Reinbek. Kantor Jörg Müller lädt in die Reinbeker Maria-Magdalenen-Kirche zu einem romantischen Abend mit viel Musik ein.

Die Entwicklung der Weigle-Sebastian-Orgel in der Maria-Magdalenen-Kirche war etwas holprig. Doch heute ist Kantor Jörg Müller sehr glücklich mit ihrem Klang. Das hat sehr viel mit einem Umbau 1993 zu tun. 2021 – ausgerechnet im Orgeljahr – kann die Gemeinde sogar das 50-jährige Bestehen ihres Instruments feiern. Eigentlich hatte Jörg Müller dafür einen ganzen Reigen an Konzerten und Veranstaltungen geplant. Auch dies lief nicht so glatt wie geplant: Die Corona-Pandemie funkte dazwischen.

Am Sonntag, 12. September, aber ist Orgeltag. Jörg Müller nimmt dies als Wink des Himmels und lädt zum Konzert an die Kirchenallee 1 ein. Dann darf sich die ein halbes Jahrhundert alte Orgel mit Werken der Romanik von ihrer besten Seite zeigen. „Zuerst war ihr Klang etwas dürftig“, sagt Müller, der gefühlt schon „seit Jahrhunderten Orgel spielt“. Als er seine erste halbe Stelle als Kirchenmusiker in Reinbek bekam, das war noch vor seinem Studium, hatte die alte Weigle-Orgel erst 18 Register.

Alte Markussen-Orgel von 1914 wurde ausgemustert

Die Vorgängerin, eine Markussen-Orgel von 1914, hatte man in den 1960er-Jahren ausgemustert. Sie war nach dem Zweiten Weltkrieg barockisiert worden. „Das war aber alles Murks“, so Müller. „Es klang nicht richtig, und sie war defekt.“ Da man damals nicht den Sinn für alte Orgeln hatte, musste sie weg. Als 1969 die Kirche umgestaltet wurde, wollte die Gemeinde sogar komplett auf ein Instrument verzichten. Dann fand sich 1971 doch noch etwas Geld, und die Fabrikorgel wurde angeschafft.

„Ihr Prospekt passte nicht zur Architektur der Maria-Magdalenen-Kirche, aber sie war neu und funktionierte“, sagt Müller. Kurzum: Sie ließ beim Musikerherz noch einige Wünsche offen. So tüftelten der Kirchenvorstand und er 1993 ein Umbaukonzept mit zwei zusätzlichen Registern aus und baten um Spenden. Innerhalb eines Jahres kamen umgerechnet 90.000 Euro zusammen. „Das war toll“, sagt Jörg Müller. „Es wurden immer mehr neue Register, zuletzt sechs.“

Geesthachter Orgelbauer nahm das Instrument komplett auseinander

Mit dem Umbau wurde die Orgelbauer-Firma Sebastian aus Geesthacht beauftragt, die das Instrument vollkommen auseinandernahm. „Die gesamte Empore stand voll“, erinnert sich der Kantor. „Claus Sebastian und seine Mitarbeiter haben sich richtig reingehängt, jede Pfeife herausgenommen und alles neu intoniert.“ An den Pfeifen wurde geschnitten, gefeilt und gebogen. 1400 Pfeifen aus Metall und auch aus Holz stecken in der alten Orgel. „Das hat viel Zeit in Anspruch genommen.“

Der Einsatz habe sich gelohnt. „Danach war ich sehr zufrieden“, sagt Müller. „Denn die Firma hat mir auch eine historische Stimmung hineingebaut.“ Er erläutert dies so: „Normalerweise hat ein Instrument eine gewöhnliche Klavierstimmung. Dann klingen alle Tasten völlig gleich, eher statisch.“ Das sei bei den lang liegenden Akkorden der Orgel „pottenlangweilig“. Der Musiker schlägt auf den Manualen ein paar Akkorde an.

Die Schwingungen des Instruments beginnen zu schweben

„Mit einer historischen Stimmung beginnen die Schwingungen der Orgel zu schweben“, beschreibt er den Unterschied, „Der Klang ist irgendwie spitzer. Dieser Klang und die neuen Register haben viel gebracht.“ Hinzu kam außerdem noch ein Spielregister, der Zimbelstern mit einem kleinen Glockenspiel. Es kommt beispielsweise bei „O du Fröhliche“ zum Einsatz. „Die Gemeinde findet das toll“, sagt er lächelnd.

Der Prospekt passe zwar nach wie vor nicht zur Architektur der Kirche, aber mit dem Klang der Weigle-Sebastian-Orgel ist Reinbeks Kirchenmusiker sehr froh. Als schöne Alternative hat er noch die Konzertorgel der Nathan-Söderblom-Kirche in der Gemeinde Reinbek-West. „Dort stand schon zu Beginn fest, das soll eine Konzertkirche werden“, erzählt Jörg Müller.

Im hohen Kirchenschiff sind bis zu 200 Zuhörer erlaubt

„Die Orgel dort hat wunderschöne Klangfarben, aber hier in der Maria-Magdalenen-Kirche habe ich mehr Register und somit mehr Möglichkeiten.“ Dies eigne sich ausgezeichnet für romantische Musik: „Franz Schubert, Robert Schumann und Max Reger klingen hier wunderbar“, sagt der Kantor. „Außerdem ist diese Orgel treu und brav.“ Andere Instrumente quietschten und pfiffen schon mal oder müssten repariert werden. Nicht so die Weigle-Sebastian.

Am Sonntag, 12. September – dem offiziellen Orgeltag – können sich Besucher vom Klang überzeugen: Sie sind ab 18 Uhr bei freiem Eintritt willkommen, romantischen Klängen zu lauschen. Im hohen Kirchenschiff finden auch unter Corona-Bedingungen 200 Zuhörer Platz. Orgelbauer Claus Sebastian ist ebenfalls eingeladen. Eine kleine Verquickung hat Jörg Müller noch eingebaut: Denn auch bei diesem Konzert sind Spenden für den neuen Gemeindesaal willkommen – „Vielleicht wird es ja wieder so ein großer Erfolg wie 1993“, sagt der Musiker.

Bis dahin genießt die Gemeinde weiterhin die liturgische Begleitung der Gottesdienste durch ihre brave Weigle-Sebastian-Orgel – und manchmal hört sie ihn erklingen: den Zimbelstern. Jörg Müller würde gern noch viele weitere Konzerte und Orgelführungen, besonders auch für Kinder, anbieten. Die dürfen dann auch eine Orgelpfeife basteln. Allerdings kann er Termine unter Pandemie-Bedingungen nur kurzfristig planen. Bei der jüngsten Orgelführung kamen etwa 40 Gäste samt Kindern auf die Empore.