Reinbek. Das Thema erzeugt bei vielen Menschen eher Missbehagen. Damit wollen die Amtsgerichte Reinbek und Schwarzenbek nun aufräumen.
Etwa 1300 Menschen in und um Reinbek werden von einem gerichtlich bestellten Betreuer unterstützt – wobei der Umfang individuell ist, wie die beiden Rechtspflegerinnen Nicole Sciuk und Katharina Timm berichten. „Je nach Gesundheitszustand wird die Betreuung unterschiedlich gelebt“, erläutert Timm, die seit 13 Jahren amtlich bestellten Betreuerinnen und Betreuern auf die Finger schaut.
„Das moderne Betreuungsrecht gibt es seit 30 Jahren“, sagt Nicole Sciuk, seit knapp 25 Jahren dabei. „Dabei geht es um Unterstützung, nicht um Entmündigung.“ Weil dies in den Köpfen auch nach drei Jahrzehnten noch nicht angekommen sei, will das Land Schleswig-Holstein aufklären: Für Donnerstag, 15. September, laden das Amtsgericht Reinbek und das Amtsgericht Schwarzenbek in die Begegnungsstätte Neuschönningstedt (Querweg 13) zu einem Informationsnachmittag ein. Rede und Antwort stehen dort der Betreuungsverein Stormarn, der Betreuungsverein des Herzogtums Lauenburg (die Johanniter), die Betreuungsämter der beiden Kreise, Richter und Justizangestellte sowie Betreuerinnen und Betreuer – sowohl hauptberufliche als auch ehrenamtliche.
In Reinbek wird umfangreich über das Thema Betreuung aufgeklärt
Nicht nur alte Menschen können eine Betreuung benötigen: „Das zieht sich durch die gesamte Gesellschaft, wir haben Fälle von 18 bis 103 Jahren“, erzählt Katharina Timm. Hinter jedem „Fall“ stecke ein Schicksal und viele würden jahrelang betreut, erläutert Nicole Sciuk. Darunter seien Suchterkrankte, psychisch Erkrankte, Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen, mit Minderbegabungen, dementiellen Erkrankungen, Altersschwäche oder auch Menschen, die im Wachkoma liegen, etwa weil sie einen Unfall, einen Schlaganfall oder einen Hirnschlag erlitten haben. „Bei vielen ist das glücklicherweise nur eine vorläufige Betreuung von sechs Monaten, weil sie danach wieder gesund werden“, sagt Timm.
Bestellt wird die passende Betreuerin oder der Betreuer von einem Richter. Zuerst werde immer unter den Angehörigen gefragt. Doch die wollen oder können nicht immer die Verantwortung übernehmen oder sind nicht geeignet. Dann kann auch unter Eheleuten ein fremder Betreuer bestellt werden.
Willkommen sind am Informationstag alle Interessierten – auch diejenigen, die eine Betreuung verhindern wollen. „Wer keine amtliche Betreuung wünscht oder seinen Betreuer selbst bestimmen will, kann dies mit einer Vorsorgevollmacht und mit einer Betreuungsverfügung selbst regeln“, erklärt Katharina Timm. Die nötigen Vordrucke bringen sie und ihre Kollegin mit.
Die Rechtspflege überwacht das Tun von Betreuerinnen und Betreuern
„Wichtig ist, dass der Wille der oder des Betreuten immer an erster Stelle steht“, betont Nicole Sciuk. „Wenn ein Krebspatient keine Chemo-Therapie will, müssen nicht nur Angehörige und Ärzte, sondern auch der Betreuer, das Betreuungsamt und die Rechtspflege dies respektieren.“ Und Katharina Timm ergänzt: „Das gilt auch für positive Fälle: Eine ältere Betreute wollte unbedingt noch einmal eine begleitete Reise nach Norwegen machen und hat sich das Geld dafür vom Munde abgespart. Dem Betreuer schlugen zwei Herzen in seiner Brust: Aber auch wenn er dies skeptisch sieht und meint, das Geld könne sie noch gut gebrauchen, muss er diesen Herzenswunsch akzeptieren. Die Dame im Rollstuhl hat diese Reise gemacht.“
Die Aufgabe der beiden Rechtspflegerinnen und des Betreuungsamtes ist es, die Betreuerinnen und Betreuer zu überwachen. „Wir müssen vieles genehmigen, beispielsweise auch Wohnungsauflösungen oder Grundstückverkaufe, wenn jemand in eine Einrichtung umziehen soll“, berichtet Nicole Sciuk. „Wir haben aber auch schon Fälle erlebt, wo wir den Umzug abgelehnt haben, weil es für den Betreuten besser war, zu Hause betreut zu werden.“ Manchmal werde auch ein Teil des Grundstücks verkauft, um eine Pflege zu finanzieren. „Wir achten auch darauf, zu welchem Preis eine Immobilie verkauft wird, und darauf, wer der Käufer ist“, sagt sie.
Hinweise aus der Bevölkerung sind wichtig, wenn etwas nicht korrekt läuft
Bei Anhörungen falle ihr immer wieder auf, dass vielen nicht bekannt ist, dass eine amtliche Betreuung überwacht wird. „Dafür sind wir auf Hinweise der Bevölkerung, etwa aus der Nachbarschaft angewiesen“, bekräftigt die Rechtspflegerin. Für Hinweise unter der Rufnummer 040/72 75 90 (9 bis 15 Uhr), wenn bei einer Betreuung etwas nicht korrekt läuft, ist sie dankbar. Mehr unter www.schleswig-holstein.de/mjevg