Reinbek. 16 Jahre alter Kim Hellwig nimmt anlässlich der Vorbereitung für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio an einem Lehrgang in Saga teil.
Alles begann mit der Neuverfilmung des Kinoklassikers „Karate Kid“ – und einer folgenschweren Verwechslung vor fünf Jahren. Die Hauptrolle spielte Jaden Smith, der Sohn des amerikanischen Schauspielers Will Smith. „Von Jaden und seinem Kampfstil war ich dermaßen fasziniert, dass ich sofort bei der TSV Reinbek mit Karate angefangen habe“, erzählt der 16 Jahre alte Kim Hellwig.
Fleißig eiferte er seinem großen Vorbild nach, bis er sich den Film ein zweites Mal anschaute. Kim lacht: „Erst da fiel mir auf, dass es in dem Film um Kung Fu und nicht um Karate ging.“ Er fackelte nicht lange und begann bei der TSV mit Kung Fu, blieb dem Karate aber treu.
Was sich letztendlich als die richtige Entscheidung herausstellen sollte. Vergangenes Jahr belegte Kim bei den Jugend-Europameisterschaften im italienischen Varese den fünften Platz, kurz darauf wurde er Siebter bei den deutschen Jugendmeisterschaften in Erfurt (Thüringen).
Kim musste gegen den Widerstand der Eltern ankämpfen
Nun hat der Karate Verband Schleswig-Holstein den 16-Jährigen gemeinsam mit seinem Vereinskameraden Kai Beck auserkoren, am 2. Dezember nach Japan zu reisen, um dort anlässlich der Vorbereitung für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio zu trainieren und für Deutschland einen Wettkampf zu bestreiten. Während Kai die sechstägige Reise aufgrund von schulischen Aktivitäten absagen musste, freut Kim sich auf das Abenteuer, das ihn in der japanischen Stadt Saga erwartet.
Landestrainer Timo Stieger-Fleischer informierte ihn über den bevorstehenden Trip. „Als mein Coach mich anrief, war ich einerseits hellauf begeistert“, erzählt der 16-Jährige, „auf der anderen Seite war mir sofort klar, dass meine Eltern wenig begeistert sind, wenn ich in der Zeit drei Klausuren verpasse.“
Kims siebter Sinn erwies sich als richtig. Frank und Maike Hellwig sagten nein. Bis Großvater Uwe Bielich mit Erfolg intervenierte und gemeinsam mit Stieger-Fleischer für das junge Karate-Talent mehrere gute Worte bei den Eltern einlegte.
Kim ist gebürtiger Vietnamese. Die ersten drei Monate seines Lebens wuchs er in einem Heim auf – ehe seine jetzigen Eltern ihn adoptierten. Mit Vater Frank hat er sein Geburtsland bisher bereits mehrere Male besucht. Kim wirkt nachdenklich, als er sagt: „Es bewegt mich schon, wenn ich mit meinem Heimatland, das ich nie richtig kennengelernt habe, so direkt konfrontiert werde.“
Pläne, die seine spätere Ausbildung betreffen, hat der 16-Jährige bereits geschmiedet. „Nach dem Abitur werde ich ein duales Studium bei der Hamburger Sparkasse beginnen“, sagt der Elftklässler der Gemeinschaftsschule Wiesenfeld in Glinde. Bei dem Geldinstitut hatte Kim vor drei Jahren ein Praktikum absolviert. Scheinbar hinterließ er einen bleibenden Eindruck, denn schon damals sichert ihm die
Haspa einen Ausbildungsplatz zu.
Der 16-Jährige besuchte mehrere Male sein Geburtsland Vietnam
Es hätte auch anders kommen können, denn Kim begann im Alter von neun Jahren bei der Firma Stage Entertainment, einem Produzenten diverser Musicals, eine dreijährige Ausbildung in Schauspiel, Tanz und Gesang.
„Letztendlich war mir aber das Risiko, als Schauspieler ohne Job dazustehen, einfach zu groß“, sagt der 16-Jährige. Um nicht ganz die Übung zu verlieren, tritt er in verschiedenen Laientheatern in Glinde auf.
Kim interessiert sich für Politik und Wirtschaft – und informiert sich über Tageszeitungen. „Eine Zeitung lese ich am liebsten in Papierform“, sagt Kim, „denn wie bei Büchern habe ich lieber etwas Reales in der Hand.“
Dass seine Leidenschaft der Kampfkunst Karate gilt, was wörtlich übersetzt „leere Hand“ bedeutet, ist dabei kein Widerspruch. „Das faszinierende am Karate für mich ist nicht nur die Schnelligkeit, sondern auch die Philosophie, die dahinter steht“, sagt Kim. „Die erfordert eiserne Disziplin gegenüber der Sportart, aber auch viel Respekt vor dem Gegner.“
Stieger-Fleischer lobt seinen Schützling. „Kim ist sehr intelligent und redegewandt, bleibt dabei aber immer bescheiden und zurückhaltend“, sagt der Landestrainer von der TSV Reinbek. „Im Wettkampf besitzt er das perfekte Timing und verfügt über einen schnellen und harten Schlag.“
Kim kann einschätzen, dass er seinen Erfolg nicht nur seinem Coach verdankt. „Ohne die Unterstützung meiner Eltern wäre ich sicher jetzt nicht da wo ich bin“, sagt er, „Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.“