Reinbek. Kinogänger sind glücklichere Menschen. Für das Glück der Reinbeker sorgt seit jeher der Filmring. Warum der Verein eine Auszeichnung verdient.

Wer oft ins Kino geht, wird seltener depressiv. Das ist das Ergebnis einer Studie aus England. Die Wissenschaftler hatten 2150 Frauen und Männer über zehn Jahre begleitet. Das Ergebnis: Diejenigen, die einmal ins Monat ins Kinooder Theater gehen, senken ihr Risiko zu erkranken um 48 Prozent. Kinogänger sind zufriedene und glücklichere Menschen.

Für die seelische Gesundheit und das Glück der Reinbeker sorgt der Verein Filmring Reinbek seit nun mehr 67 Jahren. Ohne ihn könnten sich die Reinbeker nicht einmal im Monat an französischen Komödien, deutschen Dramen und Oscar prämierten Filmen an unterschiedlichen Spielorten erfreuen. Ein anderes Kino gibt es nicht mehr in der Stadt.

Bürgerpreiskandidat: Filmring sorgt seit 67 Jahren für Kino in Reinbek

Der Filmring leistet nicht nur einen wichtigen kulturellen, sondern auch einen sozialen Beitrag für die Stadt. „Bei uns kommen die unterschiedlichsten Menschen zusammen und miteinander ins Gespräch“, sagt Thomas Hoeck, langjähriger Vereinsvorsitzender und längstes Mitglied des Filmrings. Grund genug, den 54 Jahre alten Reinbeker – stellvertretend für alle acht aktiven Ehrenamtlichen im Verein – für den 23. Bergedorfer Bürgerpreis zu nominieren. Der wird am 21. September im Spiegelsaal des Rathauses verliehen. Gemeinsam können die Volksbank Bergedorf und die Bergedorfer Zeitung dem oder den Gewinnern insgesamt 6000 Euro überreichen.

Der Zufall war es, der Hoeck zum Filmring brachte. Damals war der Reinbeker noch Schüler an der Realschule am Mühlenredder und „stolperte“ in eine Filmvorstellung in der Aula. „Ich blieb kleben. Diese Klebeeigenschaft sagt man Film nach“, sagt er. Später hat der gelernte Anlagenelektroniker und Techniker sogar als Tonfilmtechniker sein Geld verdient.

Flüchtlinge sind im Filmring eingebunden und lernen die deutsche Sprache

Mittlerweile ist Kino für den Alarm-Service-Techniker vor allem zeitaufwendiges Hobby und eines, das er mit seiner Ehefrau Birthe teilt. Sie ist beim Filmring für die Kasse zuständig. Auch die drei gemeinsamen Kinder sind zwischen Filmrollen, Projektor und Leinwand groß geworden und bei vielen Vorstellungen dabei.

2011 übernahm Hoeck den Vereinsvorsitz von Filmringgründer und Ehrenvorsitzendem Fritz Arp. Mit zwei anderen Schülern der Sachsenwaldschule baute Arp 1956, damals 16 Jahre alter Gymnasiast, erstmals die Leinwand in der Schulaula auf. Die bestand noch aus einem Betttuch, das an einem zusammengeschweißten Stahlrahmen befestigt ist.

Das Betttuch ist lange Geschichte, „aber noch im Besitz des Filmrings“, weiß Marina Umlauf. Schon lange vor ihrer Pensionierung als Schulleiterin an der Gemeinschaftsschule engagierte sich die heute 69-Jährige für den Filmring. Hier schätzt sie vor allem das „tolle Team“, in dem die meisten schon ergraut sind, wie sie mit einem Augenzwinkern sagt. Besonders glücklich ist sie, dass sie für die Filmring-Arbeit Flüchtlinge aus Syrien und dem Jemen gewinnen konnte. Umlauf ist zugleich in der Reinbeker Flüchtlingsinitiative aktiv und weiß als ehemalige Lehrerin nur zu gut, wie wichtig das Erlernen der Sprache für die Integration ist. „Das mit der Sprache ging bei uns im Filmring ganz schnell“, sagt sie. Mittlerweile sind alle vier Flüchtlinge in fester Arbeit und haben leider für ihr Ehrenamt keine Zeit mehr.

Preisgeld könnte in neuen Projektor fließen – der ist schon 20 Jahre alt

Kino also als Ort für Integration und Verständigung – so beteiligt sich der Filmring im kommenden Jahr am Jubiläum der Städtepartnerschaft. Reinbek und das polnische Koło werden dann ihre 25-jährige Verbundenheit feiern. Dafür plant der Filmring, ein polnisches Programm auf die Beine zu stellen.

Das ist – wie jede Vorstellung – vor allem mit Arbeit verbunden. An guten Kinotagen strömen bis zu 500 Kinobesucher in den Hauptveranstaltungsort, das Sachsenwald-Forum. Wenn ab 19.30 Uhr der Film von der Leinwand flimmert, haben die acht aktiven Ehrenamtlichen schon zwei Stunden zuvor Plakate aufgestellt, den Projektor aufgebaut, die Popcornmaschine angeschmissen und Karten verkauft.

„Flimmern“ ist bei der modernen digitalen Technik von heute eigentlich nicht mehr das richtige Wort. Für den vereinseigenen Projektor allerdings ist es schon wieder passend. „Das gebraucht gekaufte Gerät ist mittlerweile 20 Jahre alt, einige Bilder schon etwas rot- und grünstichig. Er müsste dringend überholt, im besten Fall ausgetauscht werden“, sagt Hoeck. Ein neuer aber kostet rund 8000 Euro. Eine Menge Geld für den Verein, der genau wüsste, wofür er das ausgelobte Preisgeld ausgeben würde.

Stammkunden vertrauen gutem Geschmack des Filmring-Teams

Die Filmauswahl selbst ist ein demokratischer Prozess beim Filmring. Trotzdem muss kein Reinbeker Kinogänger mit großen Überraschungen rechnen, denn amerikanische Blockbuster und Actionfilme werden nicht gezeigt. „Anspruch sollten die Filme haben, im besten Fall humorvoll sein, vielleicht ein wenig politisch, nicht zu schwer und in jedem Fall Unterhaltungswert haben“, sagt Wilfried Völter vom Filmring. Viele Stammkunden verlassen sich bei der Filmauswahl blind auf ihren Filmring und „fragen erst beim Einlass an der Kasse, welchen Film wir heute zeigen“, ist die Erfahrung des 75-jährigen Reinbekers.

Gerade unter den treuen Stammkunden war in der Pandemie die Angst groß, dass es das Ende des Filmrings sein könnte „Die Frage haben wir uns auch gestellt und entschieden: Wir machen weiter“, sagt Hoeck. Zwar habe die Zahl der Zuschauer noch nicht das Niveau aus der Zeit von vor der Pandemie erreicht. „Unser Glück zu anderen großen, kommerziellen Kinos aber ist, dass unsere Mietkosten gering sind und wir ehrenamtlich arbeiten“, sagt Hoeck. Für mehr würden die Einnahmen auch nicht reichen.

Nur so ist den Reinbekern eben ein im Vergleich günstiges Kinoerlebnis vergönnt: Erwachsene zahlen fünf Euro, Kinder vier Euro für den Eintritt. Das deutsche und hochgelobte Drama „Das Lehrerzimmer“ steht als nächstes auf dem Programm. Wegen der Ferien wird es ausnahmsweise nicht am ersten Montag im Monat, sondern am zweiten Montag, 14. August, um 19.30 Uhr im Sachsenwald-Forum gezeigt. „Kein ganz leichter Film“, sagt Hoeck. Die Reinbeker schreckt das nicht. Er weiß schon jetzt genau, dass sich am Ende wieder viele für den guten Film bedanken werden.