Ahrensburg. Coronabedingte Absagen wirbeln Tabelle der Süd-Staffel durcheinander. Kritik an Verband und Vereinen – speziell am SSV Pölitz.
Lange sah es danach aus, dass nach zwei Jahren Pandemie erstmals eine Fußballsaison wieder ein geregeltes Ende findet. Doch jetzt, in der letzten Woche der Spielzeit, eskaliert die Situation in einigen Staffeln des Schleswig-Holsteinischen Fußball-Verbands (SHFV). Besonders in der Verbandsliga Süd überschlugen sich in dieser Woche die Ereignisse. Ob Titelrennen oder Abstiegskampf: Eine sportlich faire Entscheidung wird es dort nicht geben.
Clubs müssen bei Corona-Absagen keinerlei Nachweise erbringen
Weil Clubs ihre Spiele mit Verweis auf Corona-Fälle in der eigenen Mannschaft absagen können und dafür keinerlei Nachweise erbringen müssen und weil viele dieser ausgefallenen Partien nicht mehr nachgeholt werden, entsteht in mehreren Ligen ein schiefes Tabellenbild. Manche Mannschaften werden am Saisonende bis zu vier Partien weniger absolviert haben, als ihre Konkurrenten.
Deshalb wird in den Tabellen nun die Quotientenregelung herangezogen, es gilt der erzielte Punkteschnitt. Dadurch können einzelne Spielabsagen wichtige Entscheidungen beeinflussen.
In der Verbandsliga Süd liefern sich Tabellenführer SSC Hagen Ahrensburg und der zweitplatzierte WSV Tangstedt ein spannendes Rennen um den Titel und den damit verbundenen Landesliga-Aufstieg. Beide stehen nach 18 von 20 Saisonspielen mit 41 Punkten ganz oben, wobei die Ahrensburger das deutlich bessere Torverhältnis aufweisen. Beide Teams sollten am vergangenen Mittwoch und am kommenden Sonntag nochmals im Einsatz sein.
Das Problem: Der Verband will Saison nicht verlängern
Dann ereilte den SSC Hagen ein Schock: Der SSV Pölitz sagte die für Mittwoch geplante Partie am Dienstagabend ab. Begründung: Corona. Nachgeholt werden kann die Partie nicht, weil der SHFV eine Saisonverlängerung über den 22. Mai hinaus schon vor Wochen kategorisch ausgeschlossen hat. Das bedeutete für Ahrensburg den Verlust der Pole Position ohne eigenes Verschulden. Denn selbst wenn die Mannschaft ihr letztes Saisonspiel gewinnen würde, könnte sie den Titel nicht mehr aus eigener Kraft holen. Tangstedt wäre bei zwei Siegen uneinholbar Meister.
Die nächste Pointe erfolgte am Mittwochnachmittag, rund vier Stunden vor dem geplanten Spiel des WSV Tangstedt: Auch diese Partie wurde abgesetzt – Corona beim Gegner SG Elmenhorst/Tremsbüttel. Laut Trainer Marco Schier gab es im Team sechs Personen mit positiven PCR- oder Schnelltests und weitere Spieler, die nach überstandener Erkrankung über Beschwerden klagten. Jetzt sah sich der WSV ohnmächtig um seine große Meisterchance gebracht. Ähnlich kuriose Konstellationen gibt es auch in mehreren Kreisliga-Staffeln.
Kritik: Verband hat keinen Plan B
Nun hagelt es Kritik am SHFV für dessen Umgang mit der Situation – und an einigen Mannschaften. Manche Teams würden den „Corona-Joker“ als Vorwand ziehen, berichten zahlreiche Vereins- und auch Verbandsfunktionäre. Dadurch könnten Clubs schweren Gegnern aus dem Weg gehen oder sich gewissermaßen zum Klassenerhalt streiken. Möglich werden diese Gedankenspiele, die in einigen Fällen offenbar schon in die Realität umgesetzt wurden, durch die Kombination zweier Regeln des SHFV: Keine Nachweispflicht bei coronabedingten Spielabsagen, keine Saisonverlängerung.
Junioren spielen auch über den 22. Mai hinaus – warum die Erwachsenen nicht?
„Wir haben durch Corona eine besondere Situation, die für den Verband nicht leicht zu händeln ist. Dafür habe ich Verständnis“, betont der stellvertretende Abteilungsleiter des SSC Hagen, Andreas Schnettker. Aber: „Ich hätte mir mehr Weitblick vom Verband gewünscht. Die Junioren spielen auch über den 22. Mai hinaus. Warum wurde das nicht auch im Erwachsenenbereich möglich gemacht?“ Ahrensburgs Teammanager Carsten Holst meint: „Spätestens seit Ostern war klar, dass es zu diesen Problemen kommen wird. Der Verband hätte einen Plan B haben müssen.“
SHFV verteidigt sein Vorgehen
Der Verband verteidigt sein Vorgehen. „Mit einer Saisonverlängerung hätte man die Probleme nur nach hinten geschoben“, sagt Klaus Schneider, Vorsitzender des Spielausschusses. Auch eine Nachweispflicht bei coronabedingten Absagen sei kein wirksames Mittel gegen Wettbewerbsverzerrung gewesen. Schneider: „Vereine, die sich einen Vorteil verschaffen wollen, sind erfinderisch.“ Vielmehr sieht Schneider die Ursache der Probleme bei manchen Vereinen: „Der Fair-Play-Gedanke verbietet es, eine solche Situation wie die Pandemie auszunutzen. Leider sind schwarze Schafe dabei.“
Wer diese schwarzen Schafe möglicherweise sind, will der Verband nicht kommentieren. Einige Vereinsvertreter kritisieren namentlich den SSV Pölitz, der seit seiner Absage gegen den SSC Hagen den Klassenerhalt rechnerisch sicher hat. Stattdessen erwischt es den SSV Güster, dessen für Freitag geplante Partie mit den Pölitzern ebenfalls ausfällt.
Absage von Pölitz Auslöser der Aufregung
Tangstedt-Trainer Kevin Steen sagt: „Was die treiben, ist eine Frechheit. Ich glaube, jetzt hat jeder verstanden, dass das nicht mit rechten Dingen zugeht. Den Unmut des SSC Hagen kann ich verstehen.“ Ahrensburgs Holst sagt: „Die Absage von Pölitz ist der Auslöser für all die Aufregung. Ich glaube, dass es die Möglichkeit gegeben hätte, eine spielfähige Mannschaft auf den Platz zu stellen.“
Sven Reddig, Fußballobmann des SSV Pölitz, tritt den Vorwürfen entgegen. Er sagt: „Wir haben intern einen neuen Coronafall gehabt. Einige unserer Spieler gehen sehr vorsichtig mit dem Thema um, zumal wir zu Delta-Zeiten einen richtigen Ausbruch hatten und einige immer noch mit den Folgen zu kämpfen haben. Es geht um den Schutz der Spieler. Uns ist bewusst, dass die Absage leider ein Geschmäckle hat. Dass wir dadurch den Abstiegskampf entschieden haben, ist unglücklich. Es wäre besser gewesen, die Saison zu verlängern.“