frittenmuseum" auf die Bedürfnisse der Besucher bestens vorbereitet ist. Im einstigen Gerichtshof ist ein Tourismusbüro untergebracht, der Palast der Herzöge von Burgund ist zum Hotel "Dukes' Palace" geworden. Mitten im ältesten Teil Brügges erhebt sich dieses ansehnliche Palästchen mit seinem stolzen Turm. Errichtet wurde es ab 1429 von Philipp dem Guten. Mitte des 15. Jahrhunderts wurde der Prinzenhof zum politischen und kulturellen Herzen des Landes, wann immer der Hof sich in Brügge aufhielt: Die Gelehrten Thomas More und Erasmus waren ebenso bei Philipp zu Gast wie die Maler Jan van Eyck und Albrecht Dürer. Philipps Enkelin Maria von Burgund starb hier mit 25 Jahren und hinterließ neben zwei Kindern ihren unbeliebten österreichischen Mann Maximilian. Das war das Ende der rauschenden Feste; der Herzogspalast sollte lange nicht an den einstigen Glanz anknüpfen. Später wurde er Kloster, dann Privatbesitz. Erst seit Mai 2008 verströmt er als erstes Fünf-Sterne-Hotel Brügges wieder Glamour.
Doch eigentlich ist Brügge ein Ort ruhiger Vergnügungen. Man schlendert durch Gassen und über Brücken, man fährt mit dem Boot, man sitzt an einem Wasserlauf oder an einem kleinen Platz. Man bewundert die flämischen Meister im Groeningemuseum. Man kauft Tischdecken, Tassen und Pralinen in den hübschen Geschäften, die sich nicht mit den Bedürfnissen des täglichen Lebens abgeben müssen. Man betrachtet mit Wohlgefallen die gepflegten Fassaden, die Blumenkübel, die Kutschen, die Besucher umherfahren. Man spürt, dass man in dieser Stadt nie einem Auftragsmörder begegnen würde. Es ist ein gutes Gefühl.