Siek. Weil es auf dem freien Markt zu wenige Angebote gibt, baut Siek Mietwohnungen in Eigenregie. Interessant wird es bei den Vergabekriterien.

Etwa 2500 Einwohner zählt die Gemeinde Siek. 2007 lag die Bevölkerungszahl noch unterhalb der 2000er-Marke. Seitdem ist sie um mehr als ein Fünftel angestiegen. Doch der Wohnungsmarkt ist nicht in gleichem Maße mitgewachsen. Gerade Mietwohnungen sind auf dem Land rar gesät. Nach Erhebungen des Statistikamts Nord (Stand 12/2022) ist bei Wohngebäuden in Siek noch immer das Einfamilienhaus mit mehr als 80 Prozent die Regel.

Die Gemeindevertreter haben das Problem schon vor Jahren erkannt. Statt sich mit dem Missstand abzufinden, steuern sie aktiv dagegen. Das zeigte auch die Grundsteinlegung für das jüngste gemeindliche Wohnbauprojekt: Auf dem Grundstück an der Hauptstraße 46 entstehen zwölf Wohnungen mit Wohnflächen zwischen 40 und 90 Quadratmetern. Bei strahlendem Sonnenschein hatten sich Vertreter aus der Politik, Verwaltung und den beteiligten Baufirmen dort eingefunden, um der Zeremonie beizuwohnen. Bürgermeister Andreas Bitzer begrüßte die Gäste, darunter auch Amtsvorsteher Olaf Weber. Weil dieser Geburtstag hatte, nahm er das auf der Grundsteinplatte eingravierte Datum persönlich. Weber sagte: „Ich finde es legendär, dass die Gemeinde Siek mir zu meinem 64. Geburtstag dieses Gebäude widmet. Danke!“ Die scherzhafte Bemerkung sorgte bei der gut gelaunten Runde für viel Gelächter.

So bekämpft ein Dorf auf eigene Faust die Wohnungsnot: Es baut Mietwohnungen in Eigenregie

Anlass zur Freude gab es auch so genug. Architekt Jörg Kröger berichtete, dass alles nach Plan laufe und skizzierte kurz den zeitlichen Verlauf des Vorhabens. Er sagte: „Im November 2021 haben wir die ersten Ideen mit dem Bauausschuss und dem Bürgermeister besprochen.“ Der im Juni des darauffolgenden Jahres gestellte Bauantrag sei im Dezember 2022 genehmigt worden. Außergewöhnlich für einen gemeindlichen Bau sei die Holzrahmen-Bauweise.

„Es ist alles in Holz – ausgenommen das, was wir hier gerade sehen“, erläuterte er. Sohle und Gründung bestehen aus Beton, ebenso das Treppenhaus – aus brand- und schallschutztechnischen Gründen. Sämtliche Holzteile werden in der Werkstatt gefertigt und kommen komplett trocken an. „Das ist einer der vielen Vorteile beim Holzrahmenbau“, so der Architekt. „Man hat hinterher ein trockenes und fertiges Gebäude, das beim Aufstellen sehr schnell wächst.“

Beim Neubau ist Siek Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit, Modernität und Energieeffizienz

Das Haus ist zweigeschossig plus Dach. Alle Wohnungen verfügen über Balkon, Terrasse oder Dachterrasse. Es gibt zwei Einzimmerappartements, acht Zweizimmer- und zwei Dreizimmerwohnungen. Zwei sind behindertengerecht und zwei weitere barrierefrei mit ebenerdigem Zugang. Kröger: „Die anderen Wohnungen werden über Laubengänge erschlossen. Dadurch spart man sich die ganzen Flure innen drin und schafft dort maximalen Wohnraum.“

Strom wird mit einer Photovoltaikanlage erzeugt, geheizt wird mit Erdwärme. Kröger: „Im Vorgartenbereich werden noch Erdbohrungen gemacht bis zu einer Tiefe von etwa 80 Metern. Bei einer insgesamten Nutzfläche von 775 Quadratmetern erreichen wir in etwa einen KfW-Standard von 40.“ Die Energieeffizienz des Hauses sorge dafür, dass die Energiekosten für die Mieter relativ günstig ausfielen. Die vielen Stellplätze sind eine Auflage der Gemeinde: 23 Stück sind es, für jede Wohnung gibt es einen Stellplatz, in einem Carport mit begrüntem Dach, teilweise mit E-Ladesäulen ausgestattet. „Das ganze Haus ist sehr nachhaltig und sehr modern“, findet der Architekt. In dieser Hinsicht nehme Siek eine Vorreiterrolle ein. „Die Gemeinde sagt, wir machen das mal anders, das finde ich Weltklasse.“

Mit seinem Vorschlag konnte Architekt Jörg Kröger die Gemeindevertreter überzeugen

Architekt Jörg Kröger (l.) und Bürgermeister Andreas Bitzer bringen die Grundsteinplatte mit Datum und Zeitkapsel an einer provisorischen Wand im Inneren des Gebäudes an.
Architekt Jörg Kröger (l.) und Bürgermeister Andreas Bitzer bringen die Grundsteinplatte mit Datum und Zeitkapsel an einer provisorischen Wand im Inneren des Gebäudes an. © Elvira Nickmann | Elvira Nickmann

Bürgermeister Bitzer: „Mich als gelernten Zimmermann begeistert besonders, dass wir in Holzrahmen-Bauweise bauen.“ Schon beim Grundstückserwerb sei die Idee im Hinterkopf gewesen, „dass hier mal ein gemeindliches Wohngebäude stehen könnte“. Als 2020 ein Gutachten ergeben habe, dass das alte Bestandsgebäude abgerissen werden müsse, „haben wir mehrere Architekten angesprochen, die uns Vorschläge machen sollten, was hier entstehen könnte“. Das Rennen machte der Vorschlag von Kröger.

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„Wir haben einen guten Baustart hingelegt und sind begeistert, wie das hier abläuft“, sagte Bitzer. Er sei guter Dinge, dass „wir in einem knappen Jahr in die Vermietung gehen können“. Mit dem Bau werde ein Teilprojekt aus dem Ortsentwicklungskonzept 2019 umgesetzt. Rückmeldungen der Einwohner hätten damals gezeigt, dass zu wenig Wohnraum, insbesondere Mietwohnungen, vorhanden sei. Daher hätten sich die vorherige und die derzeitige Gemeindevertretung auf die Fahnen geschrieben, dass sie Möglichkeiten bieten wollten, im Ort wohnen zu bleiben.

Bewerber, die sich seit Jahren ehrenamtlich engagieren, haben gute Chancen auf eine Wohnung

Nach der Grundsteinlegung wurde mit Sekt und Orangensaft angestoßen. Bislang steht nur das Treppenhaus des Wohngebäudes. Verläuft alles nach Plan, könnten die ersten Mieter in den fertigen Bau im Frühjahr 2025 einziehen.
Nach der Grundsteinlegung wurde mit Sekt und Orangensaft angestoßen. Bislang steht nur das Treppenhaus des Wohngebäudes. Verläuft alles nach Plan, könnten die ersten Mieter in den fertigen Bau im Frühjahr 2025 einziehen. © Elvira Nickmann | Elvira Nickmann

„Die Vergabekriterien für dieses, aber auch für die anderen gemeindlichen Wohngebäude werden so gestaltet, dass vornehmlich diejenigen, die das erste oder das letzte Mal hier in Siek zu Hause ausziehen, den Erstzugriff bekommen sollen“, kündigt Bitzer an. Insbesondere das Ehrenamt soll unterstützt werden. „Wir alle wissen, dass gerade auf den Dörfern die Gemeinschaft vom Ehrenamt lebt.“ Darum hätten Bürger, die sich seit Jahren in Siek ehrenamtlich engagieren, „bessere Karten bei der Wohnungsvergabe“.