Reinbek/Barsbüttel. Amtsgericht Reinbek verurteilt 23-Jährigen zu Geldstrafe und Führerscheinsperre. Was ihm bleibt, sind hohe Schulden.

An einem Baum nahm eine wilde Verfolgungsjagd über Barsbüttels Umgehungsstraße vor fast einem Jahr ihr jähes Ende. Verletzt wurde niemand, aber es hätte schlimm ausgehen können. Das macht auch Richterin Martina Franke dem Angeklagten Amir M. unmissverständlich klar, als sie den 23-Jährigen zu 1800 Euro Geldstrafe und einer dreimonatigen Führerscheinsperre verurteilt. Der Mann, zur Tatzeit noch in einer Spedition tätig, musste sich am Mittwoch vor dem Amtsgericht Reinbek wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit überhöhter Geschwindigkeit sowie Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr verantworten.

Am 25. Juni 2021 war Amir M. mit seinem noch nicht abbezahlten weißen Mercedes-Cabrio auf der Straße Am Bondenholz unterwegs, als er den Streifenwagen der Glinder Polizei bemerkte. Für ihn das Signal, Gas zu geben und Richtung Zentrum zu rasen. Denn seinen Führerschein war er vorher bereits losgeworden. Auf der Strecke, die zuerst durch eine langgezogene Kurve, dann über eine lange Gerade und schließlich über die Einmündung der Straße An der Barsbek Richtung Zentrum führt, überholte er mindestens vier Autos, wobei er dem Gegenverkehr gefährlich nahe kam. Zum Schluss setzte er den Mercedes gegen einen Baum.

Flucht endet an Baum – Raser zeigt sich einsichtig

Keine 100 Meter weiter hielt ein Passant ihn auf, sodass die Polizeibeamtinnen ihn festnehmen konnten. Sein Auto sei stark beschädigt gewesen, Alkoholgeruch hätten sie bei ihm nicht wahrgenommen und der Vortest auf Amphetamine sei negativ ausgefallen. „Er war einsichtig, nicht aggressiv“, sagt Polizeibeamtin Rebecca P. aus. Die Verfolgungsjagd mit Blaulicht und Martinshorn habe kaum länger als eine Minute gedauert.

„Als er uns passierte, fuhr er noch nicht zu schnell. Aber wir hatten ihn erkannt und wussten, der hat keinen Führerschein und haut ab“, berichtet sie. „Ich musste mich sehr auf das Fahren konzentrieren, um meinerseits niemanden zu gefährden“, sagt die Beamtin. „Er war mit hohem Tempo unterwegs. Es war eher Zufall, dass niemand zu Schaden gekommen ist.“ 70 Kilometer pro Stunde sind auf der Umgehung erlaubt. Wie schnell er gefahren war, kann sie nicht sagen: „Alles ging so rasend schnell.“ Ihre Kollegin habe versucht, die Kennzeichen zu notieren. Vier überholte Autos hat sie dokumentiert. „Es können aber auch mehr gewesen sein“, erklärt die Polizistin.

Zeugin hatte Angst um ihr Baby und um sich

Einer von ihnen ist Edgar K.. Der Zeuge war auf dem Weg in den Feierabend, als M. ihn überholte. „Ich selbst war nicht in Gefahr“, sagt er. „Aber die Frau, die mir entgegenkam, musste bremsen.“ Auch Zeugin Katharina P. ist überholt worden. „Ich sah ihn im Rückspiegel im hohen Tempo herankommen“, sagt sie. „Er überholte mich und den Wagen vor mir. Ich hatte Angst – um mein Baby und um mich. Ich weiß nicht, was passiert wäre, hätte der Fahrer, der uns entgegenkam, nicht gebremst: fast eine Vollbremsung.“ Die Stotterbremse habe sie deutlich wahrgenommen.

Mercedes kaputt: hohe Schulden bei der Bank

Der Angeklagte entschuldigt sich bei den Zeugen: „Es tut mir von Herzen leid, ich wollte niemanden gefährden“, sagt er und: „Ich wusste das nicht, dass Sie ein Baby im Auto hatten.“ Er gesteht, dass er mindestens 100 auf dem Tacho hatte. Auf die Rücknahme des beschlagnahmten Mercedes, den er noch hat reparieren lassen, verzichtet er. Wohl auch, weil er der Eigentümerin, der Mercedes-Bank, noch mehr als 52.000 Euro Abschlussrate schuldet. Seit April ist er arbeitslos, seine Eltern finanzieren seinen Lebensunterhalt. Zudem ist er kein unbeschriebenes Blatt: Ein Diebstahl und ein weiteres Mal Fahren ohne Fahrerlaubnis im Juli 2020 stehen in seinem Vorstrafenregister.

Als Richterin Franke nach dem Grund fragt, erzählt er: „Ich hatte erfahren, dass ich in zwei Wochen wieder den Führerschein machen dürfte. Da bin ich vor Freude los gefahren – wie ein Idiot.“ Die Argumentation seines Anwalts Mudgteba Loqmani, der Einzige, der zu Schaden gekommen sei, sei sein Mandant, weil er arbeitslos geworden und Ärger mit seinen Eltern habe, ignoriert sie. Wie es Rechtsreferendarin Julia Schacke für die Staatsanwaltschaft ausgeführt hat, erklärt sie ihn für schuldig, berücksichtigt aber sein Geständnis und seine Reue. „Es steht fest, dass es einen Beinahe-Unfall gegeben hat“, erklärt Franke und warnt: „Wenn das noch einmal passiert, haben Sie mit ganz anderen Folgen zu rechnen. Jetzt sperre ich Sie noch drei Monate, und dann machen Sie gefälligst den Führerschein.“